Quichotte von Salman Rushdie

quichotte

Erschienen als gebundene Ausgabe
im C. Bertelsmann Verlag
insgesamt 462 Seiten
Preis: 25,00 €
ISBN: 978-3-570-10399-0
Kategorie: Belletristik

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Da ist ein Reisender, der von einer Fernseh-Moderatorin besessen ist und ihr Herz erobern will. Quichotte begibt sich auf eine Reise durch Amerika, um ihr seine Liebe zu beweisen. Während der Fahrt erscheint Sancho auf dem Beifahrersitz. Es ist der Sohn, den sich Quichotte immer gewünscht, aber niemals bekommen hat. Realität und Fantasiewelt verweben sich immer mehr miteinander. bis Quichotte nicht mehr weiß, in welcher Welt er sich eigentlich befindet …

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Man weiß, auf was man sich einlässt, wenn man ein Buch von Salman Rushdie in die Hand nimmt. Umso erstaunlicher ist es, dass es dieser Autor immer wieder aufs Neue schafft, den Leser in seine (literarische) Welt hineinzuziehen und gnadenlos darin festzuhalten. „Quichotte“ ist, wie seine anderen Romane, eine faszinierende Geschichte, die sich mit jeder Seite, die man vorankommt, mehr entwickelt und ein unglaublich komplexes Gesamtwerk darstellt. Am Ende angekommen, muss man das Gelesene erst einmal Revue passieren lassen, um all die Details zu erfassen, die einem da präsentiert wurden. Rushdie übt in diesem Roman Kritik an der Gesellschaft, der Menschheit und vor allem deren Entwicklung in den letzten Jahren. Man liest aus vielen Sätzen heraus, dass der Autor eine Rückentwicklung des intelligenten Menschen sieht und keine gute Zukunft vorhersieht.

Mit seinem unglaublich flüssigen, aber dennoch auch sehr hochwertigen Schreibstil lässt uns der Autor an einer beeindruckenden Reise eines Menschen teilnehmen, der nicht nur auf der Suche nach sich selbst, sondern auch nach dem Sinn des (modernen) Lebens ist. Und immer wieder werden dabei faszinierende Parallelen zu Miguel de Cervantes Vorbild „Don Quijotte“ hergestellt, die das Leseerlebnis für Kenner abrunden. Aber auch jemand, der den berühmten Roman nicht kennt, versteht, was Salman Rushdie sagen wioll. Ich persönlich fand vor allem die Begleitung in Form eines Sohnes, der die Rolle des Sanchos aus „Don Quijotte“ übernimmt, sehr interessant. Rushdie lässt dem Leser unendlich viele Möglichkeiten, um selbst Dinge in seine Aussagen hineinzuinterpretieren, was das Buch zu einem wirklich außergewöhnlichen Erlebnis macht. Ich bewundere Salman Rushdie bereits seit seinen „Stanischen Versen“ und bin immer wieder begeistert, dass er seinen Anspruch mit jedem darauf folgenden Buch halten konnte. Er ist für mich einer der besten Schriftsteller unserer Zeit, der die SPrache beherrscht.

Rushdies Hommage an Cervantes „Don Quijote“ wirkt im ersten Moment wie ein dichtes Labyrinth unterschiedlicher, miteinander verwobener Geschichten. Das alles mag für den ein oder anderen nach einem furchtbaren Wirrwarr klingen, was es im Grunde genommen auch erst einmal ist. Doch je länger man durchhält (was jetzt weitaus  negativer klingt, als es ist) wird man mit einer wunderbaren Geschichte belohnt, die einen Teil vom privaten Salman Rushdie zeigt. Der Roman ist ein großer Schlag ins Gesicht der immer dümmer werdenden Bevölkerung und zeigt auf, was im Laufe der letzten Jahrzehnte aus der Menschheit geworden ist. Aber auch wenn das alles sehr düster und abschreckend wirkt, so verstecken sich auch wieder jede Menge Lebensweisheiten, wie man es aus anderen Büchern von Rushdie kennt. ich fühlte mich hervorragend unterhalten und fand gerade im apokalyptischen Ende großen Gefallen. „Quichotte“ ist jedoch als Einstiegsroman in Salman Rushides literarisches Universum nur bedingt geeignet, da er wirklich sehr komplex und verschachtelt ist und somit keinesfalls als Lesestoff für „Zwischendurch“ geeignet ist. Ich wurde auf jeden Fall nicht enttäuscht und kann diesen Roman intellektuellen Lesern nur empfehlen.

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Fazit:  Ein literarischer Roadmovie der besonderen Art und eine Verbeugung vor Cervantes Klassiker.

© 2019 Wolfgang Brunner für Buchwelten

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Hitze Leni und die Äliens von Helene Hitz

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Erschienen als Taschenbuch
bei Puput Books
insgesamt 116 Seiten
Preis: 7,90 €
ISBN: 978-3-948540-00-5
Kategorie: Nerd-Spaß

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Die Helene Hitz, inzwischen 88 Jahre jung, lebt irgendwo in einer hessischen Kleinstadt. Sie schwelgt in Erinnerung und erzählt uns aus der Kindheit und Jugend ihres geliebten und einzigen Sohnes Waldemar, genannt „Waldi“.

Frau Hitz, von Freundinnen  „Hitze Leni“ genannt, war damals in den 70ern, als der Waldi noch klein war, etwas eher Außer-/Ungewöhnliches. Denn sie war alleinerziehende Mutter. Damals war das noch eher selten der Fall. Nun, wir erleben, dass die Hitze Leni das richtig gut gemeistert hat. Voller Liebe und Hingabe hat sie sich den Interessen und Lieben ihres Sohnemanns hingegeben und ihn gefördert und unterstützt, so gut sie konnte: Er war ein kleiner Nörd, und irgendwie fand die Leni das auch völlig in Ordnung….

