Cheap Chops of Horror von Patrick Peters

Cheap

Erschienen als Taschenbuch
im Eigenverlag
238 Seiten
9,99 €
ISBN: 978-179198921-7
Kategorie: Anthologie, Horror, Hardcore

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Diese Kurzgeschichten sprengen die Realität. Elf Stories, die unterschiedlicher nicht sein könnten, entführen den Leser in eine andere Welt: Krieg, Pornosucht, Untreue, Mord, Rache, Geister aus der Vergangenheit, Splatter, Internetwahnsinn und ein Tor in die Hölle.

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Es macht immer wieder ungemein Spaß, wenn man einen neuen Autor entdeckt, der weiß, wie man mit Worten umgeht und der ein hervorragendes Gespür für Sprache hat. So geschehen bei Patrick Peters, der mich mit seiner Anthologie „Cheap Chops of Horror“ schon beim ersten Satz packen konnte, der da lautet: „Alberts Lächeln zerplatzte, als ihn das Schrapnell mitten ins Gesicht traf.“ Damit hat mich Peters gekriegt und ich konnte das Buch für die nächsten beiden Geschichten nicht mehr aus der Hand legen, so fasziniert war ich von seiner Ausdrucksweise. Noch faszinierender fand ich, dass der Autor unter anderem Themen behandelt, die unter die Rubrik „Extrem Horror“ fallen, bei ihm aber dennoch ein hohes Niveau vorweisen, was bei vielen Büchern dieser Art leider nicht der Fall ist. Patrick Peters weiß sich also auszudrücken und das ist auch schon der erste Punkt, der an dieser Anthologie absolut hervorzuheben ist.

Doch es ist nicht nur der wunderbare, flüssige Schreibstil, der diese Horrorgeschichten gegenüber den meisten anderen auf dem Markt hervorhebt, es sind auch noch die uneingeschränkt genialen Ideen und Plots, die in jeder Hinsicht überzeugen. Peters schreibt sehr hochwertig, aber auch sehr bildhaft, so dass man jede seiner Szenen als Film vor sich sieht, was dem Schriftsteller einen zusätzlichen Punkt verschafft. Jede seiner Stories hat einen gewissen Reiz, dem man unverzüglich verfällt und der einen dann auch bis zum Ende nicht mehr loslässt. Wie man aus meinen Worten herauslesen kann, bin ich ein klein wenig begeistert. 😉 Patrick Peters hat auf jeden Fall in mir einen neuen Fan gefunden, der schon jetzt ziemlich neugierig ist, was da Neues auf ihn zukommt. Aufgrund des hervorragenden Schreibstils würde ich mir auf alle Fälle einen Roman von ihm wünschen, denn ich könnte mir da eine sehr atmosphärische Geschichte vorstellen.

Zurück zur vorliegenden Anthologie: Es sind einige Geschichten, die mir besonders gefallen haben. Darunter befindet sich auf alle Fälle „Whatsdeath“, die ich fast als meine Lieblingsstory bezeichnen möchte. Dieser hochaktuelle Umgang mit der Problematik  sozialer Medien hat mich geflasht, weil sehr viel Wahres (und Erschreckendes) in dieser Geschichte steckt. Aber auch „Third Roommate“ oder „Kill The Bloody Ghosts“ haben es storytechnisch in sich. Peters’ Geschichten ergeben Sinn, regen zum Nachdenken an und in ihnen verstecken sich oftmals sozialkritische Aspekte zwischen den Zeilen. Das gefällt mir und es macht unglaublich Spaß, diese Ergebnisse zu lesen. Interessant ist auch, dass sich der Autor auf verschiedenen Ebenen bewegen kann: vom klassischen Horror über Science-Fiction angehauchte Krimis bis hin zu fast schon pornografischen Odysseen kann er über so ziemlich alles erzählen und behält dabei immer ein gewisses, sprachliches Niveau, das mich überzeugt. Peters begibt sich zwar des Öfteren unter die Gürtellinie, verlässt aber niemals die sprachliche Qualität dabei.

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Fazit: Uneingeschränkte Leseempfehlung für Freunde harter Kost, die sich aber immerzu auf sprachlich hohem Niveau bewegt und zum Nachdenken anregt.

© 2020 Wolfgang Brunner für Buchwelten

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Von Beruf Schriftsteller von Haruki Murakami

Von Beruf Schriftsteller von Haruki Murakami

Erschienen als Taschenbuch
im btb Verlag
insgesamt 235 Seiten
Preis: 11,00 €
ISBN: 978-3-442-71694-5
Kategorie: Drama, Belletristik, Gegenwartsliteratur

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Haruki Murakami, Bestsellerautor aus Japan, spricht nicht gerne über sich selbst. Doch nun bricht er das Schweigen und lässt uns an seinem Leben als Schriftsteller teilhaben. Endlich kann man einem der erfolgreichsten Schriftsteller unserer Zeit ein klein wenig näher kommen.

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Stephen King hat mit seinem Buch „Das Leben und das Schreiben“  vor Jahren einen ähnlichen Weg eingeschlagen wie es Murakami nun mit seinen Essays tut. Endlich erfährt der interessierte Leser, wie Haruki Murakami „tickt“, welcher Mensch sich hinter den genialen Büchern versteckt, die die Welt und eine große, begeisterte Leserschar eroberten. Murakami weiß auch mit seiner „Autobiografie“ zu überzeugen und zu fesseln. Man bekommt Einblick in seine Vergangenheit, wie schwer es für ihn war, als Schriftsteller erfolgreich zu sein, und erfährt einiges über seine Arbeits- und Denkweise. Da ich selbst Schriftsteller bin, ging ich natürlich mit einer gewissen Erwartungshaltung an dieses Buch heran, weil ich mir, wie bei dem oben erwähnten Buch von Stephen King, erhofft hatte, einmal etwas tiefer in die Arbeitsweise dieses genialen Autors eindringen zu können. Leider hält sich Murakami da weitaus mehr zurück als sein Kollege King und gibt bedeutend weniger preis.

Nichtsdestotrotz ist das vorliegende Buch sehr interessant, weil es eben zeigt, wie Murakami denkt und handelt. Letztendlich ist „Von Beruf Schriftsteller“ allerdings oftmals belanglos, weil es sich bei den Essays lediglich um Gedankengänge des Autors über „Gott und die Welt“ handelt. In dieser Hinsicht kann der Titel des Buches leider täuschen und eine falsche Vorstellung des Inhalts vorgaukeln. ich persönlich hatte dennoch großen Spaß an den Überlegungen Murakamis, durch die man den Menschen hinter dem scheuen Schriftsteller erkennen kann. Aber der gewisse Kick, den man erwartet hat, fehlt letztendlich. Wer sich mit Haruki Murakami ein bisschen beschäftigt hat und seine Romane kennt, erfährt irgendwie dann doch nichts Neues. Murakami hält sich mit zu vielen Belanglosigkeiten auf, die den Leser im Grunde genommen (und wäre es nicht aus der Feder von Haruki Murakami) eigentlich nicht interessieren. Allerdings sollte man berücksichtigen, dass Murakami dieses Buch nie als Autobiografie beziehungsweise „Lehrbuch für angehende Schriftsteller“ betrachtet hat, sondern schlichtweg seinen Gedanken, egal zu welcher Thematik, freien Lauf lassen wollte. Liest man dieses Werk also unter dieser Perspektive, so besitzt es durchaus einen gewissen Unterhaltungswert, der zu unterhalten vermag.
Hervorzuheben ist auf jeden Fall, dass Murakami nichts beschönigt, sondern genau das schreibt, was er denkt. Das betrifft vor allem seine Einstellung und Meinung über Literaturpreise. Seine Ausführungen darüber haben mich zugegebenermaßen beeindruckt.

