Der mexikanische Fluch von Silvia Moreno-Garcia

Der mexikanische Fluch von Silvia Moreno-Garcia

Erschienen als gebundene Ausgabe
im Limes Verlag
insgesamt 412 Seiten
Preis: 22,00 €
ISBN: 978-3-8090-2747-8
Kategorie: Mystery, Drama, Belletristik

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Die junge Noemí erhält einen Brief von ihrer Cousine, die in einem abgelegenen Herrenhaus in den mexikanischen Bergen lebt und behauptet, dass ihr Mann sie vergiften will.
Noemí begibt sich auf die Reise in die Einöde und entdeckt, dass ihre Cousine nicht nur untertrieben hat, sondern dass das Haus und die Familie, in die eingeheiratet hat, ein düsteres Geheimnis umgibt.

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Nachdem man Silvia Moreno-Garcias Roman zu Ende gelesen hat, muss man unweigerlich zugeben, dass man gerade ein unheimlich atmosphärisches und meisterhaft geschriebenen Werk gelesen hat, an das man sich noch lange erinnern wird. Die ersten beiden Drittel wirken wie ein Roman aus der Feder von Shirley Jackson, die mit „Spuk in Hill House“ oder „Wir haben schon immer im Schloss gelebt“ eine ähnliche Stimmung erschaffen hat, wie Moreno-Garcias mit der vorliegenden Geschichte. Die Leser werden eingelullt in eine mystische, rätselhafte Handlung, die sehr ruhig und unspektakulär erzählt wird. Die Autorin beschreibt sowohl die Charaktere als auch die Umgebung und die Ereignisse sehr bildhaft, sodass man teilweise filmreife Bilder im Kopfkino erhält, die die bedrückende und teils bedrohliche Atmosphäre noch unterstreichen. Das Herrenhaus wirkt wie aus alten Schwarzweißfilmen und man ist hautnah bei den Geschehnissen dabei. Auf den ein oder anderen mag die Familiengeschichte und die darum verwobenen Rätsel etwas langatmig wirken, aber diesen Lesern sei nur gesagt: Durchhalten bis zum zweiten Drittel, denn dann nimmt die Geschichte zum einen eine unerwartete Wendung und wird zu anderen zu einem absoluten Pageturner, den man nicht mehr aus der Hand legen will.

Der Aufbau erfolgt, im Nachhinein betrachtet, sehr geschickt, weil sich die Bedrohung und das Familiengeheimnis erst allmählich herauskristallisiert und die Leser diesbezüglich ähnlich wie die Protagonistin lange Zeit im Dunkeln tappen. Das lange Finale könnte dann spannender und actionreicher nicht sein. Insgesamt erinnert die Handlung und die Atmosphäre „Der mexikanische Fluch“ an Filme wie die bereits erwähnte Litertaturverfilmung „Spuk in Hill House“ oder Guillermo del Toros „Crimson Peak“, also mit einem durchgehenden Hauch von gotischem Grusel. „Der mexikanische Fluch“ wirkt wie ein literarischer alter Schwarzweißfilm, eine Reinkarnation des alten Schauerromans, wie man sie etwa von Mary Shelley kennt. Moreno-Garcia schreibt in ähnlicher Weise, aber eben ein Stück moderner, was den Roman für heutige Lesegewohnheiten eindeutig leichter lesen lässt wie alte Klassiker. Und dennoch fühlt sich die vorliegende Geschichte tatsächlich wie ein wiederauferstandener Klassiker in neuem Gewand an: unheimlich, dekadent, erotisch und mysteriös. Hat man sich erst einmal an die relativ ruhige, unspektakuläre und niveauvolle Erzählweise gewöhnt, möchte man das Herrenhaus mit ihren unheimlichen, zwielichtigen Bewohnern gar nicht mehr verlassen.
Aus solchen Geschichten werden Filme gemacht.

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Fazit: Enorm atmosphärisches Haunted-House-Drama mit einer durchdachten Handlung.

©2022 Wolfgang Brunner für Buchwelten

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Die Heimkehr von John Grisham

Erschienen als gebundene Ausgabe
im Heyne Verlag
insgesamt 382 Seiten
Preis: 22,00 €
ISBN: 978-3-453-27412-9
Kategorie: Belletristik, Thriller

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Drei Kurzromane von John Grisham. „Die Heimkehr“ erzählt von einem Mann, der Geld veruntreut hat, ins Ausland abgehauen ist und nun wieder zurückkehren möchte. „In „Erdbeermond“ möchte ein zum Tode Verurteilter, dass sich sein letzter Wunsch erfüllt, und in „Sparringspartner“ intrigiert eine Mitarbeiterin gegen ihre beiden Chefs, die verfeindete Brüder sind.

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Mit diesem Band beweist John Grisham, dass er auch die Sparte des Kurzromans virtuos beherrscht. Seine Geschichten bringen es auch auf nur wenigen Seiten auf den unkt, ohne dass man dabei etwas vermissen würde. Sicherlich fällt es auf, dass manche Charaktere nicht so tief beschrieben werden, wie in seinen Romanen, aber das macht eigentlich gar nichts aus, denn man fliegt auch hier nur so über die Seiten und hat ungemeinen Spaß an den Stories. Grishams gewohnt leicht lesbarer Schreibstil macht die drei Geschichten zu einem extrem kurzweiligen Leseerlebnis. Manchmal stelle ich mir tatsächlich die Frage, wie Grisham es schafft, die Leser mit seinen Geschichten derart zu faszinieren, obwohl er im Grunde genommen eigentlich immer das Gleiche erzählt. Doch diese Stories sind einfach so clever konstruiert und auf eine höchst unterhaltsame und ansprechende Art und Weise zu Papier gebracht, dass man jedes Mal aufs Neue in ihren Bann gerät. Grisham erschafft einen unwiderstehlichen Sog, wie er auch hier wieder eindrucksvoll unter Beweis stellt.

