Der mexikanische Fluch von Silvia Moreno-Garcia

Der mexikanische Fluch von Silvia Moreno-Garcia

Erschienen als gebundene Ausgabe
im Limes Verlag
insgesamt 412 Seiten
Preis: 22,00 €
ISBN: 978-3-8090-2747-8
Kategorie: Mystery, Drama, Belletristik

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Die junge Noemí erhält einen Brief von ihrer Cousine, die in einem abgelegenen Herrenhaus in den mexikanischen Bergen lebt und behauptet, dass ihr Mann sie vergiften will.
Noemí begibt sich auf die Reise in die Einöde und entdeckt, dass ihre Cousine nicht nur untertrieben hat, sondern dass das Haus und die Familie, in die eingeheiratet hat, ein düsteres Geheimnis umgibt.

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Nachdem man Silvia Moreno-Garcias Roman zu Ende gelesen hat, muss man unweigerlich zugeben, dass man gerade ein unheimlich atmosphärisches und meisterhaft geschriebenen Werk gelesen hat, an das man sich noch lange erinnern wird. Die ersten beiden Drittel wirken wie ein Roman aus der Feder von Shirley Jackson, die mit „Spuk in Hill House“ oder „Wir haben schon immer im Schloss gelebt“ eine ähnliche Stimmung erschaffen hat, wie Moreno-Garcias mit der vorliegenden Geschichte. Die Leser werden eingelullt in eine mystische, rätselhafte Handlung, die sehr ruhig und unspektakulär erzählt wird. Die Autorin beschreibt sowohl die Charaktere als auch die Umgebung und die Ereignisse sehr bildhaft, sodass man teilweise filmreife Bilder im Kopfkino erhält, die die bedrückende und teils bedrohliche Atmosphäre noch unterstreichen. Das Herrenhaus wirkt wie aus alten Schwarzweißfilmen und man ist hautnah bei den Geschehnissen dabei. Auf den ein oder anderen mag die Familiengeschichte und die darum verwobenen Rätsel etwas langatmig wirken, aber diesen Lesern sei nur gesagt: Durchhalten bis zum zweiten Drittel, denn dann nimmt die Geschichte zum einen eine unerwartete Wendung und wird zu anderen zu einem absoluten Pageturner, den man nicht mehr aus der Hand legen will.

Der Aufbau erfolgt, im Nachhinein betrachtet, sehr geschickt, weil sich die Bedrohung und das Familiengeheimnis erst allmählich herauskristallisiert und die Leser diesbezüglich ähnlich wie die Protagonistin lange Zeit im Dunkeln tappen. Das lange Finale könnte dann spannender und actionreicher nicht sein. Insgesamt erinnert die Handlung und die Atmosphäre „Der mexikanische Fluch“ an Filme wie die bereits erwähnte Litertaturverfilmung „Spuk in Hill House“ oder Guillermo del Toros „Crimson Peak“, also mit einem durchgehenden Hauch von gotischem Grusel. „Der mexikanische Fluch“ wirkt wie ein literarischer alter Schwarzweißfilm, eine Reinkarnation des alten Schauerromans, wie man sie etwa von Mary Shelley kennt. Moreno-Garcia schreibt in ähnlicher Weise, aber eben ein Stück moderner, was den Roman für heutige Lesegewohnheiten eindeutig leichter lesen lässt wie alte Klassiker. Und dennoch fühlt sich die vorliegende Geschichte tatsächlich wie ein wiederauferstandener Klassiker in neuem Gewand an: unheimlich, dekadent, erotisch und mysteriös. Hat man sich erst einmal an die relativ ruhige, unspektakuläre und niveauvolle Erzählweise gewöhnt, möchte man das Herrenhaus mit ihren unheimlichen, zwielichtigen Bewohnern gar nicht mehr verlassen.
Aus solchen Geschichten werden Filme gemacht.

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Fazit: Enorm atmosphärisches Haunted-House-Drama mit einer durchdachten Handlung.

©2022 Wolfgang Brunner für Buchwelten

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Die Heimkehr von John Grisham

Erschienen als gebundene Ausgabe
im Heyne Verlag
insgesamt 382 Seiten
Preis: 22,00 €
ISBN: 978-3-453-27412-9
Kategorie: Belletristik, Thriller

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Drei Kurzromane von John Grisham. „Die Heimkehr“ erzählt von einem Mann, der Geld veruntreut hat, ins Ausland abgehauen ist und nun wieder zurückkehren möchte. „In „Erdbeermond“ möchte ein zum Tode Verurteilter, dass sich sein letzter Wunsch erfüllt, und in „Sparringspartner“ intrigiert eine Mitarbeiterin gegen ihre beiden Chefs, die verfeindete Brüder sind.

