Steine von Tobias Bachmann

Erschienen als gebundene Ausgabe
im KOVD Verlag
insgesamt 124 Seiten
Preis: 15,99 €
ISBN: Privatdruck – ohne ISBN
Kategorie: Horror, Mystery, Science Fiction

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Charles Laughton und sein junger Gehilfe untersuchen mysteriöse Vorgänge in Stonehenge. In drei Episoden, die am Ende ein Gesamtbild ergeben, erzählt Tobias Bachmanns eine spannende Geschichte über eine fremde Macht, die die Menschheit bedroht.

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Es gibt mittlerweile einige Autoren, die sich immer wieder auf literarischem Wege dem Vermächtnis des H.P. Lovecraft widmen. Tobias Bachmann ist einer davon, und ich möchte behaupten, er ist einer der Besten. In der vorliegenden Sonderausgabe aus dem KOVD-Verlag kann der Leser nach langer Zeit endlich wieder einmal die ersten veröffentlichten Geschichten des Autors genießen, bei denen man nicht einmal ansatzweise bemerkt, dass sie so ziemlich die ersten Stories sind, die sich Bachmann ausgedacht hat. „Steine“ beinhaltet mehrere Geschichten, die ineinander übergreifen und letztendlich ein Gesamtwerk ergeben, an das man sich noch lange erinnert. Der Autor versteht es meisterhaft, Lovecrafts Stil und die Atmosphäre seiner Geschichten auszudrücken, ohne sie jemals zu kopieren. Es macht unglaublich Spaß, wenn man sich in einer Stimmung verlieren kann, die der von Lovecraft in nichts nachsteht, aber dennoch einen eigenen Stil in Bachmanns Worten erkennt.

„Steine“ ist eine nostalgische Reise in eine literarische Zeit, in der man noch verstand, sich gewählt auszudrücken und in der Action weitaus weniger wichtig war, als eine unglaublich intensive Stimmung zu beschrieben. Wie gesagt, Tobias Bachmann, ist aus meiner Sicht einer derjenigen, der es meisterhaft schafft, seinem literarischen Vorbild Tribut zu zollen, ohne den eigenen Schreibstil zu vernachlässigen. Bachmann ist keine Kopie Lovecrafts, sondern eine eigene Stimme, die sich dem Werk des Idols verschrieben hat.
Zu der fantastischen Geschichte kommt in diesem Falle noch hinzu, dass diese edle Schmuckausgabe auf verspielte Weise der Thematik annimmt und das Geschriebene visuell umsetzt und unterstreicht, dass man immer wieder darin blättern mag. Sei es das verbrannte, fehlende Blatt in den Tagebucheinträgen, oder die verschiedenen Schriftarten, die eingesetzt werden. „Steine“ wird dadurch zu einem literarischen und optisch ansprechenden Leseabenteuer, das einen für ein paar Stunden alles um einen herum vergessen lässt. Die von mir besprochene Sonderedition ist mittlerweile vergriffen, aber der Verlag plant eine „Normalausgabe“, die mit Sicherheit dennoch wunderschön ausfallen wird.
So, genau so, muss eine Hommage an Lovecraft sein: Atmosphärisch, innovativ in der Umsetzung und, trotz seines Minimalismus, episch.

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Fazit: Atmosphärischer Ausflug in die Welt von H.P. Lovecraft in einer tollen Edelausgabe.

©2022 Wolfgang Brunner für Buchwelten

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Das Ministerium für die Zukunft von Kim Stanley Robinson

Das Ministerium fuer die Zukunft von Kim Stanley Robinson

Erschienen als Taschenbuch
im Heyne Verlag
insgesamt 716 Seiten
Preis: 17,00 €
ISBN: 978-3-453-32170-0
Kategorie: Science Fiction, Belletristik

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In einer nicht allzu fernen Zukunft entwickelt sich der Klimawandel zu einer unabwendbaren Bedrohung für die Menschheit. Ein sogenanntes „Ministerium für die Zukunft“ wird ins Leben gerufen, um das Überleben der nachkommenden Generationen zu sichern. Mary Murphy ist Ministerin dieses Ministeriums und kämpft mit allen Mitteln dafür, dass die Erde sich wieder regeneriert. Oftmals stellt sich ihr die Frage, ob sie mit konventionellen Aktionen überhaupt etwas erreichen kann, denn Profit zählt für einen Großteil der Menschen mehr als eine sichere Zukunft.

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Barack Obama bezeichnet Robinsons neuen Roman als einen der wichtigsten Bücher des Jahres. Ich würde sogar noch weiter gehen und „Das Ministerium für die Zukunft“ als wichtigstes Buch des letzten Jahrzehnts bezeichnen, zumindest wenn es um das Thema Klimawandel und -schutz geht. Robinson sticht mit seinem Szenario und seinen Überlegungen nicht nur in ein politisches und weltumfassendes Wespennest, sondern beschäftigt sich auf eine eindringliche Art und Weise damit, dass man selbst über all diese Entwicklungen nachdenkt und einem bewusst wird, wie schwierig die Bewältigung dieser Bedrohung aus Sicht der Politik ist. Robinson beleuchtet ein Szenario aus vielerlei Blickwinkeln und zeigt, wie kompliziert es sein könnte (es derzeit ist und auch sein wird), den Klimawandel abzuwenden. „Das Ministerium für die Zukunft“ wirkte auf mich wie eine geniale Mischung aus Roman und Sachbuch, in dem auch viele Fakten auf „nüchterne“ Weise beschrieben und erklärt werden. Aber genau diese Mischung ist es letztendlich, die dieses Buch zu einem echten Abenteuer macht, das sich in die Gedanken der Leser schleicht und sich dort auch fest verankert.