In „Die Heimkehr“ begegnet der aufmerksame Grisham-Leser einer Figur, die er bereits aus den Romanen „Die Jury“ und „Der Polizist“ kennt: Jake Brigance. Die Geschichte ist im Prinzip eigentlich ganz einfach, und dennoch lässt sie einen während des Lesens den Alltag vergessen. Vielleicht liegt es daran, dass Grisham in seinen Geschichten immer sehr viel Menschlichkeit einbaut, die uns sofort anspricht. In diesem Kurzroman ist es die Beziehung zwischen dem Mann, der wieder in sein altes Leben zurückkehren will, und seiner Tochter, die er eine Zeit lang nicht gesehen hat. Es ist schön zu lesen, wie sich die beiden wieder näherkommen und versuchen, genau da wieder anzuknüpfen, wo einst ihre Beziehung endete. Auch das kann Grisham enorm gut und vor allem glaubhaft rüberbringen.
„Erdbeermond“ ist dann die Story, die mir eigentlich am besten gefallen hat. Die letzten Stunden eines zum Tode Verurteilten ging mir wahrscheinlich deswegen so nahe, weil sie nicht reißerisch, sondern fast schon philosophisch und melancholisch verfasst ist. Ich fühlte mit dem Protagonisten, als würde er neben mir stehen und zu mir sprechen. Das ging mir sehr nahe und hat mich nachhaltig beeindruckt.
„Sparringspartner“ ist dann wieder ein typischer Grisham-Plot mit Intrigen, verwinkelten Anwalts-Schachzügen und einer gelungenen Wendung, die ich so nicht erwartet habe. Auch hier konnte ich, wie bei allen Geschichten in diesem Buch, schlecht das Lesen aufhören.
Insgesamt bewegt sich John Grisham mit „Die Heimkehr“ auf einem ähnlichen Niveau wie all seine Romane und konnte mich mit jedem Kurzroman, jeder Kurzgeschichte vollends überzeugen. So ist es nicht verwunderlich, dass ich bereits jetzt schon wieder sehnsüchtig auf ein neues Werk von ihm warte.
Absolute Leseempfehlung!

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Fazit: Perfekt geschriebene Kurzromane in flüssigem Schreibstil, wie man es von John Grisham gewohnt ist.

©2022 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Mary von Anne Eekhout

Erschienen als gebundene Ausgabe
bei btb
insgesamt 416 Seiten
Preis: 22,00 €
ISBN: 978-3-442-75987-3
Kategorie: Drama, Belletristik

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Ein in Romanform erzählter Lebensabschnitt der bekannten Autorin Mary W. Shelley.

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Nicht nur „Frankenstein“, sondern auch die anderen Geschichten und Romane von Mary W. Shelley sind beeindruckende Werke der Weltliteratur. Die Geschichte von Shelley, einer starken Persönlichkeit, hat mich schon immer interessiert, und so war ich natürlich extrem neugierig, was Anne Eekhout zu erzählen hat. Ihr biografischer, historischer Roman mit fiktiven Einschübe hat meine Erwartungen um einiges übertroffen. Dieses Buch entwickelt bereits nach den ersten Seiten einen unglaublichen Sog, dem man sich nur schwer beziehungsweise gar nicht entziehen kann. Eekhouts Schreibstil ist gehoben, außerordentlich poetisch und sehr bildhaft. Die Geschichte um Mary, die sich hauptsächlich dem Jahr 1812 widmet, wo Mary bei einer Gastfamilie lebt, ist so faszinierend, dass ich gut und gerne weitere 400 Seiten hätte lesen respektive verschlingen können. Dieser Zeitabschnitt wird noch vermischt mit jener legendären Nacht in Genf, die Shelley mit ihrem Mann, ihrer Stiefschwester und Lord Byron verbracht hat und in der ihr die Idee zu „Frankenstein“ kam.

„Mary“ ist ein Ausflug in einen kleinen Lebensabschnitt dieser interessanten Schriftstellerin, der sich nicht nur mit der Fantasie dieser jungen Frau beschäftigt, sondern auch einen Einblick in die Gepflogenheiten jener Zeit gibt und die teils wirre Gefühlswelt von Shelley beleuchtet, die zu dieser Zeit ja noch ein junges Mädchen war.
Manchmal erinnerte mich Eekhouts Schreibstil sogar an die Ausdrucksweise von Shelley, so gewählt und wunderschön zu lesen. Eekhout zeigt in ihrer Geschichte auch Mut, in dem sie sexueller Begebenheiten schildert, die einerseits zeigen, wie unreif beziehungsweise unsicher Shelley sich in ihren jungen Jahren verhielt, und andererseits belegen, wie künstlerisch und literarisch begabt sie schon war.
„Mary“ ist ein unglaublich atmosphärische Abenteuer über eine ganz große Schriftstellerin, das einfühlsam und emotional geschrieben wurde. Anne Eekhout hat es von Anfang bis Ende geschafft, mich mit ihrem Roman in den Bann zu ziehen.