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Mit diesem Band beweist John Grisham, dass er auch die Sparte des Kurzromans virtuos beherrscht. Seine Geschichten bringen es auch auf nur wenigen Seiten auf den unkt, ohne dass man dabei etwas vermissen würde. Sicherlich fällt es auf, dass manche Charaktere nicht so tief beschrieben werden, wie in seinen Romanen, aber das macht eigentlich gar nichts aus, denn man fliegt auch hier nur so über die Seiten und hat ungemeinen Spaß an den Stories. Grishams gewohnt leicht lesbarer Schreibstil macht die drei Geschichten zu einem extrem kurzweiligen Leseerlebnis. Manchmal stelle ich mir tatsächlich die Frage, wie Grisham es schafft, die Leser mit seinen Geschichten derart zu faszinieren, obwohl er im Grunde genommen eigentlich immer das Gleiche erzählt. Doch diese Stories sind einfach so clever konstruiert und auf eine höchst unterhaltsame und ansprechende Art und Weise zu Papier gebracht, dass man jedes Mal aufs Neue in ihren Bann gerät. Grisham erschafft einen unwiderstehlichen Sog, wie er auch hier wieder eindrucksvoll unter Beweis stellt.

In „Die Heimkehr“ begegnet der aufmerksame Grisham-Leser einer Figur, die er bereits aus den Romanen „Die Jury“ und „Der Polizist“ kennt: Jake Brigance. Die Geschichte ist im Prinzip eigentlich ganz einfach, und dennoch lässt sie einen während des Lesens den Alltag vergessen. Vielleicht liegt es daran, dass Grisham in seinen Geschichten immer sehr viel Menschlichkeit einbaut, die uns sofort anspricht. In diesem Kurzroman ist es die Beziehung zwischen dem Mann, der wieder in sein altes Leben zurückkehren will, und seiner Tochter, die er eine Zeit lang nicht gesehen hat. Es ist schön zu lesen, wie sich die beiden wieder näherkommen und versuchen, genau da wieder anzuknüpfen, wo einst ihre Beziehung endete. Auch das kann Grisham enorm gut und vor allem glaubhaft rüberbringen.
„Erdbeermond“ ist dann die Story, die mir eigentlich am besten gefallen hat. Die letzten Stunden eines zum Tode Verurteilten ging mir wahrscheinlich deswegen so nahe, weil sie nicht reißerisch, sondern fast schon philosophisch und melancholisch verfasst ist. Ich fühlte mit dem Protagonisten, als würde er neben mir stehen und zu mir sprechen. Das ging mir sehr nahe und hat mich nachhaltig beeindruckt.
„Sparringspartner“ ist dann wieder ein typischer Grisham-Plot mit Intrigen, verwinkelten Anwalts-Schachzügen und einer gelungenen Wendung, die ich so nicht erwartet habe. Auch hier konnte ich, wie bei allen Geschichten in diesem Buch, schlecht das Lesen aufhören.
Insgesamt bewegt sich John Grisham mit „Die Heimkehr“ auf einem ähnlichen Niveau wie all seine Romane und konnte mich mit jedem Kurzroman, jeder Kurzgeschichte vollends überzeugen. So ist es nicht verwunderlich, dass ich bereits jetzt schon wieder sehnsüchtig auf ein neues Werk von ihm warte.
Absolute Leseempfehlung!

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Fazit: Perfekt geschriebene Kurzromane in flüssigem Schreibstil, wie man es von John Grisham gewohnt ist.

©2022 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Mary von Anne Eekhout

Erschienen als gebundene Ausgabe
bei btb
insgesamt 416 Seiten
Preis: 22,00 €
ISBN: 978-3-442-75987-3
Kategorie: Drama, Belletristik

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Ein in Romanform erzählter Lebensabschnitt der bekannten Autorin Mary W. Shelley.

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Nicht nur „Frankenstein“, sondern auch die anderen Geschichten und Romane von Mary W. Shelley sind beeindruckende Werke der Weltliteratur. Die Geschichte von Shelley, einer starken Persönlichkeit, hat mich schon immer interessiert, und so war ich natürlich extrem neugierig, was Anne Eekhout zu erzählen hat. Ihr biografischer, historischer Roman mit fiktiven Einschübe hat meine Erwartungen um einiges übertroffen. Dieses Buch entwickelt bereits nach den ersten Seiten einen unglaublichen Sog, dem man sich nur schwer beziehungsweise gar nicht entziehen kann. Eekhouts Schreibstil ist gehoben, außerordentlich poetisch und sehr bildhaft. Die Geschichte um Mary, die sich hauptsächlich dem Jahr 1812 widmet, wo Mary bei einer Gastfamilie lebt, ist so faszinierend, dass ich gut und gerne weitere 400 Seiten hätte lesen respektive verschlingen können. Dieser Zeitabschnitt wird noch vermischt mit jener legendären Nacht in Genf, die Shelley mit ihrem Mann, ihrer Stiefschwester und Lord Byron verbracht hat und in der ihr die Idee zu „Frankenstein“ kam.

„Mary“ ist ein Ausflug in einen kleinen Lebensabschnitt dieser interessanten Schriftstellerin, der sich nicht nur mit der Fantasie dieser jungen Frau beschäftigt, sondern auch einen Einblick in die Gepflogenheiten jener Zeit gibt und die teils wirre Gefühlswelt von Shelley beleuchtet, die zu dieser Zeit ja noch ein junges Mädchen war.
Manchmal erinnerte mich Eekhouts Schreibstil sogar an die Ausdrucksweise von Shelley, so gewählt und wunderschön zu lesen. Eekhout zeigt in ihrer Geschichte auch Mut, in dem sie sexueller Begebenheiten schildert, die einerseits zeigen, wie unreif beziehungsweise unsicher Shelley sich in ihren jungen Jahren verhielt, und andererseits belegen, wie künstlerisch und literarisch begabt sie schon war.
„Mary“ ist ein unglaublich atmosphärische Abenteuer über eine ganz große Schriftstellerin, das einfühlsam und emotional geschrieben wurde. Anne Eekhout hat es von Anfang bis Ende geschafft, mich mit ihrem Roman in den Bann zu ziehen.