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Also, gereizt hat mich die Hitze Leni aus 2 Gründen:

1. Ich bin ein Kind der 70er und Teenager der 80er Jahre. Ein bisschen jünger als der Waldi also, aber trotzdem. Raumschiff Enterprise und Captain Future habe ich natürlich auch mitbekommen.

2. Ich bin selbst eine Nörd-Ehefrau und eine Nörd-Mutter, woran zum Großteil natürlich mein Nörd-Ehemann schuld ist. Alle sind wir hier filmbekloppt und sammeln Filme und Serien und auch ’ne Menge „Fimmelskram“, der damit zusammenhängt. Bei der erwachsenen Tochter wäre das z.B. der Härrie Potter, beim mittleren Sohn viel Herr der Ringe, beim kleinsten Sohn derzeit die „Thundercats“, gerne aber auch Supermän, Hulk oder Batman, die Transformers. Den Captän Mükara (Captain America 😉 ) gibt es auch noch. Beim Ehemann ist es sehr viel Star Wors (Gruß an Waldi), aber in etwa gleich viel alles andere. Nun, und Fimmelskram haben wir auch eine Menge: Poster, Karten, Figuren, Klamotten, Socken, Filme und und und ….

Ich habe wirklich herzlich gelacht bei der Lektüre, und ich muss sagen, dass die Hitze Leni eine echt supercoole Frau ist. Sie hat genäht, gebastelt und den Jungen unterstützt, und das alles als Alleinverdienerin. Denn auch wenn es damals alles günstiger war, so hat sie schon eine Menge Geld für Comics und Figuren ausgegeben. Der Waldi kann stolz auf so eine Mutter sein.

Ich stelle sie mir irgendwie recht unscheinbar vor, aber vllt. mit einer Star Wars Schürze anstatt einem Blumenkittel ☺

Der Thorsten Walch, der, der hinter der Helene Hitz steckt, wird wohl noch mehr von der Hitze Leni abliefern, worauf ich mich jetzt schon freue.

Ein kleines, feines Büchlein, dass wirklich Freude macht und sehr kurzweilig ist. Eine tolle Geschenkidee auch zu Weihnachten. Jeder Nörd oder Nördelternteil wird sich freuen. Ebenso die Kinder der 70er/80er Jahre, die eine Reise in die Vergangenheit unternehmen, die großen Spaß macht. Auch für Lesefaule eine schöne Sache, da es eben ein Kurzroman ist, in dem man immer mal ein wenig lesen und schmökern kann.

©2019 Marion Brunner – Buchwelten

The Beautiful Ones – Prince & Dan Piepenbring

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Erschienen als gebundene Ausgabe
im Heyne Verlag
insgesamt 304 Seiten
Preis: 32,00 €
ISBN: 978-3-453-20488-1
Kategorie: Autobiographie

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Einige Monate vor seinem Tod hat Prince Rogers Nelson einen Co-Autor gesucht, der gemeinsam mit ihm seine Autobiografie schreibt. Es sollte etwas ganz Besonderes werden. Doch dazu kam es leider nicht mehr. Einige Male haben Prince und Dan Piepenbring (beratender Redakteur bei The Paris Review) sich getroffen und über das Projekt gesprochen und sich ausgetauscht.

Einen ersten Teil hatte Prince bereits handschriftlich verfasst. Er begann mit den Erinnerungen an seine Kindheit und seinen Eltern, die er sehr liebte. Dan Piepenbring hat kurz vor Prince’ Tod noch einen Anruf von ihm erhalten, in dem er ihm sagte, dass alles okay mit ihm sei. Er sei zwar ein bisschen krank, aber es ginge ihm soweit gut. Sie haben sich über den ersten, bereits geschriebenen Teil am Telefon ausgetauscht und weitere Ideen besprochen. Zu mehr kam es dann aber nicht mehr. Am 21. April 2016 wurde Prince Rogers Nelson in einem Aufzug seines Hauses in Chanhassen tot aufgefunden ….

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Ich weiß gar nicht so genau, wo ich anfangen soll. Vielleicht damit, dass Prince DAS Idol meiner Teenager-Zeit war. Ich sah und hörte „Purple Rain“ (mit 14 ) und da war es um mich geschehen. Ich kaufte die alten Alben: For You, Prince, Controversy, 1999. Ich hörte Prince rauf und runter. Meine Wände waren mit allem beklebt was ich von Prince finden konnte. Ich übersetzte seine Texte und hatte das Glück ihn zweimal live zu sehen.

Doch irgendwann verlor ich ihn aus den Augen. Das Hin und Her um „The Symbol“ und „TAFKAP“, das war mir alles zuviel in meiner damaligen Welt, als ich gerade Mutter geworden war und andere Dinge um die Ohren hatte. Als Prince dann starb war ich geschockt. Ich hatte ihn nie mit Drogen oder Alkoholexzessen in Verbindung gebracht. Für mich war er immer scheu, zurückhaltend und ein Musikjunkie, der sich der Musik verschrieben hat.

„The Beatiful Ones“ ist keine fertiggestellte Autobiografie, aber sie ist die Erfüllung eines Traums oder eine große Schatzkiste für jeden Fan. Damals, Ende der 70er oder in den 80ern, gab es kein Internet. Da bekamen wir Videos oder Fotos nicht zu Gesicht. Wir konnten nicht googlen, wie Prince lebte oder was er privat machte. Wir mussten die Berichte nehmen, die wir irgendwie kriegen konnten.

