Türke aber trotzdem intelligent von Selcuk Cara

Selcuk Cara
192 Seiten
Klappenbroschur
ISBN 978-3-8419-0364-8
Autobiographie/Erfahrungsbericht

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Selcuk Cara wurde 1969 in Deutschland als Kind türkischer Eltern geboren und gilt hierzulande als Ausländer. Doch wenn er in seine „Heimat“ kommt ist er: Ausländer! Weil er ihn Deutschland geboren wurde und lebt und irgendwie ziemlich deutsch ist. Aber  Heimat, was ist das? Wo ist das? Schon ein schönes Dilemma, so irgendwie. 

Selcuk Cara hat eine Kindheit, die eigentlich wie jede andere und trotzdem total anders ist. Er gewährt dem Leser einen Einblick in sein Leben. Wie das so war als Türke in einer Kleinstadt, der aber so westlich ist, das er eben gar nicht wirklich türkisch ist. 

Ein Erfahrungsbericht. Eine Geschichte, seine Geschichte. Normal, total unnormal, traurig, lustig, verrückt und absolut sympathisch ….

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Gestoßen bin auf das Werk in einem 1€-Shop. Das zweite tolle Buch übrigens, das ich dort geschnappt habe. Ich nahm es in die Hand wegen dem Titel, der mir sofort ins Auge sprang und mich denken ließ: „Was für eine Frechheit!“. Dann dachte ich, dass es vielleicht so ein „Comedy-Ding“ ist, was ich überhaupt nicht leiden kann. Aber nein. Ein Türke, geboren in Deutschland und zwar 1969. „Genauso alt wie ich“ dachte ich so, las den Klappentext und nahm es mit. 

Ich fühlte mich mit Selcuk Cara gleich verbunden. Ich bin auch im „Ghetto“ von Ratingen aufgewachsen. „Papageienhaus“, 13 Etagen. Das war auch nicht die tollste Gegend, aber ich habe da sehr gerne gewohnt. Wir waren ein Haufen Kinder aus allen Klassen und vielen Ländern. Auf jeder Etage wohnte ein Freund/eine Freundin. Im Nachbarhaus auf der Erfurterstraße wohnte mein erster ausländischer Freund (Spielfreund): Nico T. hieß er. Er war genauso griechisch, wie ich Niederländerin. Wir hatten beide diese „fremde“ Staatsangehörigkeit, ansonsten war er so deutsch wie ich. Wir hatten viel Spaß. Dann gab es den Jungen, von dem ich meinen ersten Kuss bekam. Lino C., leider inzwischen verstorben. Er war Italiener, eigentlich. Zumindest die Eltern. Man liest schon heraus, damals Mitte/Ende der 1970er Jahre, da war es uns Kindern total egal, aus welchem Land unsere Freunde kamen. Im Gegenteil, es war sogar toll, wenn man bei den Kindern mal in die Wohnung kam und dort Leckereien bekam, die man so gar nicht kannte. Machte Oma schließlich nur Kartoffeln und Marmorkuchen ☺

Selcuk Cara ist seinen Weg gegangen und er lässt den Leser daran teilhaben. Als Junge, der nach Anatolien zu seinem Großvater fuhr und sich fremd fühlte. Als  Klavierschüler, dessen Klavierlehrerin wohl bereits im dritten Reich gespielt hat und der Meinung war, dass der Selcuk intelligent ist, obwohl er doch Türke ist! Als Abiturient, der verlauten lässt, dass er Opernsänger werden wird. Ein Student, der zusammen mit seinem farbigen Kommilitonen die blöden Leute in der Bahn mit einer Show konfrontiert, die mich ganz breit hat grinsen lassen.

Ich fand dieses Buch einfach nur genial. Selcuk Cara ist ein Mensch, der sehr sympathisch ist mit seiner ehrlichen und offenen Art. Der sagt, was er denkt und sich einen „Dreck“ schert um Dinge, die ihm keiner zugetraut hat. Mittlerweile ist er 50 Jahre alt und führt u.a. Regie bei deutschen Opern. Er kennt die Opern mit seinen türkischen Wurzeln wohl besser als so manch Deutscher. Ich selbst habe schon einige Opern gesehen, aber noch keine deutsche. Es wäre schön, eine von ihm inszenierte Aufführung zu besuchen. 

Ich gebe eine unbedingte Leseempfehlung für das Buch und unten gibt es noch einen kleinen Trailer mit Selcuk Cara.

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Der geheimnislose Junge von Stephan Brüggenthies (5/5)

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Erhältlich als gebundene Ausgabe
Eichborn Verlag
Preis: 16,95 €
ISBN-Nr.: 978-3-8218-5849-4

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Zbigniew Meier, Hauptkommisar bei der Kölner Stadtpolizei, ermittelt in seinem ersten Fall. Der wohlbehütete 15-jährige Timo Linder wird vermisst. Sohn einflussreicher und wohlhabender Eltern, Eliteschüler und auf den ersten Blick eben absolut geheimnislos. Unauffällig gegenüber seinen Mitschülern, sehr wohl gemocht aber dennoch meist für sich. Er beschäftigt sich in seiner Freizeit anscheinend ausschließlich mit Büchern und klassischer Musik.