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Fazit: Wunderschön und stimmungsvoll geschrieben. Muss man gelesen haben.

Monument 14 von Emmy Laybourne

Erschienen als Taschenbuch
im Heyne Verlag
insgesamt 888 Seiten
Preis: 18,00 €
ISBN: 978-3-453-32192-2
Kategorie: All Age, Abenteuer, Science Fiction

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Während eines Tsunamis geraten zwei Schulbusse außer Kontrolle und rasen in ein Einkaufszentrum. Durch die Naturkatastrophe entweicht aus einer nahegelegenen Chemiefabrik eine giftige Substanz, die verheerende Auswirkungen auf die Überlebenden hat. Die Schüler verschanzen sich im Einkaufszentrum und schon bald beginnt für sie ein erbitterter Kampf ums Überleben.

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Eines muss man sich vor Augen halten, wenn man diese Saga liest: Es handelt sich um ein Jugendbuch, im besten Fall um sogenannte All-Age-Romane. Nicht dass diese Tatsache bedeutet, dass die Geschichte schlecht wäre, aber in diesem Fall wirkt es wirklich wie ein Jugendbuch (ähnlich wie im Fall „Maze Runner“). Anders als beispielsweise „The Hunger Games“ wird in „Monument 14“ eine einfache Geschichte in einem einfachen Schreibstil erzählt, die schlichtweg „nur“ unterhält und ansonsten keinerlei literarische Qualitäten wie gehobene Ausdrucksweise, beeindruckender Satzbau etc. vorweisen kann. Aber ich denke, wer sich auf diese Bücher einlässt, weiß, was ihn erwartet, und kann sich entsprechend darauf einlassen.

Autorin Emmy Laybourne hält sich eindeutig an die Konventionen eines dystopischen Jugendromans und erfindet deshalb das Rad nicht unbedingt neu. Die Ausgangssituation hat durchaus ihren Reiz und hätte sich zu einem „Zombie im Kaufhaus“ für Jugendliche entwickeln können, was aber dann letztendlich nicht der Fall war. Layburne verlagert ihre Geschichte nach außerhalb, erzählt Dinge, die jeder von uns (wahrscheinlich sogar auch schon Kinder und Jugendliche er Zielgruppe) in Dutzenden von Filmen (und auch Büchern) gesehen und gelesen haben. Das heißt nicht, dass die Handlung uninteressant oder gar langweilig wird, aber ich persönlich hätte mir etwas Größeres, Epischeres erwartet. Die Charaktere entwickeln sich zwar, handeln aber oftmals ein wenig unglaubwürdig und „zu erwachsen“, was mich tatsächlich hin und wieder auch gestört hat. Ähnlich wie bei „Maze Runner“ könnte ich mir allerdings auch in diesem Fall durchaus vorstellen, dass das Ganze hervorragend als Film funktionieren würde.

Positiv ist, dass die Kinder viele verschiedene Persönlichkeiten besitzen und daher eine schöne Dynamik innerhalb der Gruppe zustande kommt. Wie gesagt, die Idee der Ausgangssituation ist wirklich gut, aber Laybourne hat an einigen Stellen Schwierigkeiten, diese logisch und vor allem auf spannende Art und Weise umzusetzen, da wäre tatsächlich noch mehr Potential vorhanden gewesen. Aber genug der Jammerei, „Monument 14“ stellt dennoch einen großartigen Beitrag in der Jugendliteratur der Sparte „Dystopie“ dar und ich bin sicher, dass die Zielgruppe große Freude daran hat, diese Helden auf ihrer unglaublichen und gefährlichen Reise zu begleiten. Ich hatte jedenfalls auch als Erwachsener großen Spaß mit dieser Saga, wenngleich ich einige Kritikpunkte fand. Unbedingt erwähnenswert ist, dass dieser Sammelband nicht nur die drei Teile der Saga enthält, sondern auch die Kurzgeschichte „Jakes Geheimnis“ beinhaltet, die zwischen Band 1 und 2 angesiedelt ist. Gerade diese kurze Episode hat mir ausnahmslos sehr gut gefallen und die gesamte Handlung auf eine ganz gewisse Art und Weise bereichert. „Lesefaule Kinder“ werden mit dieser Trilogie auf jeden Fall ihre helle Freude haben.

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Fazit: Kurzweilige und spannende Dystopie mit einigen Schwachstellen.