Wie schon in „New York 2140“ behandelt Robinson eine Thematik, die uns alle angeht (die meisten leider aber nicht wirklich interessiert), nämlich den Klimawandel und die daraus resultierenden Folgen für die Menschheit. Während er in „New York 2140“ aber nur von den Ereignissen einer einzigen Stadt erzählt, widmet er sich im vorliegenden Roman um die globalen Entwicklungen und den verzweifelten Kampf einzelner Politiker, das Ruder noch herumzureißen. „Das Ministerium für die Zukunft“ ist eine Warnung, die jedoch niemals wirklich mit erhobenem Zeigefinger, geschweige denn einer Holzhammer-Methode, daherkommt, sondern sich schlichtweg um Fakten kümmert. Die Protagonisten werden zwar gut charakterisiert, wachsen einem aber dennoch nicht wirklich ans Herz, weil man vielmehr mit den erschreckenden Entwicklungen auf der Erde „leidet“. Man mag es am Ende gar nicht richtig glauben, dass man soeben 700 Seiten „verschlungen“ hat, ohne dass etwas wirklich Gravierendes oder Spektakuläres stattgefunden hat. Bis auf den beeindruckenden Einstieg mit der Hitzewelle in Indien, konfrontiert uns der Autor vielmehr mit dem verzweifelten Kampf gegen die vom Menschen selbst verursachte Bedrohung und spielt mit verschiedenen Lösungsmöglichkeiten, die allesamt durchaus realistisch erscheinen. Ich empfinde „Das Ministerium für die Zukunft“ ebenfalls als sehr wichtigen Roman, der aufzeigt, an welcher Stelle wir uns bereits seit Jahren befinden. Und dennoch unternehmen wir nichts dagegen …

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Fazit: Eindringliche Beschreibung des Klimawandels in außergewöhnlicher Romanform.

©2022 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Das Talent von John Grisham

Erschienen als gebundene Ausgabe
im Heyne Verlag
insgesamt 398 Seiten
Preis: 22,00 €
ISBN: 978-3-453-27375-7
Kategorie: Sport, Drama, Belletristik

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Samuel Sooleymon, geboren im Südsudan, begeistert sich schon als Kind für Basketball. Als er dann die Chance bekommt, nach USA zu reisen, um in einem Jugendteam zu spielen, wird ein Traum für ihn wahr. Doch während er sein Talent unter Beweis stellen kann, wird das Dorf, in dem seine Eltern leben, überfallen. Ein Albtraum beginnt, denn Samuel kann nicht zurück in den Südsudan …
Und während er in Amerika seinem Traum, Basketballstar zu werden, nachjagt, kämpft seine Familie in einem anderen Teil der Erde ums Überleben.

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Wo Grisham draufsteht, ist auch immer Grisham drin? Stimmt nicht ganz, denn der Autor schreibt neben seinen Justiz-Thrillern auch immer wieder Sportdramen, in denen es um Basketball geht. So auch im vorliegenden „Das Talent“, in dem die Leser die Entwicklung eines jungen Menschen miterlebt, der aus ärmlichen Verhältnissen zu einem gefragten, gutbezahlten Sportler aufsteigt. A Star is born!
Wer ungeduldig ist, könnte durchaus in Versuchung geraten, Grishams neuesten Roman nach den ersten 50 bis 60 Seiten abzubrechen, denn dort sind langatmige Spielbeschreibungen zu lesen und Grisham wirft mich vielen Fachbegriffen um sich, sodass man kurzzeitig meint, ein Sachbuch über die Techniken des Basketballs zu lesen. Aber durchhalten lohnt sich, denn noch vor Seite 100 kommt Samuels Familie ins Spiel, die noch immer im Südsudan lebt, während er den Luxus der modernen Welt genießt.

Diese Gegenüberstellung zwischen Starrummel und schrecklichem Überlebenskampf in einem Kriegsgebiet hat Grisham wirklich eindrucksvoll in Szene gesetzt, sodass man selbst zum Nachdenken kommt, wie gut man es eigentlich hat. Der Wechsel zwischen dem Erfolg von Samuel und dem Bangen um das eigene Leben seiner Familie zieht sich durch das ganze Buch. Es wird niemals langweilig, weil man immer wissen will, wie es auf der anderen Seite weitergeht.
Grishams Schreibstil ist, wie gewohnt, sehr flüssig zu lesen, sodass man das Buch nicht gerne aus der Hand legt. Immer wieder wird Grisham nachgesagt, seine „neuen“ Bücher hätten nicht die Qualität seiner ersten Werke. Diese Aussage kann ich absolut nicht nachvollziehen. Ich finde, dass es sich bei Grisham ähnlich wie bei Stephen King verhält: Die neueren Bücher besitzen mehr Tiefe in philosophischer Hinsicht und in Bezug auf ihr Aussagekraft. Da steckt manchmal mehr zwischen den Zeilen als in den alten Werken. Soll letztendlich heißen, dass mir auch die neueren Romane von Grisham sehr gefallen.