Dieses Buch liefert so viel Schönes, Interessantes und lässt uns Fans Einblick nehmen in das Leben und Schaffen von Prince Rogers Nelson.

Im ersten Teil lesen wir die Aufzeichnungen, die Prince selbst verfasst hat und eine ausführliche Einführung von Dan Piepenbring. In den weiteren Teilen sehen wir dann viele Fotos und Texte aus den Anfängen von Prince. Die Arbeit am ersten Album, das er komplett allein produziert hat. Weiterhin gibt es handschriftliche Aufzeichnungen zum Drehbuch des späteren Films „Purple Rain“. Die handgeschriebenen Teile wurden zusätzlich noch einmal abgeschrieben und leserlich gemacht. Es gibt Auszüge aus Interviews und Storyboards zu Videoclips. Am Schluss des Buches gibt es einen Anhang mit ausfühlrlichen Erklärungen und Erläuterungen zu jeder Seite, jedem Foto und jedem Text.

Fakt ist, dass dieses Buch ein wirkliches Prachtstück ist, dass einen außergewöhnlichen Einblick in das Leben und Schaffen eines außergewöhnlichen Künstlers gibt. Es ist sehr aufwendig gemacht, schwer (also gewichtstechnisch) und mit dem Einband und goldenem Leseband wirklich sehr edel. Ich werde ganz bestimmt noch öfters darin blättern.

Ich habe noch viel über Prince gelernt, soviel Interessantes gelesen und jede Seite genossen. Die Fotos und Bilder sind einfach fantastisch, und als ich zum Ende kam,  war ich wirklich traurig. Man bleibt zurück mit einem Kloß im Hals.

Als ich im Anschluss nach der Lektüre ein wenig im Internet gestöbert habe, stieß ich auf ein Video, das Beamte in Paisley Park nach Prince’ Tod gemacht haben. Das bestätigte, was das Buch bereits erkennen ließ: Prince war ein bescheidender Mensch, der sicher wohlhabend war, aber in einem Haus lebte, das einem normalen Haushalt doch sehr ähnelte (in den Wohnräumen). Warum er gestorben ist, werden wir wohl nie erfahren. Aber zumindest erhalten wir einen ausführlichen, liebevollen und würdevollen Rückblick auf sein Leben, seine Musik und seine Lebenseinstellung, denn das alles beschert uns „The Beautiful Ones“.

Danke, dass ihr, die ihr alle daran beteiligt wart, es durchgezogen und publiziert habt!

© Marion Brunner – Buchwelten 2019

 

 

Transfusion von Jens Lubbadeh

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Erschienen als Taschenbuch
im Heyne Verlag
insgesamt 380 Seiten
Preis: 14,99 €
ISBN: 978-3-453-32008-6
Kategorie: Thriller

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Ein Hamburger Pharmakonzern  kann Alzheimer heilen und entdeckt dabei auch ein mögliches Mittel für ewiges Leben. Iliana Kornblum ist Wissenschaftlerin  und hat das Medikament mitentwickelt. Als sie auf geheime Versuche stößt, muss sie feststellen, dass ihr Arbeitgeber für dieses Wundermittel auch Tote in Kauf nimmt. Und nachdem man Ilianas Forschungen entdeckt, wird sie plötzlich von dem Konzern gejagt.

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Man möchte es kaum glauben, aber Jens Lubbadeh hat mit dem vorliegenden Thriller den Vorgänger „Neanderthal“ nochmals übertroffen. Mit einem atemberaubenden Tempo nimmt uns der Autor mit auf eine Reise, die man so schnell nicht wieder vergisst. Bei „Transfusion“ kann man ohne Einschränkungen von einem Pageturner reden, den man nicht mehr aus der Hand legen kann, sobald man einmal damit angefangen hat. Es handelt sich hier um einen Wissenschafts- und Medizinthriller, der auch ohne weiteres aus der Feder eines Michael Crichtons stammen könnte. Doch Lubbadeh schreibt nicht nur wie Crichton, sondern übertrifft ihn an manchen Stellen sogar. Es ist wirklich Wahnsinn, mit welchem Tempo die Geschichte erzählt wird. Dabei sorgt der flüssige Schreibstil dafür, dass die Seiten nur so dahinfliegen und man immer noch (nur ein einziges Kapitel noch)  weiter liest.

Der Leser wird mit einem Thema konfrontiert, das nichts Neues in der Literatur ist: Ewiges Leben. Aber Lubbadeh schafft es tatsächlich, neuen Schwung in diese Thematik zu bringen und lässt dieses Wundermittel glaubhaft wirken. Was in den meisten Roman wie eine gute Utopie erscheint, ist in „Transfusion“ irgendwie absolut nachvollziehbar. Der Autor entwickelt eine sehr gute Idee zu einem spannenden Abenteuer, das den Leser mitfiebern lässt. Es liegt vor allem auch an der Heldin, die Lubbadeh zum Leben erweckt und deren Handlungen jederzeit nachvollziehbar sind. Am Ende angekommen, möchte man es kaum für möglich halten, dass man gerade fast 400 Seiten förmlich inhaliert hat. 🙂
Durch einen geschickten Schicksalsschlag, der der Protagonistin dann widerfährt, erhält der Roman zusätzlich zu seiner Rasanz einen beklemmenden Aspekt, der einen auch nach der Lektüre noch eine Weile verfolgt. Man beginnt über den wissenschaftlichen Wahn unserer Zeit, dessen Konsequenzen, und auch über moralische und ethische Fragen nachzudenken. Diese Zukunft, die sich der Autor ausgedacht hat, ist unheimlich und erschreckend, weil sie auf gewisse Art und Weise auch sehr nah an der Realität ist.