©2022 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Zwischen Zwölf und Mitternacht von Alfons Winkelmann

Erschienen als Taschenbuch
in der Edition Bärenklau Exklusiv
insgesamt 316 Seiten
Preis: 12,99 €
ISBN: 978-3-7549-5973-2
Kategorie: Belletristik, Fantasy, Drama

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Ein namenloser Reporter und sein Kameramann Willi Be berichten über das Liebespaar Peter Piechowiak und Christine Bellinger. Deren Chef Siegfried Börries, dessen Frau Elène unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen ist, hat ebenfalls an ihr Interesse. Und dann gibt es da noch einen geheimnisvollen grauen Mann und ein Mädchen, das immer wieder die Wege der Beteiligten kreuzt. Und eine sexbesessene Baronesse namens Angélique von Lichtblau, die hinter Herrn Börries her ist, spielt auch eine Rolle in dieser undurchsichtigen Geschichte voller Geheimnisse und Mysterien.

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Da ist er nun: Der neue Roman von Ausnahmeautor Alfons Winkelmann. Und, wie nicht anders von mir erwartet, liefert Winkelmann wieder ein Buch ab, von dem ich im ersten Moment sagen möchte, es sei sein bestes. Aber das ist es nicht, denn jedes Werk von ihm ist sein bestes. „Zwischen Zwölf und Mitternacht“ ist verspielte Literatur auf hohem Niveau. Man wird unterhalten, gleichzeitig aber auch gezwungen, über das Gelesene nachzudenken, zu sinnieren, sich darin zu verlieren. Der Roman wirkt wie wie ein Film von David Lynch: mystisch, undurchsichtig, aber doch auch irgendwie greifbar. Und dass einer der Protagonisten, nämlich der Kameramann Willi Be eine Anspielung auf den grandiosen William S. Burroughs ist, kommt nicht von ungefähr. Nicht nur David Lynch, auch er hat seine Hände mit im Spiel, wenn man Winkelmanns Mystery-Geschichte liest.

Es macht einfach unglaublich Spaß, sich auf diese literarische Welt einzulassen, die der Autor hier erschafft. Wie schon bei seinen anderen Büchern „Die Insel der Wahrheit“ oder „Die Töchter der Großen Mutter“ fällt es schwer, den Roman aus der Hand zu legen. Winkelmanns Romane besitzen einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann, natürlich immer vorausgesetzt, man hat die Fähigkeit, sich auf solch eine außergewöhnliche Geschichten und einen ausgefeilten Schreibstil einzulassen. Der Autor beherrscht die deutsche Sprache, spielt mit ihr, experimentiert und fordert den Leser heraus. Doch nicht nur literarisch, sondern auch buchsatztechnisch entwickelt er innovative Ideen, die im Gedächtnis haften bleiben und, trotz aller Spielereien, absolut Sinn ergeben. Alfons Winkelmann bewegt sich mit „Zwischen Zwölf und Mitternacht“ auf den Pfaden eines Mark Z. Danielewski, um nur ein Beispiel zu nennen. Literatur als herausforderndes Abenteuer – ich liebe solche Projekte.

Und dann ist da auch noch die Liebesgeschichte, die sich unaufdringlich (und dennoch unglaublich schön und authentisch) durch das ganze Buch zieht, und dem Roman och einen zusätzlichen Reiz verleiht. Ohne jeglichen Kitsch lässt Winkelmann den Leser die Macht der Liebe spüren und setzt gerade mit dem letzten Kapitel noch einen Höhepunkt, sozusagen das I-Tüpfelchen, auf die Gesamtgeschichte. Wie bereits geschrieben, da passt einfach alles.

Alfons Winkelmann zählt eindeutig zu jenen Autoren, von denen ich jedes Buch blind kaufen würde, weil ich genau weiß, welch ein außergewöhnliches, literarisches Abenteuer mich erwartet. „Zwischen Zwölf und Mitternacht“ ist typisch Winkelmann, ohne jedoch einem seiner anderen Bücher zu gleichen. Auch dies ist ein Punkt, der mich an diesem Autor immer wieder fasziniert: Er bleibt nicht auf der Stelle stehen, entwickelt neue, innovative Ideen, wobei er dennoch seiner Linie in Bezug auf Mystik und Komplexität treu bleibt. Es gibt nicht viele Schriftsteller, die „Unbeschreibbares“ zum Leben erwecken können: Alfons Winkelmann ist definitiv einer davon.
„Zwischen Zwölf und Mitternacht“ sollte man gelesen haben, allein schon aus dem Grund, um zu sehen, was man mit Sprache ausdrücken kann. Es ist ein Buch zum Träumen, zum Nachdenken, zum Genießen und zum Staunen. Absolute Leseempfehlung von mir.

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Fazit: Als hätte David Lynch einen Roman geschrieben, um ihn anschließend zu verfilmen. Absolute Empfehlung.

©2022 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Steine von Tobias Bachmann

Erschienen als gebundene Ausgabe
im KOVD Verlag
insgesamt 124 Seiten
Preis: 15,99 €
ISBN: Privatdruck – ohne ISBN
Kategorie: Horror, Mystery, Science Fiction

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Charles Laughton und sein junger Gehilfe untersuchen mysteriöse Vorgänge in Stonehenge. In drei Episoden, die am Ende ein Gesamtbild ergeben, erzählt Tobias Bachmanns eine spannende Geschichte über eine fremde Macht, die die Menschheit bedroht.