Einziger Kritikpunkt an „Das Talent“ wären für mich die oft eingesetzten Fachbegriffe in Bezug auf Basketball. Da gibt es tatsächlich Passagen, vornehmlich die, bei denen Spiele beschrieben werden, da verstand ich jedes zweite Wort nicht. Das war zwar nicht schlimm, denn ich konnte der Handlung deswegen dennoch folgen, aber es war teilweise sehr schwer zu lesen, weil man ja irgendwie doch wissen wollte, was diese Worte bedeuten. Nun gut, das ist für mich aber Jammern auf hohem Niveau und hat mir den Spaß am Buch definitiv nicht verleidet. Gesamt gesehen ist John Grisham auch hier wieder ein großartiger Roman gelungen, der allerdings die Spannung seiner Justizthriller nicht erreicht. Dafür beschäftigt er sich aber mit der menschlichen Seite unserer Gesellschaft und stellt zudem einen überaus interessanten Sportroman dar.

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Fazit: Berührendes, gut geschriebenes Sportlerdrama.

©2021 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Emerson, Lake & Palmer

Erschienen als gebundene Edelausgabe
im Hannibal-Verlag
insgesamt 266 Seiten
Preis: 45,00 €
ISBN: 978-3-85445-721-3
Kategorie: Biografie, Autobiografie, Musik

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In dieser hochwertigen Edelausgabe erzählen die drei Musiker von ihrem Leben, ihren Erfolgen und Misserfolgen, und erwecken eine vergangene Ära zu neuem Leben.

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Wer sich ein wenig mit Progressive Rock auseinandersetzt, kommt um die Band „Emerson, Lake & Palmer“ nicht herum. Immer wieder werden sie als Beispiel für dieses Musikgenre herangezogen, was bei ihrer Experimentierfreudigkeit auch definitiv nicht von der Hand zu weisen ist. In der vorliegenden „Autobiografie“ erzählen die drei Musiker von ihren Ursprüngen, den Erfolgen und dem Bruch ihrer Zusammenarbeit. Anhand von Interviewausschnitten wird hier eine faszinierende Story erzählt, die am Ende eine interessante Bandgeschichte ergibt, nach der man ELP (kurz für Emerson, Lake & Palmer) mit anderen Augen sieht und ihre Alben mit „anderen Ohren“ genießt. Es ist sehr interessant, wie die drei Künstler über ihre Anfänge und die Entstehung ihrer außergewöhnlichen und unvergleichlichen Karriere berichten. In chronologischer Reihenfolge reden Keith Emerson, Greg Lake und Carl Palmer über ihre Inspirationen, sodass man bei erneutem Hören der Alben plötzlich einen ganz anderen Bezug dazu hat und die Musik tatsächlich besser versteht.

Dieses wunderschön gestaltete Buch bringt uns die Künstler und deren Musik sehr nahe. Durch die Interviews „hört“ man ihre Stimme, als sähe man eine Dokumentation im Fernsehen, hervorragend ergänzt durch die fantastischen Bilder auf Hochglanzpapier. „Emerson, Lake & Palmer“ ist eine Reise in eine Ära, in der Musik noch echte Musik war und in der Künstler zum einen zeigten, was in ihnen steckte und zum anderen mit neuen Instrumenten und innovativen Ideen herumexperimentierten. Gerade die Verschmelzung von klassischer Musik, Rock, Balladen, Jazz und anderen Musikstilen wurde von „ELP“ geradezu perfektioniert und man muss sich eigentlich über ihren Erfolg wundern, denn keines ihrer Alben entspricht genaugenommen dem Mainstream. Während des Lesens in diesem Buch fühlte ich mich so manches Mal in alte Zeiten zurückversetzt, in denen ich ELP-Alben auf meinem Bett liegend und mit Kopfhörer angehört und gestaunt habe. Dieses Buch bringt diese Erinnerungen wieder zurück.

Es ist unglaublich interessant, wie die drei miteinander „funktionierten“. Es war nicht die private Freundschaft, die sie verband, sondern einzig und allein die Musik. Auch wenn sie auf gewisse Art und Weise Freunde waren (das aber nicht immer), so standen die Kompositionen und innovativen Ideen im Vordergrund. Der Leser begleitet im Buch die Anfänge der Band, ihre Entwicklung zu einer der auf der Bühne gigantischsten Rockband der 1970er-Jahre bis hin zum Zerfall. Man spürt ihre Genialität zwischen den Zeilen, wünscht sich das ein oder andere Mal, sie würden noch einmal Meisterwerke wie ihr Debütalbum, „Pictures At An Exhibition“ oder „Brain Salad Surgery“ aufnehmen. Das im Hannibal-Verlag erschienene Buch hinterlässt, nachdem man es beendet hat, ein Gefühl, dass man gerade das „Leben“ einer Legende gelesen hat. Für Fans von ELP ein Muss, für alle anderen, die sich bislang noch nicht an das Werk dieser Band gewagt haben, ein idealer Einstieg, um die Komplexität ihrer Musik zu begreifen.

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Fazit: Interessante Bandgeschichte in einer tollen Edelausgabe. Ein Muss für Fans.