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Fazit: Wunderschön und stimmungsvoll geschrieben. Muss man gelesen haben.

Monument 14 von Emmy Laybourne

Erschienen als Taschenbuch
im Heyne Verlag
insgesamt 888 Seiten
Preis: 18,00 €
ISBN: 978-3-453-32192-2
Kategorie: All Age, Abenteuer, Science Fiction

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Während eines Tsunamis geraten zwei Schulbusse außer Kontrolle und rasen in ein Einkaufszentrum. Durch die Naturkatastrophe entweicht aus einer nahegelegenen Chemiefabrik eine giftige Substanz, die verheerende Auswirkungen auf die Überlebenden hat. Die Schüler verschanzen sich im Einkaufszentrum und schon bald beginnt für sie ein erbitterter Kampf ums Überleben.

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Eines muss man sich vor Augen halten, wenn man diese Saga liest: Es handelt sich um ein Jugendbuch, im besten Fall um sogenannte All-Age-Romane. Nicht dass diese Tatsache bedeutet, dass die Geschichte schlecht wäre, aber in diesem Fall wirkt es wirklich wie ein Jugendbuch (ähnlich wie im Fall „Maze Runner“). Anders als beispielsweise „The Hunger Games“ wird in „Monument 14“ eine einfache Geschichte in einem einfachen Schreibstil erzählt, die schlichtweg „nur“ unterhält und ansonsten keinerlei literarische Qualitäten wie gehobene Ausdrucksweise, beeindruckender Satzbau etc. vorweisen kann. Aber ich denke, wer sich auf diese Bücher einlässt, weiß, was ihn erwartet, und kann sich entsprechend darauf einlassen.

Autorin Emmy Laybourne hält sich eindeutig an die Konventionen eines dystopischen Jugendromans und erfindet deshalb das Rad nicht unbedingt neu. Die Ausgangssituation hat durchaus ihren Reiz und hätte sich zu einem „Zombie im Kaufhaus“ für Jugendliche entwickeln können, was aber dann letztendlich nicht der Fall war. Layburne verlagert ihre Geschichte nach außerhalb, erzählt Dinge, die jeder von uns (wahrscheinlich sogar auch schon Kinder und Jugendliche er Zielgruppe) in Dutzenden von Filmen (und auch Büchern) gesehen und gelesen haben. Das heißt nicht, dass die Handlung uninteressant oder gar langweilig wird, aber ich persönlich hätte mir etwas Größeres, Epischeres erwartet. Die Charaktere entwickeln sich zwar, handeln aber oftmals ein wenig unglaubwürdig und „zu erwachsen“, was mich tatsächlich hin und wieder auch gestört hat. Ähnlich wie bei „Maze Runner“ könnte ich mir allerdings auch in diesem Fall durchaus vorstellen, dass das Ganze hervorragend als Film funktionieren würde.

Positiv ist, dass die Kinder viele verschiedene Persönlichkeiten besitzen und daher eine schöne Dynamik innerhalb der Gruppe zustande kommt. Wie gesagt, die Idee der Ausgangssituation ist wirklich gut, aber Laybourne hat an einigen Stellen Schwierigkeiten, diese logisch und vor allem auf spannende Art und Weise umzusetzen, da wäre tatsächlich noch mehr Potential vorhanden gewesen. Aber genug der Jammerei, „Monument 14“ stellt dennoch einen großartigen Beitrag in der Jugendliteratur der Sparte „Dystopie“ dar und ich bin sicher, dass die Zielgruppe große Freude daran hat, diese Helden auf ihrer unglaublichen und gefährlichen Reise zu begleiten. Ich hatte jedenfalls auch als Erwachsener großen Spaß mit dieser Saga, wenngleich ich einige Kritikpunkte fand. Unbedingt erwähnenswert ist, dass dieser Sammelband nicht nur die drei Teile der Saga enthält, sondern auch die Kurzgeschichte „Jakes Geheimnis“ beinhaltet, die zwischen Band 1 und 2 angesiedelt ist. Gerade diese kurze Episode hat mir ausnahmslos sehr gut gefallen und die gesamte Handlung auf eine ganz gewisse Art und Weise bereichert. „Lesefaule Kinder“ werden mit dieser Trilogie auf jeden Fall ihre helle Freude haben.

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Fazit: Kurzweilige und spannende Dystopie mit einigen Schwachstellen.

©2022 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Zwischen Zwölf und Mitternacht von Alfons Winkelmann

Erschienen als Taschenbuch
in der Edition Bärenklau Exklusiv
insgesamt 316 Seiten
Preis: 12,99 €
ISBN: 978-3-7549-5973-2
Kategorie: Belletristik, Fantasy, Drama

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Ein namenloser Reporter und sein Kameramann Willi Be berichten über das Liebespaar Peter Piechowiak und Christine Bellinger. Deren Chef Siegfried Börries, dessen Frau Elène unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen ist, hat ebenfalls an ihr Interesse. Und dann gibt es da noch einen geheimnisvollen grauen Mann und ein Mädchen, das immer wieder die Wege der Beteiligten kreuzt. Und eine sexbesessene Baronesse namens Angélique von Lichtblau, die hinter Herrn Börries her ist, spielt auch eine Rolle in dieser undurchsichtigen Geschichte voller Geheimnisse und Mysterien.