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Es gibt mittlerweile einige Autoren, die sich immer wieder auf literarischem Wege dem Vermächtnis des H.P. Lovecraft widmen. Tobias Bachmann ist einer davon, und ich möchte behaupten, er ist einer der Besten. In der vorliegenden Sonderausgabe aus dem KOVD-Verlag kann der Leser nach langer Zeit endlich wieder einmal die ersten veröffentlichten Geschichten des Autors genießen, bei denen man nicht einmal ansatzweise bemerkt, dass sie so ziemlich die ersten Stories sind, die sich Bachmann ausgedacht hat. „Steine“ beinhaltet mehrere Geschichten, die ineinander übergreifen und letztendlich ein Gesamtwerk ergeben, an das man sich noch lange erinnert. Der Autor versteht es meisterhaft, Lovecrafts Stil und die Atmosphäre seiner Geschichten auszudrücken, ohne sie jemals zu kopieren. Es macht unglaublich Spaß, wenn man sich in einer Stimmung verlieren kann, die der von Lovecraft in nichts nachsteht, aber dennoch einen eigenen Stil in Bachmanns Worten erkennt.

„Steine“ ist eine nostalgische Reise in eine literarische Zeit, in der man noch verstand, sich gewählt auszudrücken und in der Action weitaus weniger wichtig war, als eine unglaublich intensive Stimmung zu beschrieben. Wie gesagt, Tobias Bachmann, ist aus meiner Sicht einer derjenigen, der es meisterhaft schafft, seinem literarischen Vorbild Tribut zu zollen, ohne den eigenen Schreibstil zu vernachlässigen. Bachmann ist keine Kopie Lovecrafts, sondern eine eigene Stimme, die sich dem Werk des Idols verschrieben hat.
Zu der fantastischen Geschichte kommt in diesem Falle noch hinzu, dass diese edle Schmuckausgabe auf verspielte Weise der Thematik annimmt und das Geschriebene visuell umsetzt und unterstreicht, dass man immer wieder darin blättern mag. Sei es das verbrannte, fehlende Blatt in den Tagebucheinträgen, oder die verschiedenen Schriftarten, die eingesetzt werden. „Steine“ wird dadurch zu einem literarischen und optisch ansprechenden Leseabenteuer, das einen für ein paar Stunden alles um einen herum vergessen lässt. Die von mir besprochene Sonderedition ist mittlerweile vergriffen, aber der Verlag plant eine „Normalausgabe“, die mit Sicherheit dennoch wunderschön ausfallen wird.
So, genau so, muss eine Hommage an Lovecraft sein: Atmosphärisch, innovativ in der Umsetzung und, trotz seines Minimalismus, episch.

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Fazit: Atmosphärischer Ausflug in die Welt von H.P. Lovecraft in einer tollen Edelausgabe.

©2022 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Das Ministerium für die Zukunft von Kim Stanley Robinson

Das Ministerium fuer die Zukunft von Kim Stanley Robinson

Erschienen als Taschenbuch
im Heyne Verlag
insgesamt 716 Seiten
Preis: 17,00 €
ISBN: 978-3-453-32170-0
Kategorie: Science Fiction, Belletristik

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In einer nicht allzu fernen Zukunft entwickelt sich der Klimawandel zu einer unabwendbaren Bedrohung für die Menschheit. Ein sogenanntes „Ministerium für die Zukunft“ wird ins Leben gerufen, um das Überleben der nachkommenden Generationen zu sichern. Mary Murphy ist Ministerin dieses Ministeriums und kämpft mit allen Mitteln dafür, dass die Erde sich wieder regeneriert. Oftmals stellt sich ihr die Frage, ob sie mit konventionellen Aktionen überhaupt etwas erreichen kann, denn Profit zählt für einen Großteil der Menschen mehr als eine sichere Zukunft.

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Barack Obama bezeichnet Robinsons neuen Roman als einen der wichtigsten Bücher des Jahres. Ich würde sogar noch weiter gehen und „Das Ministerium für die Zukunft“ als wichtigstes Buch des letzten Jahrzehnts bezeichnen, zumindest wenn es um das Thema Klimawandel und -schutz geht. Robinson sticht mit seinem Szenario und seinen Überlegungen nicht nur in ein politisches und weltumfassendes Wespennest, sondern beschäftigt sich auf eine eindringliche Art und Weise damit, dass man selbst über all diese Entwicklungen nachdenkt und einem bewusst wird, wie schwierig die Bewältigung dieser Bedrohung aus Sicht der Politik ist. Robinson beleuchtet ein Szenario aus vielerlei Blickwinkeln und zeigt, wie kompliziert es sein könnte (es derzeit ist und auch sein wird), den Klimawandel abzuwenden. „Das Ministerium für die Zukunft“ wirkte auf mich wie eine geniale Mischung aus Roman und Sachbuch, in dem auch viele Fakten auf „nüchterne“ Weise beschrieben und erklärt werden. Aber genau diese Mischung ist es letztendlich, die dieses Buch zu einem echten Abenteuer macht, das sich in die Gedanken der Leser schleicht und sich dort auch fest verankert.