„Von Beruf Schriftsteller“ ist auf jeden Fall in erster Linie ein Buch für Fans von Haruki Murakami. Wer noch nie etwas von ihm gelesen hat, wird seinen Gedankengängen oft nicht ganz folgen können. Die Essays sind teilweise oberflächlich geschrieben und könnten auf jeden x-beliebigen Menschen passen, manchmal erscheinen sie einem aber auch, als würde Murakami seinen Lesern wirklich Einblick in seinen Kopf gewähren. Das vorliegende Werk macht Murakami aber nicht sympathischer oder unsympathischer, sondern es hinterlässt den Leser sogar mit einer leichten Unzufriedenheit, weil man eigentlich mehr erwartet hat. Ein wenig haben mich die Essays an Umberto Ecos „Über Gott und die Welt“ erinnert, in denen ebenfalls über verschiedene Dinge „geplaudert“ wurde.
Trotz aller Kritik mochte ich das Buch komischerweise. Weil es kurzweilig geschrieben ist und interessante Themen und Ansichten darüber behandelt. Würde ich mehr über das Schreiben eines berühmten Schriftstellerkollegen erfahren wollen, zöge ich Stephen Kings „Über das Leben und Schreiben“ immer wieder vor. Denn in diesem Buch liegt einfach mehr „Seele“ und Emotion. Murakami hingegen schreibt kühl und distanziert, als handele es sich beim Schreiben lediglich um eine automatisierte Tätigkeit und nicht um einen emotionalen Vorgang. Murakami beherrscht sein Handwerk zweifellos (das tut Stephen King aber auch), doch wenn man seine Arbeitsweise liest, fehlen die Gefühle, die meiner Meinung nach beim Schreiben auch eine sehr wichtige Rolle spielen (sowohl die des Autors während des Schreibens, als auch die der Protagonisten).

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Fazit: Interessanter Einblick in die Gedankenwelt Haruki Murakamis, aber leider etwas distanziert und kühl verfasst.

© 2018 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Sommer 1985 von Michael Schröder

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Erhältlich als Taschenbuch bei
Michael Schröder/Create Space
Preis: 12,90 € Taschenbuch
& 3,99 € als Kindle Edition
ISBN-Nr.: 978-1521887653
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Vier Jungs, beste Freunde, 12 Jahre alt und an der Schwelle zwischen Kindheit und Teenager, verbringen jede freie Minute miteinander. Jeder kennt die vier Jungs im Ort. Ob gleichaltrige oder ältere Leute, immer hängen die vier zusammen, das weiß jeder.

Damals, zu Zeiten ohne Internet und Computerspiele, spielte sich das Leben draußen ab. Abenteuer, Freiheit, Spielen und Unsinn machen. Eine eigene Hütte hatten die Jungs in der „Erdekraut“ sich gebaut. Nicht komfortabel und nicht stabil. Aber das war total egal. Sie trafen sich dort und fühlten sich wohl. Genossen jeden Tag ihres Lebens in vollen Zügen … bis zum Sommer 1985, genauer gesagt: dem 14.08.1985. Urplötzlich änderte sich alles, die schönen Zeiten waren vorbei. Es ereignete sich etwas, dass die Leben der vier Jungs für immer verändern sollte. Ein Alptraum, der wahr wurde und sich nur so halbwegs überstehen ließ, indem sie zusammen hielten. Sie taten das, was sie immer schon am besten konnten. Sich aufeinander verlassen, denn sie waren Freunde.

Zwanzig Jahre später nimmt sich einer der Jungs von damals das Leben und schlagartig werden die verbliebenen Freunde in besagten Sommer zurück katapultiert, den Sommer 1985 ….

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Wie steht es am Ende des Buches in ‚über den Autor‘ geschrieben: „Die Geschichten begeistern seinen kleinen, feinen Lesekreis immer wieder ….“. Das stimmt und da gehöre ich von Anfang an dazu. Ich habe bislang alle Bücher von Michael Schröder gelesen und alle gefielen sie mir sehr gut. Das erste „Jeder Tag endet mit dem Tod“ las ich bereits vor 6 Jahren, also im Jahr 2011. Dieser Roman entstand jedoch, wie ich erfahren habe, noch davor und wurde jetzt erst auf persönlichen Wunsch einer guten Freundin des Autors publiziert.

Und ich kann nur sagen, dass „Sommer 1985“ für mich sein bestes Buch überhaupt ist. Ich bin absolut begeistert, wie Michael Schröder es geschafft hat, diese Gratwanderung zwischen dem Schrecken, Grauen, Ekelhaften, Brutalen und Widerwärtigen sowie den schönen und tiefen Gefühlen, den stillen Momenten, der Freundschaft und Angst zu meistern. Ich will natürlich nicht zuviel verraten, denn die Spannung um die Handlung soll erhalten bleiben aber der Autor erschafft hier eine Stimmung, die an Romane/Filme wie „Stand by me“ oder „ES“ erinnert (die Barrens lassen grüßen) oder auch an „Mr. Mercedes“ bzw. „Mind Control“. Ja, Michael Schröder ist selbst Fan besagten Schriftstellers, aber er macht ihn keinesfalls nach. Er erschafft nur eine ähnliche Stimmung, was ihm übrigens sehr gut gelingt.

Aber dennoch möchte ich zart besaitete Leser vorwarnen. Schröder beschreibt heftig, brutal und erschreckend real. Ich selbst war sehr erschrocken, aufgewühlt und angewidert in diesen Momenten, aber für mich gehörte es genau so wie er es beschrieben hat in diese Handlung.

Michael Schröder springt immer wieder zurück in die Vergangenheit und lässt uns so teilhaben an diesem Sommer 1985, auch vor dem schrecklichen Vorfall. Ich als Kind/Teenager genau der gleichen Zeit fühlte mich dort natürlich pudelwohl und habe irgendwie auch nochmal meine eigene Kindheit wieder erlebt. Michael Schröder scheint diese Zeit genauso zu lieben, denn immer wieder landet er in seinen Geschichten in dieser Zeit.
Dennoch, Schröder schreibt nie in einem festen Genre, sondern immer einfach das, wo er gerade Lust drauf hat. Darum sind seine Romane auch alle unterschiedlich und keine Schema-F-Schreibe. Sein Schreibstil ist gewohnt gut und schön ausformuliert und auch wenn die Jungs umgangssprachlich reden, wird die Sprache niemals flach und trivial.

Für mich bleibt wieder einmal die traurige Feststellung, wieviele gute Autoren, von den großen Verlagen unerkannt und unbemerkt, geniale Romane neben ihren Brotjobs schreiben und diese dann entweder in kleinen Verlagen oder – so wie hier – in Eigenregie publizieren. Traurig aber wahr. Zwischen den Massen an Büchern, die keinesfalls alle gut sind, dennoch im Handel ausliegen, haben solch tolle Werke leider kaum eine Chance.

Zu guter Letzt die Info, dass Michael Schröder bereits ein neues Projekt in Angriff genommen hat. Ich verrate nicht, worum es geht, aber möchte meinen Lesern nicht vorenthalten, dass er es mir bei einem persönlichen Treffen vor kurzer Zeit auf dem Viktualienmarkt in München erzählt hat :-). Nach vielen Jahren – auch langer Facebook-Freundschaft – haben Wolfgang und ich uns im Urlaub mit ihm getroffen und auch wenn es kurz war: Es war sehr lustig und Michael Schröder ist ein sehr netter Kerl! Wir werden das unbedingt wiederholen.