©2021 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Fräulein Wolf und die Ehrenmänner von Gabriella Wollenhaupt & Friedemann Grenz

Erschienen als Taschenbuch
im Grafit Verlag
insgesamt 288 Seiten
Preis: 13,00
ISBN 978-3-89425-781-1
Kategorie: Historischer Kriminalroman
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Sicherheitshalber sei vor eventuellen „Spoilern“ gewarnt

Im Jahre 1930 kommt Leonore „Leo“ Wolf aus Wien nach Berlin, um dort als Reporterin für den Sozialdemokratischen Pressedienst zu schreiben. Relativ kurz nach Arbeitsantritt wird im Wedding ein Uhrmacher ermordet. Doch der war kein unschuldiger alter Mann, sondern einer, der mit Mädchen Geld verdient hat. Er hat junge Mädchen aus seinem Viertel, dem Wedding, nackt und teils in eindeutigen Posen fotografiert und diese Fotografien verkauft. Er hat auch gerne mal das ein oder andere Mädel vermittelt, wo sie den Herren gefällig sein mussten. Angeklagt des Mordes werden die 16-jährige Luise „Lieschen“ Neumann, ihr Verlobter und ein weiterer Freund.

Leo übernimmt die Berichterstattung zum Prozess und recherchiert fleißig im Umfeld der Angeklagten und des Opfers. Dabei erfährt sie, dass auch Nazis zum Kundenstamm des Uhrmachers gehörten und durch ihre Artikel macht sie sich diese zu Feinden. Zumal Leo auch noch Jüdin ist, was den braunen Herren übel aufstößt. Doch Leo lässt sich nicht ängstigen und macht ihre Arbeit mit viel Mut und Einsatz weiter …

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Ich bin ein großer Fan von Gabriella Wollenhaupt und war nach dem Ende der absolut umwerfenden Grappa-Reihe natürlich sehr froh, dass es doch wieder etwas Neues von ihr gibt. Diesen historischen Krimi hat sie wieder gemeinsam mit Ihrem Ehemann. Dr. Friedemann Kleist, ach nein, Dr. Friedemann Grenz ☺, geschrieben. Das haben sie ja schon einmal erfolgreich getan.

Ich wurde entführt ins Berlin im Jahre 1931, was wirklich toll und auch interessant war. Ich erlebte die Stadt der damaligen Zei.t Das Lebensgefühl und der Flair kamen sehr gut rüber. Für mich persönlich war es insoweit besonders, da ich vor kurzem erst die gesamte Serie „Ein Mann will nach oben“ gesehen habe, die auch in Berlin und zur damaligen Zeit spielt. Und wenn die Mädels aus dem Wedding ihr Berlinerisch gesprochen haben, hatte ick immer die „Rieke“ im Ohr.

Aber auch die schwierigen Umstände der damaligen Zeit, die Probleme, die die jüdischen Mitbürger seinerzeit schon mit und wegen der Nazis hatten, war sehr gut beschrieben. Da wurde z.B. der Polizeivizepräsident als „Isidor“ beschimpft und von Untergebenen beleidigt. Ich mag Bücher, die mich anregen, in der Geschichte nachzuschnüffeln und das hat auch dieser Roman geschafft.

Die Haupthandlung an sich beruht ja schon auf einer wahren Geschichte. Den Prozess um Lieschen Neumann gab es wirklich und unheimlich viele Charaktere im Roman sind reale Personen. Hierzu gibt es ein ausführliches Register im Anhang. Natürlich habe ich mir dann die Bilder dieser Menschen und auch alten Gebäude angesehen und noch einiges dazugelernt. Gut, die Seite von Berlin sagt, dass Dr. Bernhard Weiß, Leos Onkel, in London verstarb, währen die Autoren schreiben, er sei kurz vor seinem Tod nach Deutschland zurückgekehrt. Aber ich finde, dass der Roman sehr gut und gründlich recherchiert ist, wobei ich kein Historiker oder Geschichtsfachmann bin.

Der Schreibstil ist für mich schon sehr typisch „Wollenhaupt“, was mir unheimlich Freude gemacht hat. Allein die Überschriften der Kapitel, die in flotten Stichworten immer den Inhalt des Kapitels umschreiben, sind Grappa-Stil und einfach toll. Dann geht es weiter mit den Artikeln, die die Protagonistin Leo verfasst und publiziert. Auch diese „Schreibe“ ist schon sehr Grappa-ähnlich, auch wenn die Zeit und natürlich die Sprache eine andere sind. Der Kern ist unbedingt erkennbar. Dann die Hauptfigur: Leo ist jung, hat einen dunklen Bob-Haarschnitt, ist eher zart. Aber auch sie ist, wie Grappa, sehr gebildet, schlagfertig, mutig, wortgewandt, humorvoll, und wissbegierig. Sie ist liebevoll, romantisch, dennoch tough und auch stur. Sie isst, wenn sie Hunger hat, worauf sie Lust hat und achtet nicht bei jedem Bissen auf ihre Figur.

Also, Parallelen sind definitiv da und ich wüsste schon gerne, welchen Teil Friedemann Grenz geschrieben hat. Vielleicht den politischen oder geschichtlichen?

Wie dem auch sei. Ich hatte ein großartiges Lesevergnügen und eine wunderbare Zeit zusammen mit Leo Wolf in Berlin und ich würde mich riesig freuen, wenn es weiteres über und mit ihr zu lesen gibt. Zumal auch Leo ihren „Friedemann“ gefunden hat, eine weitere kleine Parallele ….