Wie schon in „New York 2140“ behandelt Robinson eine Thematik, die uns alle angeht (die meisten leider aber nicht wirklich interessiert), nämlich den Klimawandel und die daraus resultierenden Folgen für die Menschheit. Während er in „New York 2140“ aber nur von den Ereignissen einer einzigen Stadt erzählt, widmet er sich im vorliegenden Roman um die globalen Entwicklungen und den verzweifelten Kampf einzelner Politiker, das Ruder noch herumzureißen. „Das Ministerium für die Zukunft“ ist eine Warnung, die jedoch niemals wirklich mit erhobenem Zeigefinger, geschweige denn einer Holzhammer-Methode, daherkommt, sondern sich schlichtweg um Fakten kümmert. Die Protagonisten werden zwar gut charakterisiert, wachsen einem aber dennoch nicht wirklich ans Herz, weil man vielmehr mit den erschreckenden Entwicklungen auf der Erde „leidet“. Man mag es am Ende gar nicht richtig glauben, dass man soeben 700 Seiten „verschlungen“ hat, ohne dass etwas wirklich Gravierendes oder Spektakuläres stattgefunden hat. Bis auf den beeindruckenden Einstieg mit der Hitzewelle in Indien, konfrontiert uns der Autor vielmehr mit dem verzweifelten Kampf gegen die vom Menschen selbst verursachte Bedrohung und spielt mit verschiedenen Lösungsmöglichkeiten, die allesamt durchaus realistisch erscheinen. Ich empfinde „Das Ministerium für die Zukunft“ ebenfalls als sehr wichtigen Roman, der aufzeigt, an welcher Stelle wir uns bereits seit Jahren befinden. Und dennoch unternehmen wir nichts dagegen …

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Fazit: Eindringliche Beschreibung des Klimawandels in außergewöhnlicher Romanform.

©2022 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Das Talent von John Grisham

Erschienen als gebundene Ausgabe
im Heyne Verlag
insgesamt 398 Seiten
Preis: 22,00 €
ISBN: 978-3-453-27375-7
Kategorie: Sport, Drama, Belletristik

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Samuel Sooleymon, geboren im Südsudan, begeistert sich schon als Kind für Basketball. Als er dann die Chance bekommt, nach USA zu reisen, um in einem Jugendteam zu spielen, wird ein Traum für ihn wahr. Doch während er sein Talent unter Beweis stellen kann, wird das Dorf, in dem seine Eltern leben, überfallen. Ein Albtraum beginnt, denn Samuel kann nicht zurück in den Südsudan …
Und während er in Amerika seinem Traum, Basketballstar zu werden, nachjagt, kämpft seine Familie in einem anderen Teil der Erde ums Überleben.

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Wo Grisham draufsteht, ist auch immer Grisham drin? Stimmt nicht ganz, denn der Autor schreibt neben seinen Justiz-Thrillern auch immer wieder Sportdramen, in denen es um Basketball geht. So auch im vorliegenden „Das Talent“, in dem die Leser die Entwicklung eines jungen Menschen miterlebt, der aus ärmlichen Verhältnissen zu einem gefragten, gutbezahlten Sportler aufsteigt. A Star is born!
Wer ungeduldig ist, könnte durchaus in Versuchung geraten, Grishams neuesten Roman nach den ersten 50 bis 60 Seiten abzubrechen, denn dort sind langatmige Spielbeschreibungen zu lesen und Grisham wirft mich vielen Fachbegriffen um sich, sodass man kurzzeitig meint, ein Sachbuch über die Techniken des Basketballs zu lesen. Aber durchhalten lohnt sich, denn noch vor Seite 100 kommt Samuels Familie ins Spiel, die noch immer im Südsudan lebt, während er den Luxus der modernen Welt genießt.

Diese Gegenüberstellung zwischen Starrummel und schrecklichem Überlebenskampf in einem Kriegsgebiet hat Grisham wirklich eindrucksvoll in Szene gesetzt, sodass man selbst zum Nachdenken kommt, wie gut man es eigentlich hat. Der Wechsel zwischen dem Erfolg von Samuel und dem Bangen um das eigene Leben seiner Familie zieht sich durch das ganze Buch. Es wird niemals langweilig, weil man immer wissen will, wie es auf der anderen Seite weitergeht.
Grishams Schreibstil ist, wie gewohnt, sehr flüssig zu lesen, sodass man das Buch nicht gerne aus der Hand legt. Immer wieder wird Grisham nachgesagt, seine „neuen“ Bücher hätten nicht die Qualität seiner ersten Werke. Diese Aussage kann ich absolut nicht nachvollziehen. Ich finde, dass es sich bei Grisham ähnlich wie bei Stephen King verhält: Die neueren Bücher besitzen mehr Tiefe in philosophischer Hinsicht und in Bezug auf ihr Aussagekraft. Da steckt manchmal mehr zwischen den Zeilen als in den alten Werken. Soll letztendlich heißen, dass mir auch die neueren Romane von Grisham sehr gefallen.