Mein Fazit: Ein spannender, hoch dramatisch und erschreckender Roman, der dennoch durch die wunderbare Stimmung auch immer wieder ruhige Momente liefert. Meine absolute Leseempfehlung!

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Links zu Rezensionen / Interview:

Jeder Tag endet mit dem Tod

131 Briefe

Schicksal

Buchwelten im Gespräch mit Michael Schröder

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© Marion Brunner _ Buchwelten 2017

Wolfgang Brunner im Gespräch mit Andreas Brandhorst

Wolfgang Brunner im Gespräch mit Andreas Brandhorst

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Andreas Brandhorst wurde im Mai 1956 im norddeutschen Sielhorst geboren und begann bereits im Jahr 1975, Heftromane im Bereich Fantasy- und Science-Fiction zu schreiben. Nachdem er sich 1984 mit seiner Familie in Italien niederließ, übersetzte er hauptsächlich, u.a. Terry Pratchetts Scheibenweltromane. Anfang der 2000er-Jahre verlagerte Brandhorst den Schwerpunkt seiner Tätigkeit wieder auf das eigene Schreiben und erzielte mit seiner aus »Diamant«, »Der Metamorph« und »Der Zeitkrieg« bestehenden Kantaki-Trilogie einen großen Erfolg. Mit den visionären Zukunftsvisionen der nachfolgenden Romane verschaffte sich Andreas Brandhorst eine stets anwachsende Fangemeinde und zählt heute zu den erfolgreichsten Science Fiction-Schriftstellern Deutschlands. 2016 wurde sein Roman „Das Schiff“ mit dem Deutschen Science Fiction Preis (DSFP) und dem Kurd-Laßwitz-Preis ausgezeichnet. Buchwelten freut sich sehr, dass der Preisträger ein paar Fragen über seine Arbeit und seine Person beantwortet hat.

1. In Deinen Romanen entwickelst Du unglaublich visionäre Zukunftsbilder. Alles wirkt stimmig, so dass bei mir der Eindruck entsteht, dass die Vorbereitungen solcher Welten vielleicht sogar länger dauern als das Schreiben der eigentlichen Geschichte. Wie darf man sich Deine Vor- und Hauptarbeiten vorstellen?

Antwort: Ich plane die Welten, die Universen, natürlich sehr genau, bevor ich mit dem Schreiben beginne, und anschließend ist es oft so wie mit einem Eisberg: Was im Roman von dem Weltenentwurf erscheint, ist nur die Spitze; ein großer Teil bleibt unter der Wasseroberfläche verborgen. Das verleiht der Bühne, auf der die Ereignisse stattfinden, und ihren Kulissen zusätzliche Authentizität, denn der Autor weiß mehr über seine Welt, als er preisgibt, und das merkt der Leser. Derartige Vorbereitungen können tatsächlich sehr viel Zeit in Anspruch nehmen, aber die Hauptarbeit ist und bleibt das Schreiben des Romans. Vielleicht sollte ich noch hinzufügen: Je gründlicher man bei den Vorbereitungen ist, je genauer man sich dabei alles überlegt, desto leichter ist nachher das Schreiben der Geschichte.


2. Ich komme um meine Lieblingsfrage einfach nicht herum: Wer sind Deine literarischen oder auch nicht literarischen Vorbilder?

Antwort: Ich habe keine Vorbilder. Ich schreibe die Geschichten, die mir selbst als Leser gefallen würden, ohne mich dabei an irgendwelchen Vorbildern zu orientieren. Andererseits gibt es natürlich Autoren, denen ich großen Respekt zolle, deren Romane mich bewegen und berühren, mich vielleicht auch inspirieren. Im Bereich der Science Fiction wären das zum Beispiel Dan Simmons, dessen »Hyperion« ich für genial halte, oder auch Robert Charles Wilson, der mit »Spin« Großartiges geleistet hat.

3. Könntest Du Dir vorstellen, auch einmal einen Roman außerhalb des Sciene Fiction-Genre zu schreiben? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, was würde uns erwarten?

Antwort: Ich habe bereits drei Romane geschrieben, die nicht der Science Fiction zuzuordnen sind: »Äon«, »Die Stadt« und »Seelenfänger«. Derzeit arbeite ich an einem weiteren Non-SF-Roman, der im Herbst 2017 in der Belletristik-Reihe bei Piper erscheinen wird und in dem es um künstliche Intelligenz geht. Ein weiterer Non-SF-Roman wird voraussichtlich 2018 erscheinen. Die Science Fiction fasziniert und begeistert mich. Aber ich finde es auch sehr interessant, außerhalb von ihr zu schreiben und Geschichten zu erzählen, die viel näher bei unserer Gegenwart sind.

4. Was liest Andreas Brandhorst privat? Welche Musik hörst Du und welche Filme (oder auch Serien) siehst Du?

Antwort: Seit einigen Jahren lese ich weniger Science Fiction und dafür mehr allgemeine Literatur, Romane »über das Leben«, könnte man sagen. 🙂 Ein Roman, der mich sehr beeindruckt hat, war »Stoner« von John Williams. Sehr gern lese ich die Werke der italienischen Schriftstellerin Margaret Mazzantini (in der ausgezeichneten deutschen Übersetzung von Karin Krieger; ich lese immer nur auf Deutsch, obwohl ich nach 30 Jahren in Italien mit dem Italienischen vertraut bin): »Das schönste Wort der Welt« (im Original »Venuto al mondo«, »Zur Welt gekommen«; dieser Titel trifft den Inhalt weitaus besser) ist ein wahres Meisterwerk, ebenso wie »Geh nicht fort« oder »Herrlichkeit«. Angetan haben mir es auch die Romane von Nina George (»Das Lavendelzimmer«, »Das Traumbuch«), Joe R. Lansdales »Ein feiner dunkler Riss« und alle auf Deutsch erschienenen Romane von Marie-Sabine Roger. Was Musik betrifft: Ich höre beim Schreiben oft laut Heavy Metal, zum Beispiel Metallica oder Korn. Und Filme: Schwer beeindruckt und im Herzen berührt war ich von »Interstellar«. Ich mag das italienische Autorenkino (zum Beispiel von Ferzan Özpetek, tolle Filme, die tiefen Einblick in das italienische Leben geben), aber auch Filme wie »Einer nach dem anderen« aus Norwegen; mein Geschmack ist da ziemlich breit gestreut.

5. Wenn bemannte Raumfahrt in andere Galaxien möglich wäre, was würdest Du tun? Der Erde verbunden bleiben oder Dich auf ein ungewisses Abenteuer einlassen?

Antwort: Keine Frage: Ich würde sofort aufbrechen, in der Hoffnung, die vielen Wunder des Universums zu sehen, mit eigenen Augen. Ich würde auch losfliegen, wenn ich wüsste, dass es keine Rückkehr gäbe.

6. In Deinen Geschichten steckt oft sehr viel Philosophie. Bei Deinen letzten Romanen kam mir immer wieder der Gedanke, Dich als „Michael Ende der Science Fiction“ zu bezeichnen. Hast Du Dich denn mit Philosophen, wie z.B. Rudolf Steiner, beschäftigt oder woher kommt diese philosophische Ader?