Der filmreife Plot (man sieht durch den exzellenten Schreibstil tatsächlich das ganze Buch als Film vor sich) spielt mit aktuellen Entwicklungen in der Forschung und spinnt diese Ideen auf gruselige Weise weiter. Ich könnte mir auf jeden Fall gut vorstellen, dass die Pharmakonzerne zu genau solchen Mitteln greifen würden, um ein derartiges Wundermittel auf den Markt zu bringen, die Menschen davon abhängig zu machen und sich dabei dann eine goldene Nase verdienen. Lubbadeh übt, geschickt in eine Abenteuergeschichte verpackt, Kritik an den Machenschaften und Vorgehensweisen dieses Industriezweigs. Viele Wendungen, mit denen man so nicht rechnet, bereichern diesen Thriller zusätzlich, so dass ich hier einfach nur eine Leseempfehlung aussprechen muss. Man kann wirklich sehr gespannt sein, auf welche Abenteuer uns Jens Lubbadeh in Zukunft noch mitnimmt. Bei mir hat er jedenfalls einen festen Platz bei meinen Lieblingsautoren aus Deutschland erlangt.

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Fazit: Atemberaubende, exzellent recherchierte und spannende Zukunftsvision.

© 2019 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Die Universität von Bentley Little

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Erschienen als gebundene Ausgabe
im Buchheim Verlag
486 Seiten
22,99 €
ISBN: 978-3-946330-13-4
Kategorie: Horror, Mystery

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Von Jahr zu Jahr häufen sich Verbrechen wie Vergewaltigung, Mord und auch Suizid an einer Universität in Kalifornien. Das Böse scheint von den Studenten, aber auch von dem Gebäude Besitz genommen zu haben. Zusammen mit einem Professor und einem Mann, der sehr viel  mehr über die Vorgänge weiß, treten die Studenten Jim und Faith einen Kampf an, der mehr als aussichtslos scheint.

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Das Buch von Bentley Little, auf das seine deutschen Fans so lange gewartet haben, ist endlich im Buchheim Verlag erschienen. Umso höher war auch die Erwartungshaltung. Daraus resultierend machte sich wohl eine gewisse Enttäuschung bei vielen Lesern breit, was ich allerdings absolut unberechtigt finde.
Little ging hier einfach mal einen etwas anderen Weg als bei vielen seiner  Romane, und ich persönlich finde, dass sich das Ergebnis sehen lassen kann. Vor allem die sehr ruhige und langsame Vorgehensweise, die Bentley Little hier einschlägt, hat mir sehr gut gefallen. Andere Leser wurden aber genau durch diese „Langatmigkeit“, die für mich eben keine ist, anscheinend enttäuscht. Gerade dieses Abschweifen in scheinbare Nebensächlichkeiten, die aus meiner Sicht den Charakterentwicklungen und auch der allgemeinen Stimmung in hohem Maße zugute kommen, machen dieses Buch für mich aus.
Bentley Little schlägt hier einen etwas fantastischeren Weg als bei den meisten seiner Romane ein, setzt das Ganze aber gekonnt und in einem sehr stimmungsvollen Stil der alten Schule um. Der Roman wirkt, als wäre er viel früher geschrieben worden als im Jahr 1995.

Was mir bei diesem Werk auch noch auffiel, ist, dass sich Bentley Little manchmal ein wenig vulgärer als in seinen anderen Büchern ausdrückt. Manche Stellen haben tatsächlich einen Hauch von Edward Lee, wobei mir da Littles gehobenere Ausdrucksweise bedeutend besser gefällt. So wirken seine heftigeren und auch sexuellen Beschreibungen nie fehl am Platz oder abstoßend, sondern tragen zur Stimmung der Handlung bei. Ich will damit sagen, dass ich eigentlich kein Anhänger solcher Werke bin, aber hier hat es mich absolut nicht gestört.
Toll fand ich auch, dass Bentley Little immer wieder ein wenig sozial- beziehungsweise gesellschaftskritisch wurde und auf Missstände unserer heutigen Zeit (oder zumindest solche der damaligen, im Entstehungsjahr des Buches, aktuellen „Probleme“) anspielte. Das hat zum einen die Handlung sehr aufgelockert und zum anderen den Protagonisten eine hohe Glaubwürdigkeit verliehen.

Doch selbst, wenn man „Die Universität“ nicht so gut findet wie ich ( 😉 ), so ist diese Publikation für Fans des Autors (und Komplettisten wie mich) eine wahre Freude. Dank dem Buchheim Verlag dürfen wir uns nämlich an diesem, und auch an „Der Berater“, erfreuen.
Das Ende hätte ich mir weniger klischeehaft gewünscht, was auch schon den einzigen Kritikpunkt meinerseits darstellt. Da wäre weniger irgendwie mehr gewesen, aber da sind die Geschmäcker ja glücklicherweise verschieden. Dennoch hat Little das Thema der von Geistern besetzten Gebäuden („Amityville Horror“ lässt grüßen) geschickt umgesetzt und einen beeindruckenden Roman geschrieben, an den man sich noch lange erinnern wird. Die meisten Passagen wurden mir in meinem Kopfkino als hervorragender Blockbuster abgespielt, was mit Sicherheit an der sehr flüssigen Schreibweise des Autors lag. „Die Universität“ hat meine Erwartungen (außer vielleicht dem Ende) absolut erfüllt und ich bin glücklich, dass ich es lesen konnte. Bleibt nur zu hoffen, dass sich der Buchheim Verlag noch anderen, in Deutschland unveröffentlichten Werken von Bentley Little widmet. Mit „The Handyman“ hat der Verlag ja zumindest ein weiteres Highlight angekündigt. 🙂

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Fazit: Atmosphärischer Old School-Horror, der perfekt unterhält.