© Marion Brunner_Buchwelten 2021

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Bobby March Forever von Alan Parks

Bobby March forever von Alan Parks

Erschienen als Taschenbuch
im Heyne Verlag
insgesamt 428 Seiten
Preis: 16,00 €
ISBN: 978-3-453-27340-5
Kategorie: Krimi, Thriller

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1973: Der Rockstar Bobby March wird tot aufgefunden. Harry McCoy soll den Fall aufklären, ist aber auch gleichzeitig damit beschäftigt, die verschwundene Nichte des Polizeichefs zu finden. Währenddessen verschwindet auch noch ein weiteres Mädchen spurlos und McCoy muss sich mit dem Konkurrenzkampf eines Kollegen auseinandersetzen. Es ist alles andere als einfach für McCoy …

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Der dritte Teil von Alan Parks’ Serie, die in den 1970er-Jahren in Glasgow spielt, wird von den Fns unterschiedlich aufgenommen. Die einen sagen, der Story fehle etwas, die anderen (und dazu zähle ich mich) sind der Meinung, dass „Bobby March Forever“ vielleicht sogar der beste Teil, aber zumindest den anderen beiden ebenbürtig ist. Auch hier gelingt es Alan Parks wieder, eine unglaublich brillante Atmosphäre zu erschaffen, die einen mitten ins Geschehen mitnimmt und die Stimmung jener Zeit hervorragend rüberbringt. Mit seinem Protagonisten McCoy hat Parks einen unvergleichlichen Charakter erschaffen, der einerseits bodenständig und ein ausgezeichneter Polizist ist, sich aber andererseits auch problemlos in die Unterwelt mitsamt ihren zwielichtigen Gestalten einlassen kann.  Seine zwar pragmatische, aber immer geradlinige Herangehensweise an die Polizeiarbeit macht ihn ungemein sympathisch und vor allem authentisch.

Alan Parks’ Schreibstil ist grandios, schnörkellos und süchtig machend. Das Niveau von „Bobby March Forever“ fügt sich nahtlos in das der ersten beiden Bücher ein und nimmt die Leser sofort wieder mit auf eine düstere Reise. Für mich steigert sich Parks mit jedem seiner Bücher. Er perfektioniert seinen altmodischen Schreibstil (und das meine ich in jeder Hinsicht absolut positiv) und schafft es immer mehr, seinen Geschichten eine Atmosphäre zu verleihen, die man nicht mehr so schnell vergisst. Harry McCoy ist einerseits ein Antiheld, wie er menschlicher nicht sein könnte, weil er jede Menge Fehler hat. Er trinkt, pflegt Kontakte zur Unterwelt und ist Single (mal glücklich, mal unglücklich). Parks setzt einen Erzählstil so geschickt ein, dass man manchmal meint, man lausche einer Erzählerstimme eines alten Humphrey-Bogart-Films. Und wenn dann auch noch die bildhaften Beschreibungen der Ereignisse dazukommt, erhält man ein perfektes Kopfkino.

Alan Parks hat mit seiner Reihe um Detektive Harry McCoy eine Noir-Krimireihe erschaffen, von der man sich schlecht verabschieden kann, wenn man am Ende des Romans ankommt. Was mir bislang bei jedem Buch aus dieser Reihe positiv aufgefallen ist, und beim vorliegenden „Bobby March Forever“ eigentlich mehr als in den ersten beiden Teilen zum Tragen kommt, ist die psychologische Beschreibung des Protagonisten. Parks schafft es, den Lesern die Figur des Harry McCoy sehr nahezubringen. Man fängt irgendwann an, so wie er zu denken und die Situationen genau so wie er zu sehen. Das macht diese Bücher zu einem hautnahen Erlebnis, bei denen man wirklich mittendrin ist. „Bobby March Forever“ ist düster, brutal, klug, spannend und melancholisch. Und genau dieser Mix macht es wohl aus, dass man die Bücher dieses Schriftstellers nicht mehr aus der Hand legen kann (und möchte). Ich freue mich schon auf den vierten Band.

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Fazit: Ein düsterer, brutaler, spannender und melancholischer Noir-Krimi, der süchtig macht.

© 2021 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Zeit der Lieder (Der dunkle Kristall 2) von J.M. Lee

Erschienen als Taschenbuch
im blanvalet Verlag
insgesamt 332 Seiten
Preis: 10,00 €
ISBN: 978-3-7341-6295-4
Kategorie: Fantasy

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Das Abenteuer geht weiter. Nachdem Naia und Kylan die Verschwörung der Skekse aufgedeckt haben, machen sie sich auf den Weg, um die anderen Gelflinge zu warnen. Dabei stoßen sie auf tapfere Wegbegleiter, die ihnen dabei helfen, die Welt vor einer schlimmen Zukunft zu bewahren.