Antwort: Ich bin in den letzten Jahren sehr, sehr nachdenklich geworden. Das hängt mit dem Verlauf meines Lebens zusammen, mit den Sackgassen, in die ich manchmal geraten bin, aber auch mit dem Alter. Wenn man ein bestimmtes Alter erreicht, wird einem klar, dass der Weg vor einem kürzer ist (und immer kürzer wird) als der hinter einem. Dann stellt man sich Fragen wie: Habe ich richtig gelebt? Habe ich die richtigen Entscheidungen getroffen? Und was soll ich mit den Jahren anfangen, die mir noch bleiben? Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht über solche und andere Fragen nachdenke, und das schlägt sich natürlich auch in der Art meines Schreibens nieder. So gibt es in meinen Romanen selten Personen, die einfach nur schlecht und gut sind. Wie im wirklichen Leben tragen sie Eigenschaften von beiden Seiten in sich. Und natürlich agieren sie nicht einfach nur, sondern machen sich auch Gedanken …

7. Gibt es ein Buch oder eine bestimmte Stelle aus einem Buch, wodurch Dein Leben beeinflusst wurde?

Antwort: Es ist erstaunlich, aber ich habe einige E-Mails von Lesern bekommen, in denen sie mir schrieben, dass ein bestimmter Roman von mir ihre Denkweise verändert hätte. Ich glaube, das ist eins der größten Komplimente, die man einem Autor machen kann. Was mich betrifft: Ich habe als Kind, Anfang der 60er-Jahre des vorigen Jahrhunderts, ein Buch gelesen, das mich nachhaltig beeinflusst und Bücher in den Mittelpunkt meines Lebens gerückt hat: »Was die Schildkröte erzählte« von Maria Kahle. Ich habe es erst vor kurzer Zeit mithilfe einer Facebook-Freundin wiedergefunden und bei Recherchen erfahren, dass die Autorin leider der NS-Ideologie recht nahe stand, was der Knabe Andreas damals natürlich nicht wusste. Er war nur sehr angetan von der Schildkröte, die unter dem Bett eines schlafenden Jungen lag und ihm im Traum ihre Geschichten erzählte. Dieses Buch war es, das mich damals lehrte, was Lesen bedeutet: die Erkundung neuer Welten.

8. Kannst/magst/darfst Du verraten, wie Deine Pläne für das „Omniversum“ aussehen?

Antwort: Nach »Omni« wird es weitere Romane geben, die im Omniversum angesiedelt sind. Der erste von ihnen mit dem Titel »Das Arkonadia-Rätsel« erscheint am 2. Mai 2017 bei Piper. Wichtig ist: Alle diese Romane sind in sich abgeschlossen, vergleichbar vielleicht mit den Kultur-Romanen von Banks. Das heißt, es sind keine Fortsetzungsgeschichten mit einem gemeinen Cliffhanger am Ende. 🙂 Man kann sie jeden für sich allein genommen lesen.

9. 5 Namen, 5 spontane Antworten. Was fällt Dir ein bei:

– Stephen Baxter

– Philip K. Dick

– Larry Niven

– J.R.R. Tolkien

– Harry Potter?

Antwort: Dazu sage ich: Vier Autoren und eine Romanfigur, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Zwei Namen ragen für mich heraus, was die anderen aber nicht schmälern soll: Tolkien als Übervater der Fantasy und Philip K. Dick als jemand, der nicht nur die Science Fiction insbesondere in den 60er- und 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts nachhaltig geprägt hat – viele seiner Bücher gelten heute auch als Klassiker der amerikanischen Literatur.

10. Zuletzt würde mich interessieren, ob es bei Deiner Arbeit besondere Rituale und/oder ein Maskottchen gibt, das Du während des Schreibens in Deiner Nähe brauchst?

Antwort: Nein, besondere Rituale, die ich unbedingt für das Schreiben brauche, gibt es nicht, sieht man einmal davon ab, dass ich jeden Tag sehr früh aufstehe, um circa 6:30 Uhr, und die erste Stunde meines Arbeitstages, von sieben bis ungefähr acht, oft damit verbringe, Anfragen von Lesern per E-Mail oder Facebook-Messenger zu beantworen. Das ist in letzter Zeit immer mehr geworden, worüber ich mich freue. Wichtig ist mir auch das Laufen. Ich laufe jeden Tag und bei jedem Wetter mindestens eine Stunde: Der Geist entspannt sich, während der Körper arbeitet, und dabei kommen mir oft die besten Ideen.

Ich danke Dir sehr für die Beantwortung meiner Fragen, gratuliere Dir noch nachträglich zum Gewinn des Deutschen Science Fiction Preises und des Kurd-Laßwitz-Preises für »Das Schiff« und wünsche Dir alles Gute für die Zukunft.

Ach ja, und ich freue mich schon jetzt auf Deinen neuen Roman.

© 2016 Wolfgang Brunner / Andreas Brandhorst

Finderlohn von Stephen King

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King
Erschienen als gebundene Ausgabe
bei Heyne
insgesamt 544 Seiten
Preis:  22,99  €
ISBN: 78-3-453-27009-1
Kategorie: Thriller

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1978 – John Rothstein, Autor der erfolgreichen Jimmy Gold-Trilogie lebt seit vielen Jahren zurückgezogen und hat lange nichts veröffentlicht. Eines ruhigen Abends dringen drei junge Männer in sein Haus ein und der berühmte Schriftsteller wird brutal ermordet. Kopf der drei Verbrecher ist Morris Bellamy, ein mehr als fanatischer Anhänger des Autors. Und eben der begeht den Mord nicht etwa aus Habgier, sondern einzig und allein aus Rache und Wut darüber, wie der Autor die Trilogie hat enden lassen. Den Wandel, den der Protagonist der Reihe durchlebt hat, konnte und wollte Bellamy nicht akzeptieren, er sah ihn als Verrat an. Als Beute nehmen die Eindringlinge nicht nur eine große Menge Bargeld mit, sondern auch einen kompletten Tresor voller Notizbücher, die Rothstein über Jahre hinweg Seite um Seite von Hand beschrieben hat. Für Bellamy ist dieser Teil der Beute der einzig wichtige. Morris Bellamy vergräbt die gesamte Beute zunächst, weil die Umstände es erforderlich machen und kommt dann, einige Monate später, dummerweise für ein ganz anderes Verbrechen ins Gefängnis. Und dort bleibt er auch die nächsten 28 Jahre.

2009 – Pete Saubers ist ein Junge aus einem eigentlich völlig normalen Elternhaus. Einzig der Umstand, dass sein Vater durch einen Unfall schwer verletzt wurde, bereitet der Familie große Schwierigkeiten. Sie kommen finanziell kaum noch über die Runden und Pete und seine Schwester müssen die Streitigkeiten der Eltern leider immer öfter ertragen. Da kommt Pete sein zufälliger Fund wie ein wahrer Segen vor. Denn Pete findet Bellamys vergrabene Beute durch puren Zufall. Er nutzt zunächst das Geld seines „Schatzes“ dafür, um seine notleidende Familie über die Runden zu bringen.

Nach 35 Jahren wird Morris Bellamy auf Bewährung aus der Haft entlassen. Natürlich will er als erstes nach seiner vergrabenen Beute sehen, denn all die Jahre im Knast hat ihn einzig und allein die Freude auf die ungelesenen Notizbücher aufrecht gehalten. Als er bemerkt, das seine Beute verschwunden ist, macht sich Bellamy auf die Suche. Und natürlich kommt er Pete Saubers auf die Spur. Nun ist Detective Hodges gefragt. Kann der Cop im Ruhestand, der bei Mr. Mercedes schon sehr erfolgreich „ermittelt“ hat, Pete helfen und den irren, fanatischen Anhänger des ermordeten Autors aufhalten ….?