© 2019 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Tod im Februar von Alan Parks

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Erschienen als Taschenbuch
im Heyne Verlag
insgesamt 428 Seiten
Preis: 16,00 €
ISBN: 978-3-453-27198-2
Kategorie: Krimi, Thriller

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Detective Harry McCoys Rückkehr in den Polizeidienst könnte nicht schlimmer sein: Ein Fußballspieler  wird tot aufgefunden. Der Mörder hat eine blutige Nachricht  in die Brust des Opfers geritzt. Bald gibt es einen zweiten Mord und der Februar des Jahres 1973 wird für den ermittelnden McCoy immer unbehaglicher. Er geht seinen gewohnten, unkonventionellen Weg und sucht sich außergewöhnliche Hilfe. Und irgendwann muss er feststellen, dass das Ganze sogar mit seiner eigenen Vergangenheit zu tun hat.

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Alan Parks braucht nicht lange, um den Leser zurück in die düsteren 70er Jahre zu werden und ihn mit einer fast schon deprimierenden Stimmung einzufangen. Es ist wirklich unglaublich, wie der Autor es auch in seinem zweiten Buch über den Ermittler McCoy schafft, eine derart intensive Atmosphäre einzufangen, so dass man glaubt, man wäre mittendrin. Und selbst wenn man zwischen dem ersten und dem vorliegenden zweiten Teil ein paar andere Bücher gelesen hat, so fällt es nicht schwer, sich dem Plot und den Charakteren wieder anzupassen. „Tod im Februar“ ist erneut ein sehr beeindruckender und stimmungsvoller Thriller geworden, der sich bestens für eine Verfilmung eignen würde.

Der Schreibstil ist sehr gehoben, wenngleich Parks kein Blatt vor den Mund nimmt und auch schon gerne einmal etwas vulgär spricht. Wenn dies geschieht, passt es aber hervorragend in die entsprechende Szene oder den Dialog und stört absolut nicht. Ich für meinen Teil muss zugeben, dass ich Harry McCoy wirklich sehr mag. Es ist vor allem seine Natürlichkeit, die mich an diesem Charakter fasziniert. Der Mann ist so echt und greifbar, weil er nicht denkt und handelt wie ein Superheld, sondern wie ein normaler Mensch mit Ecken und Kanten. Vom Charakter her erinnerte er mich ein wenig an Sam Wyndham aus Abir Mukherjees Trilogie. Diese Ermittler sind so herrlich untypisch und entsprechen nicht der gewohnten Norm. Der Fall des vorliegenden Romans ist wieder äußerst brutal und sehr undurchsichtig. Dass er dann noch in einer dreckigen Umgebung spielt und auch Ganoven eine wichtige Rolle spielen, macht das Ganze sehr interessant und, wie bereits erwähnt, auch äußerst stimmungsvoll.
Aufgrund des flüssigen Schreibstils kann man das Buch tatsächlich schwer aus der Hand legen. Somit kann „Tod im Februar“ durchaus das Prädikat „Pageturner“ verliehen werden.

Der Charakter des Protagonisten bekommt in diesem zweiten Teil noch weitaus mehr Menschlichkeit, weil man ihn einfach noch näher kennen lernt als im ersten Band der Reihe. Genau diese Entwicklung der Figur macht aus „Tod im Februar“ eine sehr starker und lesenswerte Fortsetzung.
Und auch der Mordfall ist, wie schon bei Teil 1,  komplex und absolut unvorhersehbar. Man erkennt den  Zusammenhang der verschiedenen Handlungsstränge lange nicht, die sich am Ende zu einer ganz besonderen Auflösung verknüpfen, mit der ich so nicht gerechnet hätte. Ich bin wirklich sehr gespannt, wie Alan Parks dieses hohe Niveau mit einem dritten Teil übertreffen oder zumindest gleichwertig halten wird.

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Fazit: Ebenso beeindruckend wie der erste Teil mit einer intensiv düsteren Atmosphäre.

© 2019 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Schwarze Mambo von Baukowski

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Erschienen als Taschenbuch
im Redrum Verlag
insgesamt  198 Seiten
Preis: 14,99 €
ISBN: 978-3-95957607-9
Kategorie: Extrem Horror, Hardcore

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Malcolm Moore ist ein ganz normaler Teenager, bis zu dem Tag, als er die schwarze Voodoo-Priesterin Mambo kennen lernt. Durch einen dummen Zufall zieht er sich ihren Zorn zu und wird von ihr mit einem Fluch belegt, der sein Leben in einem Maße verändert, wie er es sich in seinen kühnsten Träumen nicht vorgestellt hätte. Ein blutiger Strudel aus Sex, ekelerregenden Begebenheiten und Gewalt beginnt, der Malcolm an und über die Grenzen seines persönlichen Übelkeitsempfindens bringt.

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„Schwarze Mambo“ ist das erste Buch, das ich von Baukowski gelesen habe. Ich war natürlich aufgrund diverser Rezensionen neugierig, was mich erwarten würde … und, was soll ich sagen? 😉 Zumindest weiß ich jetzt, was ich einem Buch drin ist, wenn Baukowski draufsteht. 🙂
Im Ernst: Baukowski schreibt sehr flüssig und bringt die Ereignisse auf den Punkt. Und er nimmt definitiv kein Blatt vor den Mund, sondern hält selbst an den unmöglichsten Stellen nicht inne, so dass er den Leser in einen Strudel aus Pornographie, Gewalt und Ekel hineinzieht, der nicht jedem zusagen dürfte. Aber Geschmäcker sind nun mal verschieden. Doch selbst wenn man, wie übrigens auch ich, nicht unbedingt auf derartige Hardcore-Kost steht, so verbirgt sich in „Schwarze Mambo“ durchaus noch einiges andere, um das Herz eines eingefleischten Horrorfans höher schlagen zu lassen.