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Der vorliegende Band der vierteiligen Fantasyreihe von J. M. Lee schließt nahtlos an den ersten Band an und setzt die Abenteuer um die beiden Gelflinge Naia und Kylan auf spannende Weise fort. Denkt man am Ende des ersten Bandes „Ära der Schatten“ noch, dass der Autor ein episches Ende setzte, so übertrumpft er sich mit dem zweiten Teil sogar, denn am Ende kann sich jeder Leser gewiss sein, dass sich diese Geschichte zu etwas Größerem entwickeln wird. Lees Schreibstil ist, wie gewohnt, sehr flüssig zu lesen. Dadurch gewinnt die Geschichte eine rasante Geschwindigkeit und lässt den Leser in ein spannendes, fantastisches Abenteuer eintauchen, das man gar nicht mehr verlassen möchte.

Besonders gefallen hat mir eine Begegnung mit einem Charakter, den der Fan des alten Films von Jim Henson sofort erkennt. Dies war, nachdem die vorliegende Romanreihe ja ein Prequel zum Film darstellt, eine gelungene Überraschung, durch die die Stimmung des Originalfilms sofort zurückkam. Ich habe diese Szene wirklich genossen und dieses „Wiedersehen“ stellt für mich eine echte Bereicherung für das von Lee erschaffene „neue Dunkle-Kristall-Universum“ dar. Nach dem gelungenen Start in die Quadrilogie entwickelte sich die Story um Naia und Kylan in diesem Band, zumindest aus meiner Sicht, viel atmosphärischer und abenteuerlicher. Ich fühlte mich dieses Mal in der Welt von der ersten Seite an wohl und habe mich dort sehr gerne aufgehalten. Leider ist es oft sehr mühsam, die komplizierten und teilweise gleich klingenden Namen auseinanderzuhalten. Sicherlich gibt es ein Namens- und Sachglossar am Ende des Buches. Dies habe ich aber relativ wenig benutzt, weil ich sonst immer wieder aus der Geschichte herausgerissen worden wäre. Letztendlich wusste ich dann dennoch, wer wer war, aber es war, wie gesagt, an manchen Stellen etwas mühselig.

Ich bin wirklich gespannt, wie sich die Handlung entwickelt und freue mich schon jetzt auf den dritten Band dieser Reihe. Wer sich für Fantasy interessiert und Jim Hensons Meisterwerk „Der dunkle Kristall“ und die dazugehörige Netflix-Serie mag, sollte diese Reise unbedingt lesen. Aber man muss schon mit dem ersten Band beginnen, sonst versteht man nicht viel, soll heißen, die Geschichten sind nicht separat und unabhängig voneinander lesbar, sondern haben alle miteinander eine einzige Storyline, die sich von Buch zu Buch aufbaut.

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Fazit: Toller zweiter Teil der Reihe, der mir persönlich noch besser als Band 1 gefallen hat.

©2021 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Echo von Thomas Olde Heuvelt

Erschienen als Taschenbuch
bei Heyne
insgesamt 718 Seiten
Preis: 17,00 €
ISBN: 978-3-453-32098-7
Kategorie: Drama, Mystery, Horror

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Nick besteigt mit seinem Freund den Berg Maudit, der in der Schweiz liegt und über den so gut wie nichts bekannt ist. Sie spüren bereits beim Aufstieg, dass der Berg von einer unheimlichen Macht erfüllt wird. Als dann ein Unglück geschieht, wird nicht nur Nick in einen Sog des Grauens gezogen, sondern auch dessen Lebensgefährte Sam und immer mehr Menschen in seinem Umfeld …

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Da mich Heuvelts Roman „Hex“ schon extrem fasziniert hat, war ich natürlich gespannt, was er mit seinem neuen Roman abgeliefert hat. „Echo“ übertrifft „Hex“ sogar noch, denn der Autor hat das Thema des Bergsteigens in Verbindung mit den mystischen Eigenschaften örtlicher Legenden, die sich um solch einen Berg ranken, komplex und geradezu hypnotisch beschrieben, sodass man das Buch wirklich nur sehr schwer aus der Hand legen kann. Über 700 Seiten lang begleiten wir die Personen durch einen Albtraum, der Realität und Einbildung verschmelzen lässt. Für manch einen mögen die langatmigen Beschreibungen langweilig sein, für andere (und dazu zähle ich mich) ist es geradezu eine literarische Offenbarung, die der in den Niederlanden geborene Autor hier präsentiert. Heuvelt verbreitet von der ersten bis zur letzten Seite eine Atmosphäre, wie man sie selten so konsequent in Romanen vorfindet (am ehesten fällt mir da noch das grandiose Meisterwerk „Terror“ von Dan Simmons ein). „Echo“ ist wie ein Rausch, wie ein Sog, der seine Leserschaft unweigerlich mitzieht und nicht mehr loslässt.

Okay, zugegebenermaßen haben mich anfangs die eingestreuten englischen Ausdrücke (die ja mittlerweile zum größten Teil leider eingedeutscht sind) etwas gestört, aber im Verlaufe des Buches habe ich mich zum einen daran gewöhnt und zum anderen spiegelte es den Charakter des Protagonisten und auch die Stimmung dann doch auf ziemlich geniale Weise wider. Bei diesem Aspekt muss man sich einfach darauf einlassen. Und auch wenn man solcherart Denglish nicht mag, so schmälert diese Tatsache keineswegs die Spannung und die auf jeder Seite spürbare unheimliche Atmosphäre. „Echo“ ist ein literarischer Trip erster Güte, den man nicht mehr so schnell vergessen dürfte. Ich könnte mir das Ganze übrigens auch unheimlich gut als Verfilmung vorstellen. Heuvelt spielt hier mit der Sprache, bewegt sich trotz der umgangssprachlichen Elemente auf einem sehr hohen Niveau und beschreibt die Ereignisse mit einer bildhaften Sprache, die einen immer wieder in Erstaunen versetzt. Vor allem der Unfall in den Bergen hat mich vollkommen umgehauen. Ich konnte die Kälte und die Angst spüren, und das so intensiv, dass diese Zeilen manchmal sogar unangenehm wurden, so erdrückend war diese Situation geschildert. Diese Stelle(n) waren für mich Höhepunkte des Buches, die mich absolut in ihren Bann schlugen.