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Da ist er nun: Der neue Roman von Ausnahmeautor Alfons Winkelmann. Und, wie nicht anders von mir erwartet, liefert Winkelmann wieder ein Buch ab, von dem ich im ersten Moment sagen möchte, es sei sein bestes. Aber das ist es nicht, denn jedes Werk von ihm ist sein bestes. „Zwischen Zwölf und Mitternacht“ ist verspielte Literatur auf hohem Niveau. Man wird unterhalten, gleichzeitig aber auch gezwungen, über das Gelesene nachzudenken, zu sinnieren, sich darin zu verlieren. Der Roman wirkt wie wie ein Film von David Lynch: mystisch, undurchsichtig, aber doch auch irgendwie greifbar. Und dass einer der Protagonisten, nämlich der Kameramann Willi Be eine Anspielung auf den grandiosen William S. Burroughs ist, kommt nicht von ungefähr. Nicht nur David Lynch, auch er hat seine Hände mit im Spiel, wenn man Winkelmanns Mystery-Geschichte liest.

Es macht einfach unglaublich Spaß, sich auf diese literarische Welt einzulassen, die der Autor hier erschafft. Wie schon bei seinen anderen Büchern „Die Insel der Wahrheit“ oder „Die Töchter der Großen Mutter“ fällt es schwer, den Roman aus der Hand zu legen. Winkelmanns Romane besitzen einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann, natürlich immer vorausgesetzt, man hat die Fähigkeit, sich auf solch eine außergewöhnliche Geschichten und einen ausgefeilten Schreibstil einzulassen. Der Autor beherrscht die deutsche Sprache, spielt mit ihr, experimentiert und fordert den Leser heraus. Doch nicht nur literarisch, sondern auch buchsatztechnisch entwickelt er innovative Ideen, die im Gedächtnis haften bleiben und, trotz aller Spielereien, absolut Sinn ergeben. Alfons Winkelmann bewegt sich mit „Zwischen Zwölf und Mitternacht“ auf den Pfaden eines Mark Z. Danielewski, um nur ein Beispiel zu nennen. Literatur als herausforderndes Abenteuer – ich liebe solche Projekte.

Und dann ist da auch noch die Liebesgeschichte, die sich unaufdringlich (und dennoch unglaublich schön und authentisch) durch das ganze Buch zieht, und dem Roman och einen zusätzlichen Reiz verleiht. Ohne jeglichen Kitsch lässt Winkelmann den Leser die Macht der Liebe spüren und setzt gerade mit dem letzten Kapitel noch einen Höhepunkt, sozusagen das I-Tüpfelchen, auf die Gesamtgeschichte. Wie bereits geschrieben, da passt einfach alles.

Alfons Winkelmann zählt eindeutig zu jenen Autoren, von denen ich jedes Buch blind kaufen würde, weil ich genau weiß, welch ein außergewöhnliches, literarisches Abenteuer mich erwartet. „Zwischen Zwölf und Mitternacht“ ist typisch Winkelmann, ohne jedoch einem seiner anderen Bücher zu gleichen. Auch dies ist ein Punkt, der mich an diesem Autor immer wieder fasziniert: Er bleibt nicht auf der Stelle stehen, entwickelt neue, innovative Ideen, wobei er dennoch seiner Linie in Bezug auf Mystik und Komplexität treu bleibt. Es gibt nicht viele Schriftsteller, die „Unbeschreibbares“ zum Leben erwecken können: Alfons Winkelmann ist definitiv einer davon.
„Zwischen Zwölf und Mitternacht“ sollte man gelesen haben, allein schon aus dem Grund, um zu sehen, was man mit Sprache ausdrücken kann. Es ist ein Buch zum Träumen, zum Nachdenken, zum Genießen und zum Staunen. Absolute Leseempfehlung von mir.

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Fazit: Als hätte David Lynch einen Roman geschrieben, um ihn anschließend zu verfilmen. Absolute Empfehlung.

©2022 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Die Ceres-Mission von A.G. Riddle

Erschienen als Taschenbuch
bei Heyne
insgesamt 572 Seiten
Preis: 10,99 €
ISBN: 978-3-453-42422-7
Kategorie: Action, Science Fiction

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Die Erdoberfläche wird immer kälter. Eine Mission wird in den Weltraum geschickt, um die Ursache zu ergründen. Dabei stoßen sie auf ein Phänomen, das das Überleben der Menschheit gefährdet. Ein unglaubliches Abenteuer beginnt, um die Bewohner der ganzen Erde zu retten.

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Im Grunde genommen weiß man ja, was man bekommt, wenn A.G. Riddle draufsteht. Und genau so verhält es sich dann auch bei „Die Ceres-Mission“: Action. Spannung. Atmosphäre. Wie gewohnt, liefert der Autor einen Pageturner ab, von dem man sich nicht mehr lösen kann, sobald man einmal begonnen hat. Die Geschichte führt ins Weltall, spielt aber auch auf der Erde. Und Riddle beschreibt die Ereignisse wieder so spannend, dass man die Zeit vergisst und einen Film vor sich sieht, der einen absolut in den Bann zieht. Der Schreibstil ist angenehm und flüssig zu lesen, es macht einfach ungemein Spaß, dieses Buch zu lesen. Sicherlich fallen einem an der ein oder anderen Stelle ein paar Ungereimtheiten auf, aber was soll’s, man wird erstklassig unterhalten und nichts anderes wollte der Autor mit seinem Roman erreichen. „Die Ceres-Mission“ ist literarisches Popcorn-Kino erster Güte. Und auch wenn die Charaktere nicht so tiefgründig sind wie in einem hochliterarischen Werk, so fühlt und leidet man mit ihnen.

