Erschienen als gebundene Ausgabe
im Piper Verlag
368 Seiten
20,00 €
ISBN: 978-3-492-70467-0
Kategorie: Science Fiction
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In einer entfernten Zukunft besitzen die Menschen kein Geschlecht mehr, aber dafür mehrere Körper. Biotechnologie und IT prägen das Gesellschaftsbild. Als die junge Fift eines Tages auf den Biotechniker Shria trifft, ahnt sie nicht, dass diese Beziehung eine Revolte und einen Umbruch des kompletten Gesellschaftssystems auslöst.
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Eines sei vorweg gesagt: Man muss sich auf diesen Roman einlassen (können), um die epische Bandbreite und die darin verarbeitete Philosophie verstehen zu können. Es dauert eine Weile, bis man sich in Benjamin Rosenbaums Zukunft zurecht findet und das dort herrschende Gesellschaftssystem begreift. Mit einer Leichtigkeit wirft uns der Autor in seinem Debütroman in eine Welt, die absurder nicht sein könnte. Geschlechter existieren nicht mehr, dafür hat der Mensch nicht nur einen, sondern mehrere Körper. Beeindruckend schildert Rosenbaum dieses Phänomen und wenn man sich, wie oben schon bemerkt, darauf einlassen kann, entsteht im Kopf des Lesers bald ein faszinierendes Szenario, dem man sich nicht mehr entziehen kann. Irgendwann nimmt man die Ereignisse als gegeben hin und erst dann beginnt der richtige Spaß an diesem Buch. Benjamin Rosenbaum hat eine faszinierende Zukunftsvision erarbeitet, die Familie, Erziehung, Genderproblematik, Politik und Persönlichkeitsentwicklung eines Menschen beleuchtet. Unweigerlich stellt man sich während einiger Passagen die Frage, ob es denn eines Tages tatsächlich so sein könnte, wie in „Die Auflösung“ beschrieben.
In einem nicht leichten, aber nichtsdestoweniger hochwertigen Schreibstil wird der Leser in eine Welt entführt, die oftmals so oberflächlich wirkt, wie sie heutzutage in manchen Belangen schon ist. Da wird enorm viel Wert auf „Follower“ gelegt oder abgegebene Bewertung (von fremden Menschen), die Statussymbole beschränken sich größtenteils auf Internet-Aktivitäten … das alles klingt gar nicht weit hergeholt und entspricht schon mehr den Tatsachen, als manch einer glauben mag. Rosenbaum hat einen glaubwürdigen Schritt in eine noch weit entfernte Zukunft gewagt, der wir uns aber im Grunde genommen näher sind, als wir denken. Zwischenmenschliches muss erst wieder „gelernt“ werden und entspricht nicht der Norm. „Die Auflösung“ schildert eine Zukunft, in der nicht Angriffe von Außerirdischen eine Rolle spielen und die Menschheit bedrohen, sondern in der die Technik und der Mensch zum Feind wird. Die Probleme unserer Gegenwart sind zwar gelöst, wurden aber von anders gelagerten Schwierigkeiten abgelöst. Denkt man über dieses Szenario eine Weile in Ruhe nach, so wird einem erst die Tragweite dieser Vision bewusst, die Rosenbaum uns da vorlegt. Der Roman wirkt noch um einiges stärker, wenn man ihn nach dem Lesen zur Seite legt und wirken lässt.
Benjamin Rosenbaum schafft es hervorragend (und ähnlich wie zum Beispiel Vernor Vinge oder auch Robert L. Forward, um nur zwei passende Beispiele zu geben) eine komplizierte Zukunftswelt zu beschreiben, die nach und nach für den Leser zur Selbstverständlichkeit wird. Alles wirkt durchdacht und äußerst glaubwürdig, wenn man sich darauf einlassen kann. Was mir sehr gut gefallen hat, waren die Überlegungen, inwieweit das Geschlecht für den Menschen eine Rolle spielt und spielen sollte. Denn eigentlich sollte sich die Menschheit nicht über eine Geschlechterrolle definieren, sondern über den Menschen selbst, der in der Hülle steckt. Diese „Problematik“ unserer Zeit wurde beeindruckend gelöst und durchdacht.
Was genau verbirgt sich hinter „Die Auflösung“? Rosenbaums Roman wirkt einerseits auf mich wie ein gut konstruierter Blick in eine weit entfernte Zukunft und andererseits wie ein Abbild unserer Gegenwart, in der sich all die geschilderten Utopien bereits auf die ein oder andere Art und Weise abzeichnen. „Die Auflösung“ vermittelt Hoffnung auf eine „bessere Zukunft“ und macht gleichzeitig ein wenig Angst vor einem unmenschlichen, unpersönlichen Morgen ohne echte Emotionen.
Wer auf außergewöhnliche Science Fiction abseits von Weltraumschlachten und Superhelden steht, dürfte bei Benjamin Rosenbaums Romandebüt seine Freude haben. Alle anderen sollten aber die Augen vor solch einer Vision nicht verschließen und zumindest einmal einen Blick in dieses ausdrucksstarke Zukunftsszenario werfen.
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Fazit: Innovatives, außergewöhnliches und beeindruckendes Zukunftsbild der Menschheit, das zum Nachdenken anregt.
© 2018 Wolfgang Brunner für Buchwelten
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