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Der „neue“ King. Man mag ihn oder nicht. Ich mag ihn. Ein mir bekannter King-Fan sagte mal, dass man bei ihm die ersten 100 Seiten getrost überlesen kann, weil er immer erst dann in die Handlung gefunden hat. Bei Mr. Mercedes war das schon ganz und gar nicht der Fall. Da wurde der Leser gleich zu Anfang mit Drama und Chaos, Action und Tod konfrontiert. Auch hier ist das der Fall. King geht es überhaupt nicht ruhig an, sondern kommt direkt zur Sache. Und die ist nicht unbedingt seicht.

Finderlohn ist der zweite Teil um den alternden Detective Hodges, der schon in Mr. Mercedes so brillante Arbeit geleistet hat, nachdem er damals durch den Killer selbst aus seiner Lethargie gerissen wurde. Auch hier spielt Hodges wieder eine große Rolle und wir treffen neben ihm auch weitere Personen wieder, die wir noch aus Mr. Mercedes kennen. Allerdings spielt er erst recht spät eine Rolle.

King beginnt seine Erzählung mit zwei Handlungssträngen in der Vergangenheit. Einmal im Jahre 1978 ff den Strang um Bellamy und dann im Jahre 2009 den Strang um den Jungen Pete Saubers. Wir verfolgen die beiden einige Jahre dann, bevor King dann in die Gegenwart wechselt. Und dies nicht nur in seiner Erzählung, sondern auch in der Zeitform.

Wie die Vorgänger liefert King hier einen Roman, der eher von einer ruhigen, aber sehr dichten und komplexen Stimmung getragen wird. Dennoch gibt es sehr heftige Szenen, die an Blut, Dramatik und Nervenzerren ganz und gar nicht sparen. Ich mag diesen neuen Stil von Stephen King sehr. So hat er bereits „Joyland“ und „Der Anschlag“ geschrieben und nun eben auch „Mr. Mercedes“. Viele mögen dies zu langatmig und zäh finden, mir geht es gar nicht so. Ich tauche in die Geschichte ein, begleite die Protagonisten über viele Jahre, bekomme Einblicke in deren Charaktere, ihr Umfeld und genieße es, mich durch die Geschichte treiben zu lassen. Und ich finde es sehr positiv, dass mir seitdem auch endlich die Enden von Kings Romanen gefallen. Denn die fand ich bei den älteren Werken oft leider mäßig, missglückt oder zu kurz abgefertigt. An ganz vielen Stellen des Romans finden sich sehr gute Aussagen, bezogen auf die Arbeit eines Schriftsteller und die Liebe der Leser. Mich haben diese Stellen immer an sein Buch „Das Leben und Schreiben“ erinnert (ich fand es toll). Ich muss eine kleine Stelle zitieren:

„Eine der beglückendsten Erfahrungen, die man als Leser im Leben machte, war die ein Leser zu sein – also nicht nur lesen zu können ……, sondern in die Tätigkeit als solche vernarrt zu sein. Hoffnungslos. Hals über Kopf. Das erste Buch, das dies zustande brachte, vergaß man nie, und jede einzelne Seite schien eine neue Offenbarung mit sich zu bringen, eine die brannte und begeisterte …“

Eine Kleinigkeit noch: Ich habe bei einer Figur das Gefühl nicht losbekommen, dass Stephen King die Serie Twin Peaks gesehen und gemocht hat. Denn der flippige Englisch Lehrer von Pete Saubers, namens „Ricky the Hippie“ erinnert mich sehr stark an Dr. Jacoby :-). Bauschige Hemden, Schlaghosen und sonstiges Hippie-Outfit haben mich immer genau diese Person sehen lassen …

Mein Fazit: Eine absolut gelungene Fortsetzung von Mr. Mercedes, die mich in einer ruhigen, stimmungsvollen Atmosphäre gefesselt hat. Einerseits kommt der Roman gemächlich daher und andererseits ist er voller dramatischer, heftiger, brutaler und sehr erschreckender Szenen. Die Figuren bieten alles zwischen liebenswert und total irre, sind jedoch charakteristisch alle sehr echt und glaubhaft gezeichnet. Ich freue mich sehr auf den dritten Teil!

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© Buchwelten 2015

Der Seidenspinner von Robert Galbraith

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Der Seidenspinner

Erschienen als gebundene Ausgabe
im blanvalet Verlag
672 Seiten
19,99 €
ISBN: 978-3-7645-0515-8

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Nach dem Fall Lula Landry geht es mit der Detektei von Cormoran Strike immerhin bergauf. Er erhält lukrative Aufträge, seine Büro- und Ermittlungshelferin Robin, die ihm quasi der Himmel geschickt hat, bleibt ihm erhalten und er hat mittlerweile sogar wieder eine Wohnung, sodass er nicht mehr im Büro nächtigen muss. Die Wohnung befindet sich praktischerweise über dem Büro, nicht komfortabel, aber ausreichend und penibel in Ordnung, ganz der alte Soldat eben.

Als die Ehefrau des Autors Owen Quine Strike in seinem Büro aufsucht und um Hilfe bittet, ist sich Cormoran im Nachhinein nicht sicher, warum er den Fall überhaupt angenommen hat. Irgendwie tut ihm diese unscheinbare, mausgraue Autorengattin leid, die sich um ihren Mann sorgt, obwohl er schon mehrfach für einige Tage abgetaucht war. Diesmal sei es anders, behauptet sie. Als Strike seine Ermittlungen aufnimmt, stößt er recht schnell auf interessante und vor allem brisante Informationen. In seinem neusten Werk hat Owen Quine so ziemlich alle Bekannten, Kollegen und Geschäftspartner aufs schärfste verunglimpft. Motive, Quine zum Schweigen zu bringen, haben somit einige Personen in seinem Umfeld.

Quine wird tatsächlich brutal ermordet aufgefunden und es dauert nicht lange, bis sich die ermittelnden Polizisten auf eine Hauptverdächtige konzentrieren. Die Presse schaut den Ermittlern wie immer auf die Finger, somit müssen schnelle Ergebnisse präsentiert werden. Da hilft auch die alte Freundschaft zwischen Cormoran Strike und dem leitenden Kommissar Anstis nicht, um diesen zu überzeugen, auch in einer anderen Richtung zu suchen. Denn Strike ist sich absolut sicher, dass die Hauptverdächtige der Polizei unschuldig ist. Er setzt wieder einmal alles daran, einen vertrackten Fall zu lösen. Und erneut steht im dabei Robin Ellacot tatkräftig, mit eleganter, frischer Schläue und einer Menge gutem Gespür und Gefühl zur Seite.

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Auch der zweite Fall um Cormoran Strike hat mir vom Anfang bis zum Schluss wieder richtig gut gefallen. Der Fall war erneut spannend, fesselnd, kniffelig und voller guter Details aufgebaut. Das Miträtseln hat Spaß gemacht, ich habe natürlich ständig irgendwelche Personen verdächtigt. Aber genau so soll es ja auch sein, bei einem guten Krimi.