Was mir besonders gutgefallen hat, waren die Ortswechsel. Im Weltraum beginnend, verschiebt sich das Geschehen kurzzeitig auf die Erdoberfläche, bevor es dann wieder im All zum Finale weitergeht. Ich höre schon jetzt die Stimmen, die gegen eine bestimmte Wendung „wettern“, aber wenn man sich darauf einlassen kann (und das sollte man unbedingt tun), so wird man mit einem wirklich stimmungsvollen und spannenden Überlebenskampf belohnt. Ich fühlte mich an vielen Stellen an die alten Science-Fiction-Filme der 1950er-, 1960er- und 1970er-Jahre erinnert, in denen es um das Überleben der Menschheit ging. Das Titelbild könnte ein wenig in die Irre führen, denn man erwartet eine ähnliche Geschichte wie Roland Emmerichs „The Day After Tomorrow“, bekommt aber eher eine Art „Armageddon“ serviert.

Sehr ärgerlich ist, dass in keiner Weise darauf hingewiesen wird, dass es sich hier um den ersten Teil einer Trilogie handelt. Sicherlich und glücklicherweise liest sich der Schluss wie ein richtiges Finale und man denkt, die Geschichte wäre zu Ende. Ein kleiner Hinweis wäre dennoch angebracht gewesen, denn ich wäre dadurch mit Sicherheit ganz anders an die Story herangegangen. So bleibt nur zu hoffen, dass die beiden Folgebände auch noch in Deutschland erscheinen.
Abschließend bleibt zu sagen, dass A.G. Riddle ein Garant für spannende Geschichten ist und seine Plots so schreibt, als wären bereits die Filmrechte verkauft. Ich freue mich immer wieder auf ein neues Buch dieses Autors und würde es in diesem Fall natürlich besonders begrüßen, wenn uns der Verlag nicht mit einer unfertigen Trilogie sitzen lässt.
Auf jeden Fall bekommt „Die Ceres-Mission“ von mir die volle Punktzahl.

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Fazit: Spannender und filmreifer Einstieg in eine Trilogie, die vom Überleben der Menschheit handelt.

©2021 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Freddie Mercury – Ein Leben in eigenen Worten

Erschienen als gebundene Ausgabe
im Hannibal-Verlag
insgesamt 200 Seiten
Preis: 24,90 €
ISBN: 978-3-85445-280-5
Kategorie: Biografie, Musik

Freddie Mercury war eine schillernde Figur, ein Musiker, ein Leadsänger und er war berühmt. Aus diesem Grund wurden Unmengen an Interviews mit ihm geführt und aufgezeichnet. Seine Sprüche und Äußerungen wurden gesammelt, wie auch die musikalischen Werke der Band Queen. Und so entstand dieses Buch: Recherchiert aus unzähligen Quellen haben die beiden Autoren Simon Lupton und Greg Brooks dieses Buch erschaffen, dass sein Leben in seinen eigenen Worten erzählt …

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Gewidmet haben die beiden Herausgeber dieses schöne Werk keinem geringeren als Freddie Mercury. Und nach einer Anmerkung zur deutschen Übersetzung folgt dann ein kleines Vorwort von Jer Bulsara (Freddies Mum).

Die beiden Herausgeber haben zusätzlich eine schöne, ausführliche Einleitung verfasst, die beschreibt, wie sie dieses Buch erschaffen haben und dass solch ein Projekt wohl mit Freddie zu Lebzeiten um ein hundertfaches schwieriger gewesen wäre. Freddie hätte womöglich nicht soviel Geduld und Ruhe aufgebracht, sich lang und ausgiebig damit zu beschäftigen.

Der Hannibal Verlag präsentiert ein sehr schönes Buch. Die Gestaltung kann man ohne weiteres als liebevoll bezeichnen: Das Format ist bereits, entgegen aller Norm; quadratisch und der schlichte weiße Einband mit dem farbenfrohem Freddie-Print in seiner berühmter Pose wirkt sehr schön und edel. Für Freunde von Büchern ohne Einband sei erwähnt, dass das Buch unter dem Schutzumschlag identisch aussieht. Jedes Kapitel beginnt mit dem gleichen Bild und einem kleinen Zitat. Der Inhalt ist gut aufgebaut und sehr übersichtlich gestaltet. Die Inhaltsangabe gibt eine gute Struktur und hilft, wenn man noch einmal etwas nachlesen oder nachschlagen möchte.

Was mir sehr gut gefallen hat, war, dass es sich durch die Art der Texte anfühlte, als höre man Freddie reden. Sicher, man liest in deutsch, aber wenn man, wie ich, sich öfter alte Interviews o.ä. auf Instagram ansieht, hat man seine Stimme dennoch dabei im Ohr und sieht ebenso oftmals sein schalkhaftes Lächeln ;-).