Einziger Kritikpunkt an „Das Talent“ wären für mich die oft eingesetzten Fachbegriffe in Bezug auf Basketball. Da gibt es tatsächlich Passagen, vornehmlich die, bei denen Spiele beschrieben werden, da verstand ich jedes zweite Wort nicht. Das war zwar nicht schlimm, denn ich konnte der Handlung deswegen dennoch folgen, aber es war teilweise sehr schwer zu lesen, weil man ja irgendwie doch wissen wollte, was diese Worte bedeuten. Nun gut, das ist für mich aber Jammern auf hohem Niveau und hat mir den Spaß am Buch definitiv nicht verleidet. Gesamt gesehen ist John Grisham auch hier wieder ein großartiger Roman gelungen, der allerdings die Spannung seiner Justizthriller nicht erreicht. Dafür beschäftigt er sich aber mit der menschlichen Seite unserer Gesellschaft und stellt zudem einen überaus interessanten Sportroman dar.

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Fazit: Berührendes, gut geschriebenes Sportlerdrama.

©2021 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Emerson, Lake & Palmer

Erschienen als gebundene Edelausgabe
im Hannibal-Verlag
insgesamt 266 Seiten
Preis: 45,00 €
ISBN: 978-3-85445-721-3
Kategorie: Biografie, Autobiografie, Musik

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In dieser hochwertigen Edelausgabe erzählen die drei Musiker von ihrem Leben, ihren Erfolgen und Misserfolgen, und erwecken eine vergangene Ära zu neuem Leben.

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Wer sich ein wenig mit Progressive Rock auseinandersetzt, kommt um die Band „Emerson, Lake & Palmer“ nicht herum. Immer wieder werden sie als Beispiel für dieses Musikgenre herangezogen, was bei ihrer Experimentierfreudigkeit auch definitiv nicht von der Hand zu weisen ist. In der vorliegenden „Autobiografie“ erzählen die drei Musiker von ihren Ursprüngen, den Erfolgen und dem Bruch ihrer Zusammenarbeit. Anhand von Interviewausschnitten wird hier eine faszinierende Story erzählt, die am Ende eine interessante Bandgeschichte ergibt, nach der man ELP (kurz für Emerson, Lake & Palmer) mit anderen Augen sieht und ihre Alben mit „anderen Ohren“ genießt. Es ist sehr interessant, wie die drei Künstler über ihre Anfänge und die Entstehung ihrer außergewöhnlichen und unvergleichlichen Karriere berichten. In chronologischer Reihenfolge reden Keith Emerson, Greg Lake und Carl Palmer über ihre Inspirationen, sodass man bei erneutem Hören der Alben plötzlich einen ganz anderen Bezug dazu hat und die Musik tatsächlich besser versteht.

Dieses wunderschön gestaltete Buch bringt uns die Künstler und deren Musik sehr nahe. Durch die Interviews „hört“ man ihre Stimme, als sähe man eine Dokumentation im Fernsehen, hervorragend ergänzt durch die fantastischen Bilder auf Hochglanzpapier. „Emerson, Lake & Palmer“ ist eine Reise in eine Ära, in der Musik noch echte Musik war und in der Künstler zum einen zeigten, was in ihnen steckte und zum anderen mit neuen Instrumenten und innovativen Ideen herumexperimentierten. Gerade die Verschmelzung von klassischer Musik, Rock, Balladen, Jazz und anderen Musikstilen wurde von „ELP“ geradezu perfektioniert und man muss sich eigentlich über ihren Erfolg wundern, denn keines ihrer Alben entspricht genaugenommen dem Mainstream. Während des Lesens in diesem Buch fühlte ich mich so manches Mal in alte Zeiten zurückversetzt, in denen ich ELP-Alben auf meinem Bett liegend und mit Kopfhörer angehört und gestaunt habe. Dieses Buch bringt diese Erinnerungen wieder zurück.

Es ist unglaublich interessant, wie die drei miteinander „funktionierten“. Es war nicht die private Freundschaft, die sie verband, sondern einzig und allein die Musik. Auch wenn sie auf gewisse Art und Weise Freunde waren (das aber nicht immer), so standen die Kompositionen und innovativen Ideen im Vordergrund. Der Leser begleitet im Buch die Anfänge der Band, ihre Entwicklung zu einer der auf der Bühne gigantischsten Rockband der 1970er-Jahre bis hin zum Zerfall. Man spürt ihre Genialität zwischen den Zeilen, wünscht sich das ein oder andere Mal, sie würden noch einmal Meisterwerke wie ihr Debütalbum, „Pictures At An Exhibition“ oder „Brain Salad Surgery“ aufnehmen. Das im Hannibal-Verlag erschienene Buch hinterlässt, nachdem man es beendet hat, ein Gefühl, dass man gerade das „Leben“ einer Legende gelesen hat. Für Fans von ELP ein Muss, für alle anderen, die sich bislang noch nicht an das Werk dieser Band gewagt haben, ein idealer Einstieg, um die Komplexität ihrer Musik zu begreifen.

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Fazit: Interessante Bandgeschichte in einer tollen Edelausgabe. Ein Muss für Fans.