Was mir außerdem äußerst gut gefallen hat, ist die Tatsache, dass „Echo“ ein Genre-Hybrid ist, der sich nicht um die gängigen Konventionen der Literaturrichtungen schert, die er behandelt. Heuvelt erzählt schlichtweg eine Geschichte und kümmert sich nicht darum, ob diese nun in die Kategorie Mystery, Horror oder Drama fällt. Hier zählt die Story und nicht das Genre. Und das macht „Echo“ auch aus, man weiß nie, was einen als nächstes erwartet, ob es die stürmischen Höhen des Berges sind, die Liebesgeschichte zwischen Nick und Sam, die Beziehung zwischen den anderen Personen, die mysteriösen Vorgänge, die Nick auslöst oder das seltsame Verhalten der Bergdorf-Bevölkerung. „Echo“ ist Literatur, wie sie sein sollte: überraschend, spannend, innovativ und flüssig zu lesen. Für mich eines der Jahreshighlights 2021, daher würde ich mich umso mehr freuen, wenn noch mehr Werke dieses Ausnahmeautors ins Deutsche übersetzt werden würden.

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Fazit: Unheimlich, mysteriös, spannend, melancholisch, poetisch. Ein literarisches Meisterwerk.

©2021 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Bowie Odyssee 70 von Simon Goddard

Erschienen als Taschenbuch
im Hannibal Verlag
insgesamt 208 Seiten
Preis: 20,00 €
ISBN: 978-3-85445-712-1
Kategorie: Biografie

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Bildhaft geschriebene Biografie über die Anfänge von David Bowie.

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Es gibt wohl kaum jemanden, der den Namen David Bowie nicht kennt. Aber die meisten verbinden diesen Ausnahmekünstler mit seinen weltweit erfolgreichen Hits wie „China Girl“ oder „Let’s Dance“. Wer sich für die gesamte Diskografie dieses Musikers interessierst, weiß, wie vielfältig Bowie sein kann und wie extravagant er seine unvergleichliche Karriere begann. Das vorliegende Buch ist vor allem auch für Menschen interessant, die sich nicht nur für David Bowie begeistern, sondern auch etwas über die musikalische Entwicklung dieser Zeit und auch die damaligen Lebensgewohnheiten wissen wollen. Autor Simon Goddard beschreibt sehr bildhaft, wie die 1970er-Jahre waren, entführt seine Leser in eine Welt, in der vieles anders als heute gehandhabt wurde. Wir begleiten den jungen David Bowie auf seiner Reise in den Erfolg, lernen sehr eindringlich die damalige Zeit kennen und kommen des Öfteren mit Marc Bolan, den charismatischen Sänger der Band T. Rex, in Berührung. Wer also meint, eine reine Biografie über David Bowie zu lesen, könnte unter Umständen ein wenig enttäuscht werden, denn Goddard ist ausschweifend in seinen Beschreibungen der 1970er-Jahre.

„Bowie Odyssee 70“ ist ein besonderes Buch, das sich von anderen Biografien abhebt, in dem es sich nämlich nicht nur ausschließlich auf den Künstler selbst, sondern vielmehr auch auf sein Umfeld konzentriert. Dadurch versteht man aber letztendlich vieles, was den Menschen und Künstler David Bowie in seiner Ganzheit ausmacht. Wenn man diesen Mann durch eine relativ kurze Phase seines Lebens begleitet, spürt man die Dynamik und Kraft, die hinter diesem Musiker steckt und man hört die ersten Alben plötzlich mit anderen Ohren. Gerade die Anfangsjahre begründeten auch die Gerüchte und Spekulationen von Bowies Homosexualität und vor allem auch sein androgynes Auftreten. Es macht unglaublich Spaß, sich für ein paar (Lese-)Stunden in einer Welt aufzuhalten, die mit unserer heutigen nur noch (leider) relativ wenig zu tun hat. Man spürt auf jeder Seite, wie sich die Welt der Musik entwickelt hat und die Künstler neue Wege eingeschlagen haben. Das Buch ist eine faszinierende Reise in die Vergangenheit, in der man sich als Musikinteressierter absolut wohl fühlt.

Gerade weil Goddard einen (zumindest für die breite Masse) relativ unbekannten Lebensabschnitt behandelt, erfährt man hier viele Details, von denen man tatsächlich noch nichts gehört hat. Was mir persönlich besonders gefallen hat, war die Freundschaft (aber auch Konkurrenz) zwischen David Bowie und Marc Bolan. Man konnte sich diese Beziehung absolut gut, fast wie in einem Film vorstellen, so detailgenau und ausführlich wurde sie beschrieben. Auch hier bekam ich einen vollkommen neuen Bezug zu Bowies ersten Alben und auch der Musik von T. Rex. Insgesamt empfand ich diese Biografie als sehr außergewöhnlich, weil sie, wie oben bereits beschrieben, nicht nur den Künstler David Bowie beleuchtet, sondern auch ein Bild jenes Jahrzehnts aufzeigt, das, im Gesamten betrachtet, Bowies Leben und Karriere greifbarer als bislang macht. Ich habe das Buch sehr genossen und kann es aus voller Überzeugung empfehlen. Für Bowie-Fans ein Muss, für alle anderen ein beeindruckender Ausflug in die musikalische Welt der 1970er-Jahre.