Freddie erzählt viel über die Art, wie er an die Musik heranging, wie die Songs entstanden und wie die Zusammenarbeit bei Queen ablief. Man erfährt viele Hintergrundinformationen zur Band, ihrer Diskografie und den Videos. Er selbst sah sich z.B. NIE als Chef der Band, sondern nur als Leadsänger. Er erzählt auch über die Zusammenarbeit mit Montserrat Caballé (die er sehr respektierte und die ihm eine enge Freundin wurde) und seinen Auftritt beim Royal Ballett.

Er erzählt von Vertrauen, wahrer Freundschaft und Liebe und seiner Liebe zur Musik. Wir lesen über Glitzerklamotten der 70er, dass er im Alter von 40 Jahren nicht mehr in Balletthosen auf der Bühne rumspringt und so lange Musik macht, wie die Leute sie hören wollen.
Manchmal springen die Kapitel etwas in der Zeit, sind also nicht ganz chronologisch: Beispielsweise erzählt Freddie über sein Soloalbum 1985 (er war übrigens der Dritte der Band, der das tat, Brian und Roger waren da früher dran) und dann gibt es plötzlich einen Sprung zurück zum Royal Ballett 1979. Aber man findet sich dennoch immer gut zurecht. Natürlich wiederholen sich innerhalb der Kapitel oft einige Stellen, denn die Worte wurden ja aus diversen Interviews zusammengestellt und letztendlich antwortete Freddie oft das Gleiche, lediglich leicht abgewandelt.

Wer auf krasse Einblicke in seine wilden Party-, Sex- und auch Drogen-/Alkoholexzesse hofft, den muss ich enttäuschen: Darüber hat Freddie in der Öffentlichkeit nicht gesprochen. Er redet weder über seine krassen Zeiten in den New Yorker Clubs, noch über die längere Zeitspanne in München. München wird erwähnt, aber die privaten Sachen hat er aus der Öffentlichkeit herausgehalten. Ich finde das gut, denn diese Dinge kann man ausführlich in diversen Biografien nachlesen. Dafür habe ich hier viele Dinge erfahren, die mir wiederum neu und sehr interessant für mich waren. Ebenso gibt es eine ganze Menge an schönen Hochglanzfotos, die aus den verschiedensten Epochen zusammengestellt sind.

Erst einen Tag vor seinem Tod sagte er der Öffentlichkeit, dass er an AIDS erkrankt ist. Einen Tag! Er selbst und seine engsten Freunde wussten es da bereits einige Jahre. Die offizielle Erklärung, die er abgab, ist hier nicht abgedruckt, aber die kann man googeln. Im Hinblick auf Freddies Art war sie auch eher kurz.

Mir hat die Lektüre großen Spaß gemacht. Ich mag Queen und Freddie sehr und für mich als Fan ist das Buch ein wundervolles Geschenk. Am Ende hinterlässt das Buch einen Kloss im Hals und macht ein wenig traurig. Wenn man dann wiederum Freddies Worte liest „Mein Gott, werden sie sich denn an mich erinnern, wenn ich tot bin? Das liegt ganz bei ihnen. Wen juckt das schon, wenn ich tot bin? Mich nicht“, muss man doch wieder schmunzeln ….

© Buchwelten 2021

Kill Katzelmacher! von Martin Calsow

Kill KatzelmacherErschienen als Taschenbuch
im Grafit Verlag
320 Seiten
13,00 €
ISBN 978-3-89425-675-3
Kategorie: Krimi

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Deutschland zur Nachkriegszeit im Jahre 1948. In der bayerischen Landeshauptstadt versucht man unter amerikanischer Besatzung wieder eine gewisse Normalität in das Leben der Bevölkerung zu bringen.

Ehemalige Wehrmachtsoldaten bauen gemeinsam mit amerikanischen Offizieren einen  neuen Polizeiapparat auf. Der Schwarzmarkt blüht, es gibt nach wie vor Armut, Hunger und Leid.

Im schönen München tauchen Leichen auf, die auf grausame Weise zur Schau gestellt werden: Die Toten sind teilweise gehäutet, dies geschah offensichtlich bei lebendigem Leibe. Es stellt sich heraus, dass die Toten etwas gemeinsam haben:  Sie waren ehemalige SS-Soldaten. Wer ist der Mörder? Ein Überlebender des Holocaust, der Rache an den Peinigern seines Volkes nimmt?

Schnell sollen die Morde aufgeklärt werden, denn die Währungsreform steht kurz bevor, München ist im Aufbau. Die Ermittler, die den Fall aufklären sollen, können unterschiedlicher nicht sein: Ein amerikanischer  jüdischer Offizier und ein ehemaliger Münchner Wehrmachtsoldat …

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Mich hat an diesem Krimi gereizt, dass er in München spielt. Ich liebe diese Stadt und kenne doch so einige Ecken dort und auch die Umgebung. Dann war für mich die Zeit der Handlung, nämlich 1948, als der 2. Weltkrieg vorbei war, natürlich auch sehr interessant. Die Stadt liegt in Trümmern, die amerikanischen Besatzer sind vor Ort. Zuletzt verspricht natürlich die Kombination der beiden Ermittler eine gewisse Brisanz.

Ich wurde nicht enttäuscht. Mir hat der Krimi sehr gut gefallen. Das Miteinander der beiden Protagonisten macht diesen Roman überwiegend aus. Aber auch die Stimmung in der Stadt und der damaligen Zeit kommt sehr gut rüber. Ich sah das alte München vor mir, war mittendrin.