Baukowski ist Filmfan, und in diesem Roman insbesondere von denen der 80er Jahre. Das macht ungemein Spaß, wenn man die locker verstreuten Hinweise oder Andeutungen entdeckt, die auf Kultfilme jener Zeit anspielen. Vor allem die Gedankenwelt des jugendlichen Protagonisten ist unglaublich authentisch und macht enormen Spaß. Da machen sogar die sexuellen Ausschweifungen, die teilweise bis ins letzte Detail beschrieben werden, richtig Spaß. An vielen Stellen fühlte ich mich immer wieder an den 80er Jahre Klassiker „Vamp“ erinnert. Vor allem die Atmosphäre, die sich durch das ganze Buch zieht,  könnte durchaus einem Film jener Ära entsprungen sein. Das ist auch der Punkt, an dem mich Baukowski absolut überzeugen konnte. Ich sah nämlich die Horrorabenteuer des Malcolm permanent wie einen Film in meinen Gedanken. Die übertrieben abscheulichen Stellen  des Romans schockierten mich jetzt nicht wirklich, waren aber an manchen Stellen  nicht so ganz mein Fall, weil sie mir zu konstruiert, und nur des Ekels Willen inszeniert, vorkamen. Aber, wie gesagt, da sind die Geschmäcker verschieden und mir haben sie auf alle Fälle das Lesevergnügen nicht kaputtgemacht.

Zusammenfassend kann ich auf jeden Fall sagen, dass mir der Schreibstil und die (wenn auch manchmal abartigen 😉 ) Ideen des Autors gut gefallen haben und er mit „Schwarze Mambo“ einen filmreifen Plot abgeliefert hat, den man gerne noch einmal liest. Die Protagonisten konnte ich mir sehr gut vorstellen, aber noch mehr die Geschehnisse, die ihnen passierten. Der Roman ist ein Riesenspass, wenn man sich darauf einlassen und ein paar heftige Szenen ertragen kann. Was mir außerdem noch gefallen hat, waren die wirklich guten, humoristischen Einlagen, die das Ganze dann doch auch immer wieder auflockerten. Schreibtechnisch wechseln sich hochwertige Konstruktionen mit einfachen Sätzen ab. Bei letzteren bedient sich der Autor oftmals auch einer vulgären Fäkalsprache, der man aber wiederum einen gewissen Witz nicht absprechen kann, so dass auch dieses „Manko“ irgendwie gar nicht so schwer wiegt, wie man eigentlich denken könnte. Insgesamt wäre aus meiner Sicht weniger schlichtweg mehr gewesen. Ich will damit sagen, hätte Baukowski sich  mehr auf die Horrorgeschichte und ein bisschen weniger auf den Ekelfaktor konzentriert, hätte er (zumindest bei mir) die volle Punktzahl erreicht. 😉 Aber, wie bereits gesagt, die Geschmäcker sind verschieden und andere werden mit diesem Buch ihre wahre Freude haben, da bin ich sicher. Wer Hardcore sucht, wird hier definitiv fündig.
Umso gespannter bin ich jetzt aber auf sein neuestes Werk mit dem Titel „Martyrium“, das wohl genau dieser, meiner Prämisse entsprechen soll.

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Fazit: Ekelerregend, witzig und mit einer gehörigen Portion 80er Jahre-Charme.

© 2019 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Ich von Elton John

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Erschienen als gebundene Ausgabe
im Heyne Verlag
insgesamt 496 Seiten
Preis: 26,00 €
ISBN: 978-3-453-20292-4
Kategorie: Autobiografie

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Eine lebende Legende erzählt aus seinem bewegenden, nicht immer nur schillernden Leben.

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Ich war natürlich gespannt, was diese Autobiografie zu sagen hatte, vor allem, nachdem ich den wunderbaren Film „Rocketman“ gesehen und dadurch ein vollkommen neues Bild des exzentrischen Sängers erhalten habe. ich war von dem Film regelrecht begeistert und beeindruckt, aber was Elton John mit seiner Autobiografie abgeliefert hat, übertraf all meine Erwartungen um ein Vielfaches (und ich habe nach dem Film hohe Erwartungen gehabt). Es ist wirklich äußerst beeindruckend, wie offen Elton John aus seinem Leben erzählt. Von seinen Ängsten und Hoffnungen. Von seiner Suche nach Liebe und Glück, aber auch seinem ausschweifenden Leben inmitten von Alkohol und Drogen. Ich kann gar nicht oft genug wiederholen, wie sehr mich diese Offenheit beeindruckt, mit der der Musiker sein Leben erzählt. Da wird kein Blatt vor den Mund genommen, wenn es um seine Drogenexzesse und seine Homosexualität geht. Interessanterweise ist dieses Leben auf eine gewisse Art und Weise „normal“, auf der anderen Seite so unglaublich, emotional und nahezu episch, wenn man nach den letzten Seiten das Buch zuschlägt.