Warum J.K. Rowling nach wie vor unter dem Pseudonym Robert Galbraith veröffentlicht, wo sie doch nun auch endlich für ihre Erwachsenenbücher hochgelobt wird, weiß ich nicht. Denn die Enttarnung ist ja nun schon lange vollzogen Vielleicht fühlt sie sich selbst einfach anders, wenn sie unter seinem Namen arbeitet, mag sein. Ich selbst habe die „Potters“ schon sehr gerne gelesen, vor allem die letzteren und ich bin wahrscheinlich eine der wenigen Leser, denen auch der „plötzliche Todesfall“ sehr gut gefallen hat. Ein „sozialkritisches Desaster“ war der Roman für mich garantiert nicht. Im Gegenteil. Aber die Meinungen gehen nun mal auseinander.

Mit Cormoran Strike hat die Autorin nicht nur eine sympathische, sondern auch eher untypische Figur erschaffen. Ein recht unschöner ehemaliger Angehöriger der Army, kriegsversehrt und unehelicher Sohn eines Superstars, der eine Unterbeinprothese trägt und, von seiner langjährigen, temperamentvollen Modelschönheit verlassen, ein eher einsames Leben lebt. Mit Robin Ellacot hat sie ein wunderbar heiteres, ehrgeiziges und liebenswertes Gegenstück erschaffen, das nicht nur Strike den Alltag erhellt. Mir machen die Passagen, in denen Robin dabei ist immer viel Freude.

Der Spiegel schreibt, dass man bei den Romanen eine Menge über Londons öffentlichen Nahverkehr lernt. 🙂 Stimmt, aber nicht nur das. Rowling/Galbraith hat überhaupt eine sehr gute Gabe fürs Detail. Das bezieht sich auf besuchte Orte, wie Pubs, die dem Leser als absolut urig und un-touristisch beschrieben werden. Wohngegenden und Häuser, genauso aber, wenn es um die haargenaue, grausame Beschreibung des ermordeten Autoren geht. Das ist nicht seicht, sondern blutig und krass.

Mein Fazit: 5 Sterne für den zweiten Fall von Cormoran Strike, dem hoffentlich noch eine Menge folgen werden. Ein spannender und nicht absehbar aufgebauter Kriminalfall, der nicht durch ein klassisches Ermittlerteam, sondern durch einen eher Anti-Mainstream-Helden mit einer aufgeweckten Schreibkraft an seiner Seite bearbeitet wird. Sehr gute Charaktere agieren in einer realen Umgebung, die den Leser mitten drin sein lassen. Hier gebe ich gerne ein weiteres Mal eine Leseempfehlung.


Ich danke dem blanvalet Verlag für die Bereitstellung des Leseexemplars.

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© Buchwelten 2014

Weltendämmerung – Die zerbrochene Welt – Berith Trilogie III von Ralf Isau (5/5)

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Erschienen als
gebundene Ausgabe mit Leseband
im PIPER Verlag
480 Seiten
Preis: 19,99 €
ISBN: 9783492702355
Kategorie: Fantasy

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Taramis ist im Kreise seiner Familie und engsten Freunde auf seiner Heimatscholle Barnea. Genauer gesagt steht Taramis mit seinem Freund dem Kirrie Jagur vor dem Haus, während seine Frau Shúria im Inneren unter Schmerzen und lauten Schreien ihr zweites Kind auf die Welt bringt.

Doch Taramis ist nicht einmal in diesem wichtigen Moment Ruhe vergönnt, denn es erfolgt urplötzlich ein Angriff auf Taramis Anwesen. Durch den Nebel greifen die Wesen an, die Taramis als das Volk der Kesalonier erkennt.

Dem Nebelwächter ist es sofort klar, dass hinter diesem Angriff niemand anderer stecken kann, als sein ärgster Feind der Antischkönig Gaal.

Taramis hatte es bereits vermutet, dass er ihn im letzten Kampf auf der Insel Peor nicht endgültig besiegt hat, denn die Leiche Gaals wurde schließlich niemals gefunden. Und da Taramis ein vorausschauender Mann ist, hat er sein Haus und das umliegende Land natürlich durch Fallen und diverse andere Schutzmaßnahmen geschützt. Somit gelingt es Taramis zunächst den überraschenden Angriff abzuwenden.

Doch kaum hat seine Tochter Aïschah das Licht der Welt erblickt, muss Taramis seine Familie erneut verlassen. Gaal, der König von Dagonis hat wieder einen großen Plan geschmiedet, um die Gesamtherrschaft über die Scherbenwelt im Äther endgültig an sich zu reißen. Dass er hierbei über Leichen geht, ist bereits bekannt. Doch Gaal schreckt nicht einmal vor den Göttern zurück.

Eine dunkle Wolke breitet sich über die Schollen Beriths aus, niemand weiß woher sie kommt, niemand weiß was genau sie bewirkt. Fest steht jedoch, sie ist gefährlich und Taramis muss gemeinsam mit seinen Gefährten erneut in den Krieg ziehen.

Er muss für seine Familie und ganz Berith kämpfen. Er muss endlich der drohenden Gefahr durch Gaal ein Ende setzen und zwar endgültig. Also begibt sich Taramis mit seinem Feuerstab Ez auf eine weitere, hoffentlich letzte gefährliche Reise um den machtgierigen Fischkopf zu töten ….

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Nachdem ich die ersten zwei Teile der „zerbrochenen Welt“ bereits gelesen hatte, habe ich mich natürlich sehr auf den finalen Band um den Krieger Taramis gefreut.

Ralf Isau hat mit dieser Trilogie wieder eine bunte, wesensreiche Fantasywelt geschaffen, die alles bietet, was ein spannendes Buch ausmacht. Sehr ideenreiche Geschöpfe hat er zum Leben erweckt, unterschiedliche Charaktere, die sehr gut ausgearbeitet sind. Seien es die Guten oder auch die Bösen.

Natürlich trifft man in diesem letzten Teil auf alte Bekannte die bereits in den ersten zwei Bänden zu Taramis Gefährten gehörten. Doch es kamen in diesem letzten Teil noch einmal neue, sehr wichtige Figuren hinzu. Auch Inselbewohner, die bislang keine Rolle spielten, sind in diesem Finalteil der Handlung hinzugewachsen.

Der Autor schafft es wunderbar, dramatische und kriegerische Szenen dennoch auch immer mit viel Gefühl auszuarbeiten. Auch lustige Augenblicke kommen innerhalb dieser eigentlich schrecklichen Momente vor, sei es nur durch eine kleine „typische“ Aussage des Zwergs (NEIN – Kirrie!) Jagur. Übrigens eine Figur, die mir im Laufe der drei Teile sehr ans Herz gewachsen ist.

Was mir an der „zerbrochen Welt“ so gut gefällt, ist nicht nur die Vielfältigkeit der Bewohner der Scherbenwelt (Menschen, Wesen, Tiere, Pflanzen Fortbewegungsschwaller, etc.), sondern auch der Zusammenhalt derer untereinander.

Bewohner verschiedener Schollen sind da genauso geachtet und gleichberechtigt, wie auch männliche und weibliche KriegerInnen. Innerhalb der Geschichte hat jeder einen wichtigen Teil inne und es wird kein Unterschied gemacht zwischen dem angeblich starken und schwachen Geschlecht. Das hier alle miteinander nur etwas ausrichten können ist in dieser Trilogie sehr gut beschrieben. Und dazu gehört dann zusätzlich noch das Zusammenspiel zwischen Menschen und den Tieren.