Wie sehr sich doch unterschiedliche Menschen ergänzen und zusammenraufen, das bringt der Autor sehr gut zum Ausdruck. Das Miteinander der Protagonisten trägt diesen Roman. Als dann die beiden weiblichen Charaktere die Handlung noch bereicherten, war das der Höhepunkt. Die Szenen mit den Vieren haben mir wirklich Spaß gemacht. Die Dialoge waren einfach klasse und ich fühlte mich sehr wohl mit ihnen allen.
Komischerweise sind diese Passagen viel mehr in meinem Hirn haften geblieben, als die eigentliche Auflösung des Falls, der für mich dann eher zweitrangig war. Wobei dieser Handlungsfaden um den Täter auch gut und vor allem hintergründig war.

Der Autor Martin Calsow (Unterfranke und Polizistensohn) liefert einen spannenden Kriminalroman, der im Nachkriegsbayern spielt und nicht nur an bekannte Handlungsorte entführt, sondern auch von ungewöhnlichen Morden und einem noch ungewöhlicheren Ermittlerduo erzählt.

Von Martin Calsow sind im Grafit Verlag bereits einige Romane erschienen. Schaut euch doch mal um: Lieferbare Bücher von Martin Calsow im Grafit Verlag

© Buchwelten 2020

 

Das Haus der tausend Welten von T.S. Orgel

Haus

Erschienen als Taschenbuch
im Heyne-Verlag
insgesamt 588 Seiten
Preis: 14,99 €
ISBN: 978-3-453-31979-0
Kategorie: Fantasy

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Die Zauberin Stern schlägt sich einigermaßen durchs Leben, bis ihr eines Tages der Schlüssel zum Haus der tausend Welten in die Hände fällt. Der Legende nach soll es dort unendlich viele Räume geben, die mit Schätzen und Artefakten gefüllt sind. Gemeinsam mit ihren Gefährten Fuchs, Ako, Baelis und Salter betritt Stern dieses sagenumwobene Haus, um dessen Geheimnisse zu ergründen. Doch sie haben keine Vorstellung, was sie im Inneren dieses mysteriösen Gebäudes erwartet …

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Nachdem mich die Gebrüder Orgel mit ihrem Science-Fiction-Roman „Terra“ richtiggehend begeistert hatten, war ich natürlich darauf gespannt, was mich bei ihrem neuen Fantasyroman erwarten würde. So sehr mir der obengenannte „Terra“ gefallen hat, so sehr enttäuschte mich leider „Das Haus der tausend Welten“. Was episch und innovativ klingt, entpuppt sich weitestgehend als leere Hülle, die, zumindest aus meiner Sicht, unspektakulär und auch langatmig dahinplätschert. Es ist beileibe nicht so, dass der Roman nicht gute Unterhaltung bieten würde, aber mich haben zum Beispiel die Schicksale sämtlicher Charaktere von Anfang bis Ende kalt gelassen. Ich fand einfach keinen Bezug zu den Figuren und muss gestehen, dass ich sie sogar ein paar Mal während des Lesens verwechselt hatte. Sie waren letztendlich auch tatsächlich beliebig austauschbar und meiner Meinung nach viel zu wenig mit Leben erfüllt.

Sicherlich war auch hier wieder ein Humor vertreten, der mich größtenteils amüsierte. Dennoch fehlte dem Werk das gewisse Etwas, das T. S. Orgel bei „Terra“ so hervorragend hinbekommen hatten. Es gab Stellen, da hätte ich das Buch am liebsten abgebrochen, und dann gab es wiederum Begebenheiten, die mich hoffen ließen, dass sich die Geschichte doch noch in eine andere Richtung entwickeln würde. Letztendlich bestand der Roman für mich nur aus einem steten Auf und Ab, bei dem ich mich niemals so richtig entscheiden konnte, ob es mir nun gefallen oder eben nicht gefallen würde. Ich war permanent unschlüssig, was ich von „Das Haus der tausend Welten“ halten sollte. Einerseits beherbergte es durchaus faszinierende Ideen, die aber nie so zur Geltung kamen, wie ich es mir gewünscht hätte. Manchmal war das Ganze auch sehr wirr beschrieben, so dass ich gar nicht genau wusste, wo, wie und mit wem sich das alles abspielte. Ich verlor tatsächlich an einigen Stellen irgendwie die Übersicht. Dennoch habe ich durchgehalten und wurde dann mit einer Wendung belohnt, die mir von der Idee her wiederum sehr gefallen hat.

Man möge mir verzeihen, dass ich mein Nichtgefallen nicht einmal richtig Ausdruck verleihen kann, was wahrscheinlich daran liegt, dass mich das Buch letztendlich nicht vollends enttäuscht hat, sondern auf gewisse Art und Weise dennoch einen Reiz auf mich ausgeübt hat.  Es ist für mich nicht schlecht, aber auch nicht wirklich gut. Der Schreibstil bewegt sich auf einem annehmbaren Niveau, wobei mir ein paar Ausdrücke aufgefallen sind, die mir nicht gefallen haben und auch die Fantasy-Atmosphäre störten. Wer einen klassischen Fantasyroman erwartet, wird mit Sicherheit enttäuscht sein, denn die Autoren haben eher eine moderne Saga erschaffen, wenn man die Dialoge der Protagonisten näher betrachtet. Alles in allem hätte ich mir schlichtweg mehr erwartet, vor allem eine stimmungsvollere Beschreibung des Hauses und eine epischere Handlung. Jedoch bin ich vollkommen davon überzeugt, dass „Das Haus der tausend Welten“ seine Anhänger finden wird, die sich auf die Geschichte, so wie sie verfasst ist, einlassen können. Mein Fall war es dieses Mal leider nicht so ganz.