©2021 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Fräulein Wolf und die Ehrenmänner von Gabriella Wollenhaupt & Friedemann Grenz

Erschienen als Taschenbuch
im Grafit Verlag
insgesamt 288 Seiten
Preis: 13,00
ISBN 978-3-89425-781-1
Kategorie: Historischer Kriminalroman
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Sicherheitshalber sei vor eventuellen „Spoilern“ gewarnt

Im Jahre 1930 kommt Leonore „Leo“ Wolf aus Wien nach Berlin, um dort als Reporterin für den Sozialdemokratischen Pressedienst zu schreiben. Relativ kurz nach Arbeitsantritt wird im Wedding ein Uhrmacher ermordet. Doch der war kein unschuldiger alter Mann, sondern einer, der mit Mädchen Geld verdient hat. Er hat junge Mädchen aus seinem Viertel, dem Wedding, nackt und teils in eindeutigen Posen fotografiert und diese Fotografien verkauft. Er hat auch gerne mal das ein oder andere Mädel vermittelt, wo sie den Herren gefällig sein mussten. Angeklagt des Mordes werden die 16-jährige Luise „Lieschen“ Neumann, ihr Verlobter und ein weiterer Freund.

Leo übernimmt die Berichterstattung zum Prozess und recherchiert fleißig im Umfeld der Angeklagten und des Opfers. Dabei erfährt sie, dass auch Nazis zum Kundenstamm des Uhrmachers gehörten und durch ihre Artikel macht sie sich diese zu Feinden. Zumal Leo auch noch Jüdin ist, was den braunen Herren übel aufstößt. Doch Leo lässt sich nicht ängstigen und macht ihre Arbeit mit viel Mut und Einsatz weiter …

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Ich bin ein großer Fan von Gabriella Wollenhaupt und war nach dem Ende der absolut umwerfenden Grappa-Reihe natürlich sehr froh, dass es doch wieder etwas Neues von ihr gibt. Diesen historischen Krimi hat sie wieder gemeinsam mit Ihrem Ehemann. Dr. Friedemann Kleist, ach nein, Dr. Friedemann Grenz ☺, geschrieben. Das haben sie ja schon einmal erfolgreich getan.

Ich wurde entführt ins Berlin im Jahre 1931, was wirklich toll und auch interessant war. Ich erlebte die Stadt der damaligen Zei.t Das Lebensgefühl und der Flair kamen sehr gut rüber. Für mich persönlich war es insoweit besonders, da ich vor kurzem erst die gesamte Serie „Ein Mann will nach oben“ gesehen habe, die auch in Berlin und zur damaligen Zeit spielt. Und wenn die Mädels aus dem Wedding ihr Berlinerisch gesprochen haben, hatte ick immer die „Rieke“ im Ohr.

Aber auch die schwierigen Umstände der damaligen Zeit, die Probleme, die die jüdischen Mitbürger seinerzeit schon mit und wegen der Nazis hatten, war sehr gut beschrieben. Da wurde z.B. der Polizeivizepräsident als „Isidor“ beschimpft und von Untergebenen beleidigt. Ich mag Bücher, die mich anregen, in der Geschichte nachzuschnüffeln und das hat auch dieser Roman geschafft.

Die Haupthandlung an sich beruht ja schon auf einer wahren Geschichte. Den Prozess um Lieschen Neumann gab es wirklich und unheimlich viele Charaktere im Roman sind reale Personen. Hierzu gibt es ein ausführliches Register im Anhang. Natürlich habe ich mir dann die Bilder dieser Menschen und auch alten Gebäude angesehen und noch einiges dazugelernt. Gut, die Seite von Berlin sagt, dass Dr. Bernhard Weiß, Leos Onkel, in London verstarb, währen die Autoren schreiben, er sei kurz vor seinem Tod nach Deutschland zurückgekehrt. Aber ich finde, dass der Roman sehr gut und gründlich recherchiert ist, wobei ich kein Historiker oder Geschichtsfachmann bin.

Der Schreibstil ist für mich schon sehr typisch „Wollenhaupt“, was mir unheimlich Freude gemacht hat. Allein die Überschriften der Kapitel, die in flotten Stichworten immer den Inhalt des Kapitels umschreiben, sind Grappa-Stil und einfach toll. Dann geht es weiter mit den Artikeln, die die Protagonistin Leo verfasst und publiziert. Auch diese „Schreibe“ ist schon sehr Grappa-ähnlich, auch wenn die Zeit und natürlich die Sprache eine andere sind. Der Kern ist unbedingt erkennbar. Dann die Hauptfigur: Leo ist jung, hat einen dunklen Bob-Haarschnitt, ist eher zart. Aber auch sie ist, wie Grappa, sehr gebildet, schlagfertig, mutig, wortgewandt, humorvoll, und wissbegierig. Sie ist liebevoll, romantisch, dennoch tough und auch stur. Sie isst, wenn sie Hunger hat, worauf sie Lust hat und achtet nicht bei jedem Bissen auf ihre Figur.

Also, Parallelen sind definitiv da und ich wüsste schon gerne, welchen Teil Friedemann Grenz geschrieben hat. Vielleicht den politischen oder geschichtlichen?

Wie dem auch sei. Ich hatte ein großartiges Lesevergnügen und eine wunderbare Zeit zusammen mit Leo Wolf in Berlin und ich würde mich riesig freuen, wenn es weiteres über und mit ihr zu lesen gibt. Zumal auch Leo ihren „Friedemann“ gefunden hat, eine weitere kleine Parallele ….

© Marion Brunner_Buchwelten 2021

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