In diesem Teil gibt es wieder im hinteren Teil das sehr ausführliche Register über alle Bewohner und Wesen der Scherbenwelt, das sehr hilfreich ist und das ich auch immer wieder zur Hilfe genommen habe. Denn es gehört schon aufmerksames Lesen und Konzentration dazu, die vielen verschiedenen und oft ähnlich klingenden Namen auseinanderzuhalten. Auch dann, wenn man die beiden ersten Bücher der Trilogie gelesen hat. Allein dieses Lexikon ist der Wahnsinn, so etwas muss man sich erst einmal ausdenken. Denn es liest sich so, als würden tatsächlich existierende Lebewesen und Personen beschrieben. Es ist sehr professionell gestaltet.

In diesem letzten Teil kommt dann noch eine von Ralf Isau selbst gestaltete Weltenkarte hinzu, die bei der langen Reise von Taramis und seinen Begleitern eine gute Übersicht bietet.

Der Schreibstil ist – wie gewohnt – gehoben und sehr gut formuliert. Das Ende hat mir sehr gut gefallen. Ich werde nicht daran denken auch nur den kleinsten Hinweis zu geben.

Eine kleine Anmerkung noch an Ralf Isau selbst: Meine liebste, neue Figur in diesem Band war/ist Kaya. Ein wunderbares Wesen, von seiner Erscheinung und vom Charakter her.

Das war sie dann, meine Reise durch die zerbrochene Welt von Berith. Mit diesem Teil ist die Trilogie zu Ende gegangen und somit werde ich nicht mehr durch den Äther schwallen, was eigentlich sehr schade ist. Ich habe mich sehr wohl gefühlt und Taramis gerne auf seinen Abenteuern begleitet.

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Mein Fazit: 5 von 5 Sternen für diesen gelungenen Abschluss der Trilogie um die zerbrochene Welt. Trotz drohender Finsternis, heftigen Kämpfen und Gefahr, hat Ralf Isau erneut eine bunte, wesensreiche Geschichte voller Abenteuer, Liebe, Freundschaft und Gefühl geliefert. Ich kann die Berith-Trilogie allen Liebhabern von ausgefallener Fantasy nur sehr empfehlen. Die Scherbenwelt ist unbedingt eine Reise wert. Allerdings braucht ihr Schwaller mit Luftkapseln … wenn ihr nicht zufällig zusätzlich mit Kiemen ausgestattet seid … 🙂

Ich danke dem PIPER Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

 

Wer Interesse hat meine Rezensionen zu den ersten beiden Teilen der Berith Reihe zu lesen:

Rezension zu „Die zerbrochene Welt – Berith I“

Rezension zu „Feueropfer – Die zerbrochene Welt – Berith II“

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© Buchwelten 2012

Ein Abend mit Ralf Isau

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Am Freitag Abend war ich gemeinsam mit meinem Lebensgefährten, Wolfgang Brunner, zu Gast bei einer inoffiziellen Lesung von Ralf Isau. Er war zu Besuch in einer klitzekleinen Buchhandlung im Ruhrgebiet, die bis auf den letzten Zentimeter gefüllt war. Und zwar mit Lesern und Büchern. Ein wunderbares Geschäft übrigens, es strahlt absoluten Flair aus und ist sehr gut sortiert. Wieder einmal ein Sortiment, an dass die grossen Buchhandelsketten nicht annähernd herankommen.

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Der Kontakt zu Ralf Isau, dessen bekennender Fan ich ja bin, entstand über diesen Blog, u.a. durch die Vorbereitungen zum Interview hier auf Buchwelten. Da war es dann natürlich sehr schön nach dem virtuellen Kennenlernen endlich die Möglichkeit zu einem persönlichen Treffen zu bekommen.

Einen Überraschungsgast hatte Ralf Isau auch dabei: Mechthild Gläser. Eine junge Nachwuchsschriftstellerin aus Essen-Steele die aus ihrem Debütroman „Stadt aus Trug und Schatten“ vorgelesen hat. Und das hat sie sehr gut gemacht und das Buch macht definitiv neugierig.

Ralf Isau hat aus seinem zuletzt erschienenen Jugendroman „Das Geheimnis der versteinerten Träume“ vorgelesen und die Zuhörer waren begeistert. Er hat direkt am Anfang des Buches gestartet, das ja recht schräg und humorvoll ist und die Gäste mussten oft wirklich lachen.

Nach der Lesung hat Ralf Isau dann ein Interview mit Mechthild Gläser geführt, wo sie alle Fragen des Autors ausführlich und absolut „unaufgeregt“ beantwortet hat.

Im Anschluß gab es dann eine Fragerunde, wo die Gäste die beiden Autoren nach Lust und Laune befragen durften. Zum Abschluß des Abends konnten natürlich noch Bücher erworben oder mitgebrachte signiert werden. Dieses Angebot haben auch wir genutzt.

Ich habe ja bereits „Feueropfer“ signiert gewonnen und habe mir am Freitag dann mein Leseexemplar der „versteinerten Träume“ verschönern lassen. Es ist eine unkorrigierte, nicht gebundene Ausgabe aber das macht es vielleicht dann wieder besonders. Wolfgang hat eine schöne, ausführliche Widmung in „Der silberne Sinn“ erhalten.

Unbedingt loswerden möchte ich noch, dass es wunderbar war die Ehefrau von Ralf Isau kennenzulernen. Sie begleitet ihren Mann seit nunmehr 10 Jahre zu Lesungen und organisiert alles was mit seiner Schriftstellerei zu tun hat. Auch ich begleite „meinen Schrifsteller“ zu seinen Lesungen.

Es gab eine Menge Gesprächsstoff und wir haben uns lange und ausführlich mit ihr unterhalten. Eine ganz nette Frau hat Ralf Isau an seiner Seite und ich hoffe auf ein Wiedersehen.

Auch mit Ralf Isau blieb ausreichend Zeit persönliche Worte zu wechseln: Vor, zwischen und nach der Lesung. Wolfgang hat sich z.B. angeregt von Kollege zu Kollege unterhalten.

Wie man herauslesen kann war es ein rundum gelungener Abend, an dem ich im Nachhinein noch lange meine Freude haben werde. Ralf Isau ist ein sehr sympathischer Autor, ein guter Vorleser, der es versteht seinen Zuhörern eine kleine, angenehme literarische Zeit zu bereiten.

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Einige Fotos haben wir natürlich auch mitgebracht:

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 Von links nach rechts: Ralf Isau, Der Inhaber der Buchhandlung, Mechthild Gläser, Begleitung

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Marion Gallus (Buchwelten) gemeinsam mit Ralf Isau am 20.04.2012.

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Die Widmung in meinem Buch

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Wer hier auf  Buchwelten mehr über Ralf Isau erfahren möchte:

Rezension „Das Geheimnis der versteinerten Träume“

Rezension „Der verbotene Schlüssel“

Rezension „Die zerbrochene Welt“ – Berith Trilogie I

Rezension „Feueropfer“ – Berith Trilogie II

Rezension „Der Schattendieb“

Interview mit Ralf Isau 

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Liebe Grüße
Marion
23.04.2012

Lesungswochenende mit Wolfgang Brunner und Holger Weinbach

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Am vergangenen Wochenende haben die Schriftsteller Wolfgang Brunner (u.a. Die Weisse Frau – Eine Legende vom Schloß Ringenberg in Hamminkeln) und Holger Weinbach (Die Eiswolf-Saga) den Auftakt zu mehreren gemeinsamen Lesungen gegeben.

Die erste Lesung fand am Freitag in Meerbusch im Café Aroma statt und die zweite dann in Haltern am See in der Naturheilpraxis Schreiber.