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Fazit: Originelle Ideen, die allerdings bedeutend mehr Potential gehabt hätten.

© 2020 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Die Reise von Marina Lostetter

reise

Erschienen als Taschenbuch
im Heyne Verlag
insgesamt  558 Seiten
Preis: 11,99 €
ISBN: 978-3-453-31827-4
Kategorie: Science Fiction

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Im Jahr 2088 bricht die Menschheit zu den Sternen auf, um ein geheimnisvolles Objekt jenseits unseres Sonnensystems zu erkunden. Eine Reise, die mehrere hundert Jahre dauern soll. Aus diesem Grund werden menschliche Klone auf die Reise geschickt, um das Zeitproblem in den Griff zu bekommen. In gewissen Abständen werden neue Klone erschaffen, dennoch brechen auf den Raumschiffen immer wieder einmal Unruhen aus. Als die Entdecker dann endlich ihr Ziel erreicht haben, werden sie mit einer außerirdischen Technologie konfrontiert, die jenseits ihrer Vorstellungskraft liegt …

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Alleine der Klappentext machte mich unendlich neugierig auf diesen Roman, der übrigens ein Debüt darstellt. Die Beschreibung des Plots klingt nach einem perfekten Science Fiction-Abenteuer, das mich an Geschichten von Larry Niven, Stephen Baxter und Peter F. Hamilton erinnerte. Um es kurz zu machen, ich wurde nicht enttäuscht. „Die Reise“ von Marina Lostetter ist ein unglaublich episches Weltraumabenteuer, in dem nicht nur Außerirdische, deren Artefakte und eine unmöglich erscheinende Weltraumreise eine Rolle spielen, sondern auch menschliche Verhaltensweisen und Emotionen. Lostetter hat ihren Plot groß angelegt und beginnt im Kleinen. Ähnlich wie bei einigen Meisterwerken von Stephen Baxter entfaltet sich die epische Bandbreite der Story genaugenommen erst, nachdem man das Buch gelesen hat.

„Die Reise“ ist Science Fiction, wie sie besser nicht sein könnte. Sehr realistisch wird der Versuch der Menschheit beschrieben, wie sie die Finger nach dem Weltraum ausstreckt, um Neues zu erfahren. Ein wenig fühlt man sich an Arthur C. Clarkes „2001 – Odyssee im Weltraum“ erinnert, wobei Lostetter definitiv einen eigenen Weg geht. Erstaunlicherweise fliegt man nur so durch die Seiten, obwohl der Roman stolze 550 Seiten hat und oftmals mit technischen Details aufwartet.
Die Autorin wechselt geschickt die erzählenden Protagonisten, so dass niemals Langeweile aufkommt. Manchmal wirken die Kapitel wie eigene Kurzgeschichten, bis sich irgendwann dann ein A-ha-Effekt einstellt und der Leser die Zusammenhänge erkennt. Die spannende und sich über Jahrhunderte (eigentlich sogar über Jahrtausende) erstreckende Geschichte befasst sich aber nicht nur mit außerirdischen Artefakten und deren mysteriösen Bedeutungen, sondern widmet sich auch Problemen wie grundlegender Gesellschaftsangelegenheiten, der Beeinflussung von Genen oder Künstlichen Intelligenzen. Dies alles vermischt sich zu einem atemberaubenden Abenteuer, das man nicht gerne verlässt. Trotz der Dicke dieses Buches hätte man die Abenteuer der Menschheit und der menschlichen Klone gut und gerne nochmal so lange begleiten können.

Marina Lostetters Roman wirkt wie das Kultbuch einer neuen Science Fiction-Generation, das sich mit aktuellen Problemen unserer Zeit befasst, aber noch einen Schritt weiter geht und in eine nicht ganz unmögliche Zukunft schaut. Lostetter behandelt zum Beispiel auch die Entwicklung der Sprache. Und wenn man sich heute umschaut, ist das in Zeiten von WhatsApp und sozialen Netzwerken eigentlich schon nicht mehr zu übersehen, dass unsere Sprache immer mehr verstümmelt und verzerrt wird. Es kommt ja mittlerweile leider schon vor, dass sich Menschen, die eigentlich die gleiche Sprache sprechen, nicht mehr verstehen. Gerade dieser Aspekt, der zwar nicht lange im Buch vorkommt, zeigt eine gewisse Genialität der Autorin, die sich nämlich eine Zukunft ausgedacht hat, die absolut im Bereich des Möglichen liegt.
„Die Reise“ ist mit Sicherheit kein einfaches Buch, das man nebenbei lesen sollte, denn zu viele „Wahrheiten“ stecken zwischen den Zeilen. Für den ein oder anderen mag deshalb diese groß angelegte, menschliche Geschichte Längen haben, die anderen werden mit einem bombastischen Abenteuer belohnt, bei dem man sich immer wieder vor Augen halten muss, dass sich die Handlung über eine große Zeitspanne erstreckt. Episch eben …

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Fazit: Episches SF-Abenteuer, das nachhaltig beeindruckt.

©2019 Wolfgang Brunner für Buchwelten