Elton John wird einem durch diese Biografie sehr sympathisch und man möchte ihn am liebsten persönlich kennenlernen und erst einmal in den Arm nehmen. Ich kann nur meinen virtuellen Hut ziehen vor diesem Rückblick auf ein Leben, in dem es um Mut, Rückhalt und vor allem auch Selbstbewusstsein geht. Auch wenn Elton John immer wieder betont, er hätte in gewissen Dingen kein Selbstbewusstsein, so zeigt „Ich“, dass er sehr wohl immer wieder die Kraft fand, sein Leben so zu gestalten, wie er es möchte. An vielen Stellen äußerst humorvoll, werden Anekdoten erzählt, bei denen man gerne dabei gewesen wäre. Aber auch dramatische Selbstmordversuche werden nicht unter den Teppich gekehrt und im Nachhinein auch mit einer gewissen Selbstironie beschrieben. Seine sexuelle Entwicklung, die auch die Suche nach weiblicher Liebe beinhaltet, wird sehr glaubwürdig mit all den Sehnsüchten und Zweifel beschrieben, so dass man in Elton John einen sehr sympathischen und auch empathischen Menschen sieht. Plötzlich erkennt man in seiner Musik ganz andere Perspektiven als beim oberflächlichen Zuhören. Elton John besteht nämlich nicht nur aus seinen weltweiten Hits, sondern kann weitaus mehr vorweisen als nur Balladen.

Es liest sich fast wie ein „Who is who“, wenn man die Musiker und Künstler in diesem Buch entdeckt, mit denen Elton John zu tun hatte. Mit dem einen mehr, mit dem anderen weniger. Oft entstanden aber wunderbare Freundschaften, die über Jahre hinweg andauerten und besonders die Beziehung zu Rod Stewart sorgt in dieser Biografie für so manch ein Grinsen während des Lesens. Elton John steht immer zu seinem Leben, egal was er gemacht hat, egal ob positiv oder negativ. An manchen Stellen verlor ich mich während des Lesens richtiggehend in seiner Geschichte und hatte den Eindruck, er säße mir gegenüber und erzählt mir mit einem Glas Bier in der Hand seine Lebensgeschichte. „Ich“ ist eine der wenigen Autobiografien, die ich sofort wieder lesen könnte, so perfekt hat sich mich unterhalten und emotional auch getroffen. Es ist eine ehrliche und ungefälschte Lebensgeschichte, an der Elton John uns teilnehmen lässt. Und am Ende, wenn er im Epilog noch einmal über die Zukunft seines Lebens nachdenkt, fühlt man sich direkt angesprochen. Ich bin wirklich schwer begeistert.
Es ist vor allem unglaublich faszinierend, in welcher Rekordzeit man die 500 Seiten „inhaliert“.

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Fazit: Lebensbejahend, schrill, hoffnungsvoll, sympathisch, emotional, ehrlich … eine Achterbahnfahrt, die gelesen werden muss.

© 2019 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Der zweite Schlaf von Robert Harris

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Erschienen als gebundene Ausgabe
im Heyne Verlag
insgesamt 414 Seiten
Preis: 22,00 €
ISBN: 978-3-453-27208-8
Kategorie: Thriller, Dystopie, Belletristik

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Die Welt, wie wir sie kennen, ist untergegangen und die Menschheit fängt neu an. Der junge Priester Fairfax sucht ein kleines Dorf auf, um dort einen Kollegen zu beerdigen und ein Auge auf die Gemeinde zu werfen. Während seines kurzen Aufenthalts kommt Fairfax hinter ein mysteriöses Geheimnis, das den Toten umgibt. Artefakte aus einer längst vergessenen Zeit, vor dem Untergang der Zivilisation, werden entdeckt und Fairax dringt ungewollt tiefer in ein Mysterium ein, das immer größere Kreise zieht.

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Er hat es wieder getan, und mich von der ersten Seite an mit seinem neuen Roman in seinen Bann gezogen: Robert Harris, der mit dem grandiosen „Vaterland“ den Grundstein für seine Karriere legte und seitdem einen Pageturner nach dem anderen veröffentlichte. Und bei jedem neuen Buch ist man immer geneigt zu sagen, es wäre sein bestes. Man kann letztendlich guten Gewissens sagen, dass alle seine Bücher sehr gut geschriebene und atmosphärisch dichte Geschichten sind, in denen man sich beim Lesen einfach wohlfühlt. „Der zweite Schlaf“ zeigt einmal mehr, welch unterschiedliche Themen sich Harris widmet und vor allem widmen kann. Denn gerade durch diese Bandbreite seins Schaffens beweist der Autor, dass er sein Handwerk perfekt beherrscht. Im vorliegenden „Der zweite Schlaf“ wird der Leser in eine Geschichte entführt, die eine Mischung aus Historienroman, Dystopie, Krimi und Mystery darstellt. Klingt abgedrehter als es eigentlich ist und vor allem funktioniert dieser Mix auf wirklich hervorragende Weise.

Die Grundstimmung mutet anfangs noch ein wenig wie „Der Name der Rose“ an, doch Harris schafft es dermaßen geschickt, seinen „historischen“ Roman in einer Welt anzusiedeln, die in unserer Zukunft liegt. Da werden schon auch mal die Tücken und der Irrsinn unserer sich immer schneller entwickelnden Technik kritisiert, dies geschieht jedoch nie mit erhobenem Zeigefinger, sondern zurückhaltend im Hintergrund.
Im Vordergrund steht die Geschichte eines abgelegenen Dorfes, eines Geheimnisses und natürlich des Lebens von Priester Fairfax. Es gibt unzählige Momente, in denen man das Buch einfach nicht aus der Hand legen kann, obwohl man es aus schlaftechnischen Zeitgründen eigentlich machen müsste. Die niveauvolle und detaillierte Schreibweise lässt den Leser oftmals so tief in die Geschichte eintauchen, dass man alles um sich herum vergisst und sich am liebsten inmitten der Geschehnisse des Buches aufhalten möchte. Wie schon mit seinem vorherigen Roman „München“ hat es Robert Harris auch dieses Mal wieder geschafft, mich absolut zu begeistern.