Meier kommt das Verhalten der Eltern irgendwie seltsam vor und daher streckt er seine Fühler ein wenig aus. Nach und nach entsteht immer mehr der Eindruck, dass Timo abgehauen ist. Das er einfach die Nase voll hatte von seinem Elternhaus. Immer an der „kurzen Leine“ gehalten und ausserdem hatte er zu Hause eigentlich keinerlei Privatsphäre.

Zbigniew Meier bekommt plötzlich aus Turin die Nachricht, dass der Torso eines Jungen gefunden wurde. Grausam verstümmelt und vor seinem Tode auf schwerste Art und Weise missbraucht. Handelt es sich um Timo? Was hatte der Junge für Verbindungen nach Turin? Meier setzt sich in den nächsten Flieger und ermittelt weiter, sein Bauchgefühl lässt ihm einfach keine Ruhe….

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Das soll es zum Anriss der Handlung gewesen sein. In dem 510 Seiten starken Buch, erschienen als schöne gebundene Ausgabe im Eichborn Verlag, umhüllt von einem sehr ansprechenden, geprägten Schutzumschlag mit tollem Cover, steckt noch soviel anderes.

Dies ist der Debütroman von Stephan Brüggenthies und der hat es wahrlich in sich. Der Buchtrailer beschreibt ihn als düster. Das kann ich sicherlich unterschreiben, das ist er und an vielen Stellen auch wirklich krass. Dennoch verbirgt sich in der Story sehr viel mehr.

Der Charakter des Kommisars Meier ist sehr sympathisch. Ein greifbarer Typ von 37 Jahren, der die Stadt in der er lebt – Köln – liebt und dies auch gerne zum Ausdruck bringt. Der eine 17-jährige Freundin hat, was alles andere als einfach im Alltag ist. Ein Mensch, der nicht aufgibt, sei es wegen extremer Gefahren oder dem lästigen Bandscheibenvorfall, der ihn lahmzulegen droht.

Es macht einfach Spass dabei zu sein und ihm über die Schulter zu schauen. Es gibt einige Nebenhandlungen, die die Story auflockern und ihr immer wieder ein wenig die Dramatik nehmen, wobei der Spannungsbogen trotz allem sehr hoch und straff gespannt ist. Man hat halt nur ab und an mal Zeit kurz aufzuatmen.

Auch die anderen Figuren, Lena (Zbigniews Freundin), Zeynel (Meiers Kollege), der Staatsanwalt Lachmann oder die Tonia Lindner (die Mutter des Opfers). Sie alle wirken echt und nicht überzogen oder künstlich geschaffen.

Ich habe ja nun den zweiten Teil um den Kommisar „Die tote Schwester“ zuerst gelesen und genauso würde ich es eigentlich nicht machen. Nun, es hat sich einfach so ergeben. Und natürlich hätte ich die ein oder andere Anspielung im zweiten Teil besser verstanden, hätte ich dieses Buch zuerst gelesen. Aber dem Verständnis hat es nicht geschadet. Und ich muss sagen, es war gar nicht uninteressant nun zu erfahren, warum diese Situationen im Folgeteil dann so waren.

Brüggenthies hat einen Roman geschaffen, der einfach fesselt und mitreisst. Er ist sicherlich sehr düster aber auch oft humorvoll und auch die erotischen Passagen sind sehr gut. Hier schreibt Brüggenthies nicht um den heißen Brei, er nimmt kein Blatt vor den Mund. Stellenweise erschafft er hier eine Situationskomik, die absolutes John Irving Niveau hat.

Der Autor schreibt in einem sehr guten Stil, sprachlich gefällt mir der Roman sehr gut und die „Mischung“ stimmt einfach. Da spiegelt sich wohl die Erfahrung als Drehbuchautor für Tatort-Krimis wieder. Wobei ich die Krimis aus Papier vorziehe 😉

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Mein Fazit: Volle Punktzahl – 5 von 5 Sternen – der Roman ist absolut fesselnd, spannend, toll geschrieben und sehr empfehlenswert!

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Ich hoffe, dass der Eichborn Verlag es irgendwie schafft, der Insolvenz zu entgehen. Der Verlag ist sehr sympathisch und präsentiert tolle Bücher.

Wer Lust hat sich einmal den Buchtrailer zum Roman anzusehen, der klicke bitte auf den unten stehenden Link (dann ein bisschen runterscrollen). Dort können interessierte Leser auch das Buch bestellen, wobei diese Romane sogar in den Buchhandlungen ausliegen (Lob!).

Und wer dann noch neugieriger auf den Schrifsteller Stephan Brüggenthies ist, der kann hier an dieser Stelle in naher Zukunft ein Interview lesen, ich freue mich schon darauf.

—> BUCHTRAILER „DER GEHEIMNSLOSE JUNGE“ <—

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Zur Homepage des Autors gibt es auch einen Link, einfach auf das Foto klicken, dann seid ihr da:

Zu guter Letzt geht mein herzlicher Dank für die Bereitstellung des Rezensionexemplares an den

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