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Fazit: Ein wunderbarer Ausflug in die 1970er-Jahre, in denen die unglaubliche Karriere von David Bowie begann.

©2021 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Der Flug des Raben von Richard Wagamese

Der Flug des Raben von Richard Wagamese

Erschienen als gebundene Ausgabe
im Blessing Verlag
insgesamt 304 Seiten
Preis: 24,00 €
ISBN: 978-3-89667-718-1
Kategorie: Drama, Abenteuer, Belletristik

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Garnet Raven wächst bei einer Pflegefamilie in einer Großstadt auf. Er weiß nicht viel über die Kultur der Indianer, von denen er abstammt. Erst als ihn ein Brief seines Bruder erreicht, beschäftigt sich Garnet mit seinen Vorfahren … und erfährt dabei, was es heißt, mit der Natur und alten Bräuchen eins zu werden.

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Auch wenn man weiß, was einen bei einem Roman von Richard Wagamese erwartet, so schafft der Autor es dennoch, immer wieder zu überraschen und zu begeistern. „Der Flug des Raben“ ist eigentlich Wagameses Debütroman, doch im Vergleich zu seinen nachfolgenden Werken kann man keinerlei „Anfängerschwierigkeiten“ entdecken. Ganz im Gegenteil, Wagamese nimmt seine Leser erneut mit auf eine philosophische Reise in die Kultur der Indianer, bei der wir permanent daran erinnert werden, dass wir den Bezug zum Leben und den wirklich wichtigen Dinge schon längst verloren haben. Wagameses Romane sind Fluchten in eine bessere und geistig wertvolle Welt, die man gar nicht mehr verlassen möchte.
„Der Flug des Raben“ zeigt bereits das Erfolgsrezept des Autors: Eine alte, teils vergessene Kultur vermischt sich mit dem modernen Leben und zeigt auf, was sein sollte, aber leider längst nicht mehr ist. Es sind die simplen Lebensweisheiten und die herzlichen Charaktere, die das Werk von Richard Wagamese ausmachen und denen man von den ersten Seiten an verfällt. Seine Geschichten sind so voller Leben und Liebe, dass man am liebsten zwischen die Seiten klettern will, um hautnah mit dabei sein zu können.

Wagameses Schreibstil ist unglaublich flüssig, sodass man nicht aufhören kann und eine Seite nach der anderen „inhaliert“. Ich fühle mich in jedem seiner Bücher wohl, und vor allem danach. Richard Wagamese ist einer jener Schriftsteller, die „einfach“ nur eine Geschichte erzählen, und das auch perfekt beherrschen. Und, wie bei allen seinen Roman, zeigt der Autor auch bei „Der Flug des Raben“ eindringlich auf, wie sehr die indigene Bevölkerung oftmals unter den Einflüssen der „weißen“ Menschen zu leiden hat, die natürlich in keiner Weise den Lebensstil und die Verbundenheit zur Natur nachvollziehen können, zumindest die meisten können es leider nicht. Aus diesem Grund finde ich Wagameses Bücher enorm wichtig, um wenigstens einen Teil der Menschen mit diesen Problemen und Erkenntnissen zu konfrontieren. Ich bin daher sehr froh, dass sich der Blessing Verlag den Werken Wagameses annimmt und diese veröffentlicht. Doch es sind nicht nur ernste, philosophische Passagen, die zum Nachdenken anregen und das Buch ausmachen, sondern auch ein ganz spezieller Humor, der auf tolle Art und Weise auf den Leser überspringt. Ja, man muss sich auf diese literarische Reise einlassen und darf keinen actionhaltigen Roman erwarten. Ruhig und stimmungsvoll wird die Geschichte von Garnet erzählt, sodass man während des Lesens die Zeit vergisst und sogar ein klein bisschen selbst zum Indianer wird.

Wagamese behandelt in seinem Roman (in seinen Romanen) immer wieder Aspekte, die gerade in der heutigen Zeit eine enorme Bedeutung haben und aus der Bevölkerung bessere Menschen machen könnte. Ich persönlich kann mich jedenfalls absolut in seine Geschichten fallen lassen und die Welt um mich herum vergessen. „Der Flug des Raben“ reiht sich also nahtlos in die bemerkenswerte Bibliografie des indigenen Schriftstellers ein. Und, was mir optisch ebenfalls unglaublich gut gefällt, ist, dass sich der Verlag konsequent daran gehalten hat, Wagameses Bücher ein gleiches Bild bezüglich des Schutzumschlages zu verleihen. Die bislang drei erschienenen Bücher machen sich dadurch sehr gut im Bücherregal.

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Fazit: Philosophisch und zum Nachdenken anregend. Ein weiteres Meisterwerk aus der Feder von Richard Wagamese.

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