Die düstere Stimmung, die sich durch den ganzen Roman zieht, wird nur durch eine zarte Liebesgeschichte aufgelockert, bei der man die Gefühle und Überlegungen des Protagonisten absolut nachvollziehen kann. Es sind wunderbar ruhige Momente, die Harris damit eingebaut hat, und die dem Mystery-Kriminalfall noch eine zusätzliche Dramatik verschaffen. „Der zweite Schlaf“ ist ein Roman, den man sich  wunderbar als Kinofilm vorstellen kann, denn er besitzt alles, was einen guten Plot ausmacht: sympathische Darsteller, eine düstere Atmosphäre und so manche Wendung, mit der man nicht rechnet.
Harris rechnet auch ein wenig mit der Kirche und dem Glauben ab, in dem er immer wieder kritischer Momente einfließen lässt, in denen er den Leser zum Nachdenken bringt. Das Weltuntergangsszenario tritt niemals in den Vordergrund, was mir persönlich sehr gut gefallen hat, vielen aber mit Sicherheit aufstößt, weil es viel zu wenig beschrieben ist. Aber genau das ist es, was mich fasziniert hat, denn die Fantasie des Lesers wird angeregt und in meinen Gedanken hat sich eine beeindruckende Kulisse entfaltet. Ich konnte mir alles sehr gut vorstellen und brauchte dazu keine tiefergehenden Beschreibungen. Auch wenn viele Leser anderer Meinung sind, ich empfand die Tiefe der Charakterbeschreibungen zum einen in gewissen Passagen sehr emotional und zum anderen vollkommen ausreichend.

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Fazit: Dystopischer Historien-Mystery-Krimi mit einer wunderbaren Atmosphäre.

© 2019 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Nordische Mythen und Sagen von Neil Gaiman

mythen

Erschienen als Broschur
im Eichborn Verlag
insgesamt 254 Seiten
Preis: 14,00 €
ISBN: 978-3-8479-0667-4
Kategorie: Mystery, Belletristik

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Neil Gaiman erzählt den Mythos von Odin und seinen Söhnen Thor und Loki mit eigenen Worten. Die Intrigen der Götter un der apokalyptische Weltuntergang Ragnarök erwachen zu einem faszinierenden Leben.

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Ich war schon wirklich sehr gespannt auf das neue Buch von Neil Gaiman, zumal er sich dieses Mal einem klassischen Stoff gewidmet hat, der mich interessiert: Die nordischen Mythen, Sagen und Legenden um Odin, seine Söhne Thor und Loki und die ganze Welt der Götter. Ich war neugierig, wie Gaiman diese alten Geschichten mit seinen eigenen Worten wiedergeben würde und, um es kurz zu machen: Neil Gaiman hat meine Erwartungen bereits nach den ersten paar Seiten übertroffen. Ihm ist es hervorragend gelungen, den Leser gleich zu Beginn derart zu fesseln und in diese klassischen Göttergeschichten zu ziehen, dass man das Buch kaum mehr aus der Hand legen kann, hat man erst einmal damit angefangen, es zu lesen.
Mit einem wunderbaren, gehobenen Schreibstil, der mich des Öfteren an J.R.R. Tolkien erinnerte, nimmt uns der Autor mit in eine Welt, die schön, verzaubert und gleichzeitig auch hart und brutal ist.

Es ist eine wahre Freude, Thor und Loki bei ihren Abenteuern mit anderen Göttern, Riesen und mystischen Fabelwesen zu begleiten. Kurz und knapp, und genial auf den Punkt gebracht, erzählt Gaiman das Wesentliche all jener Sagen nach und verleiht den Geschichten einen eigenen Charakter und Glanz, wie ich es nicht erwartet hätte.
Selbst wer Neil Gaimans andere Bücher kennt (und diese aufgrund seines außergewöhnlichen Schreibstils nicht mag), sollte hier unbedingt zugreifen und sich dieses literarische Ereignis nicht entgehen lassen. Einziges Manko dieses Buches ist, dass es viel zu kurz ist. Man hätte sich einen Umfang von Tolkiens „Silmarillion“ gewünscht, so faszinierend waren die Geschichten.

Besonders toll finde ich, dass Gaiman immer wieder Informationen wiederholt, um die Zusammenhänge zwischen den Geschichten nachvollziehbar zu machen, denn aufgrund der Vielzahl an Namen verliert man schon an der ein oder anderen Stellen einmal die Übersicht. Geschickt wirft der Autor einen Satz ein und man ist schon wieder im Bilde, erinnert sich an den Namen oder die Begebenheit, um die es geht, und versteht daraufhin auch die folgende Erzählung. Gaimans Version dieser Legenden liest sich fast wie ein Roman, der in unterschiedliche Kapitel eingeteilt ist und zwar verschiedene Geschichten erzählt, die aber alle miteinander in Verbindung stehen und einen ganzen, großen Plot ergeben. Selbst für Laien, die sich in diesen nordischen Mythen überhaupt nicht auskennen, wird alles so gut erklärt, dass man es versteht. Vor allem könnten auch Kinder an seinen Interpretationen Gefallen finden, die Thor und Loki zumindest aus den Marvel-Comics und -Verfilmungen kennen dürften. Gaimans Buch zeigt die echten Hintergründe auf, die hinter den modernen Comic- und Filmadaptionen stehen.
Wie oben schon erwähnt, hätte ich mir gewünscht, Neil Gaiman hätte nicht nur die von ihm bevorzugten Geschichten dieser Sagen neu interpretiert, sondern alle. 😉

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Fazit: Die Neuerzählung von alten Geschichten trumpft vor allem durch seine Detailliertheit und einem tollen Schreibstil auf.

© 2019 Wolfgang Brunner für Buchwelten