Ich selber habe nun bereits an vielen Leseungen meines Lebensgefährten teilgenommen, auch zu den unterschiedlichsten Anlässen und in verschiedenen Örtlichkeiten (Lesung im Schloß Ringenberg oder auch in der Realschule bei „Wesel liest“).

Aber eine Gemeinschaftslesung mit einem Autorenkollegen war auch für mich eine neue Erfahrung.

Kennengelernt habe ich Holger Weinbach durch meine beiden Rezensionen zu „Brudermord“ und „Irrwege“ und dem danach geführten Interview hier auf Buchwelten. Daraus hat sich eine intensive Internetbekanntschaft entwickelt und das Treffen im wirklichen Leben war wirklich schön. Wir alle haben viele gemeinsame Stunden verbracht und uns vor und nach den Lesungen privat kennengelernt, ausgetauscht und gut unterhalten.

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Was die Gemeinschaftslesungen angeht, ist dies ja auch erst einmal ein Experiment. Das ist aber vollauf gelungen. Die beiden Autoren haben sich sehr gut ergänzt, waren gut aufeinander abgestimmt und haben sich gegenseitig die „Bälle zugespielt“. Beide sind äußerst gute Vorleser, die es am Wochenende auch geschafft haben, die Zuhörer mit ihren Romanen in den Bann zu ziehen.

Ich freue mich auf die weiteren gemeinsamen Lesungen im April.

Wer Lust hat einige Fotos und/oder Videos von den Lesungen zu sehen, den möchte ich auf die Autorenseiten der beiden bei Facebook verweisen. Diese sind öffentlich und auch durch nicht registrierte Nutzer anzusehen. Dort haben beide eine Menge Bebildertes zum vergangenen Lesungswochenende eingestellt:

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Wolfgang Brunner Autor bei Facebook

Die Eiswolf-Saga bei Facebook

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Da ich selber natürlich nicht nur Fan der Werke meines Lebensgefährten, sondern auch der Eiswolf-Saga bin, hat es auch mir große Freude gemacht, einige Szenen vorgelesen zu bekommen.

Ausserdem darf ich mich nun über persönliche Widmungen für Wolfgang und mich in meinen beiden Exemplaren freuen :-).

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© Buchwelten 2012

Buchwelten im Gespräch mit Jan-Eike Hornauer

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Jan-Eike Hornauer, Herausgeber der Anthologie „GROTESK!“, erschienen im Candela Verlag ist ein sehr vielseitiger Mensch:

Lektor, Herausgeber und Autor. Er bekennt sich „zur Abhängigkeit, kann ohne Texte nicht leben“.

Jan-Eike Hornauer hat sich die Zeit genommen meine Fragen zu beantworten und ermöglicht den Lesern einen kleinen Einblick in die Arbeit einer „Textwerkstatt“.


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Mit „GROTESK!“ hast Du eine Anthologie herausgegeben, die für die heutige Zeit völlig untypisch und gegen den Mainstream ist. Wie kam es zu dieser Idee? 

Ich mag das Genre der Groteske in all seinen unglaublich unterschiedlichen Facetten einfach sehr. Zudem wollte ich gerne ein Buch herausbringen, das schon vom Ansatz her echte literarische Qualität hat. Und ich hatte selbst für dieses Thema auch schon passende Geschichten, bzw. Ideen in petto.
Was für mich allerdings überraschend war: dass der Candela Verlag gleich bei der ersten mündlichen Anfrage spontan zugesagt hat. Schließlich handelt es sich hier um ein anspruchsvolles Nischenthema, und ein Verleger muss ja immer auch wirtschaftlich denken.
Ich hatte also damit gerechnet, zumindest Überzeugungsarbeit leisten zu müssen, Christoph Bizer-Neff aber war sofort sehr angetan von dieser Idee. Eine wirklich schöne Überraschung!

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Wie ging die Arbeit vonstatten? Erzählst Du ein bisschen über die Entstehung von den ersten Überlegungen bis hin zur Veröffentlichung?

Nun, zuerst hatte ich also diese Idee, bin damit dann an den Candela Verlag herangetreten, und dieser hat sofort zugeschlagen. Daraufhin habe ich einen Ausschreibungstext verfasst und ihn gemeinsam mit dem Verlag auf literarischen Onlineplattformen verbreitet. Ohne jede Beschränkung in Alter, Wohnort oder Geschlecht konnte jeder Interessierte bis zu drei Texte einreichen, wobei die Höchsttextzahl nur sehr, sehr selten tatsächlich genutzt wurde.
Die über 500 eingegangenen Texte habe ich dann alle gelesen und die besten ausgewählt. Das nachfolgende Lektorat, das eine teilweise sehr intensive Zusammenarbeit mit den Autoren bedeutete, war der künstlerische Höhepunkt und somit auch der wichtigste Teil des ganzen Prozesses: Hier ging es um das Wesentliche, die Textarbeit. Das ist immer sehr spannend und lehrreich.
Zeitglich hat Claudia Speer vom Werbeatelier Bad Homburg die ersten Coverentwürfe erstellt. Nach dem Lektorat habe ich die Geschichten in eine – zumindest meines Erachtens nach – sinnvolle Reihenfolge gebracht, Claudia Speer hat sich anschließend um den Satz gekümmert, ich habe einen Klappentext abgefasst und der Verlag hat das Buch in Druck gegeben – übrigens wegen der hohen inhaltlichen Qualität nicht, wie ursprünglich geplant, als Taschenbuch, sondern als hochwertige Hardcoverausgabe. Eine weiteres überraschendes Angebot vom Verlag, das mich sehr beglückt hat!

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Viele Leute haben an dem Projekt mitgearbeitet. Nach welchen Kriterien wurden die Geschichten ausgewählt?

An „Grotesk!“ an sich haben neben den Autoren drei Leute mitgearbeitet: der Verleger Christoph Bizer-Neff von Candela, Claudia Speer vom Werbeatelier Bad Homburg (Satz und Cover) und ich (Herausgeber, Lektor). Dazu kommen natürlich noch Verlagsmitarbeiter, die etwa die begründeten Absagen an die nicht ins Buch aufgenommenen Autoren verschickt haben und mit dem fertigen Werk an Buchhandlungen herangetreten sind.
Für mich sehr wichtig war, dass ich, wie auch bei meinen vorherigen Herausgaben, völlige Freiheit hatte, was die Anthologie angeht. Dazu gehört ganz klar auch, dass ich völlig selbständig die Geschichten aussuchen und zusammenstellen durfte.

Bei der Geschichten-Auswahl war das entscheidende Kriterium immer: literarische Qualität. Sprache, Plot, Figurenzeichnung, Aussage – das musste zwingend zueinander passen, und zumindest in einem dieser Bereiche musste die Geschichte herausragend sein, etwas wirklich Neues und Eigenes bieten. Dazu kommt: Ich habe mich nicht auf die Geschichte im eingereichten Ist-Zustand konzentriert, sondern auf ihr Potential. Das hat natürlich ein auch für den einen oder anderen Autoren sehr anstrengendes Lektorat bedeutet, ist aber ein ausschlaggebender Grund dafür, dass „Grotesk!“ jetzt die Qualität hat, die es zu einem so besonderen Buch macht.

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Wie schwer war es, einen passenden Verlag für die Anthologie zu finden? Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Candela Verlag, der das Buch ja in einem sehr ansprechenden „Outfit“ präsentiert? 

Das war hier tatsächlich erstaunlich einfach: Candela war nämlich der erste Verlag, bei dem ich mit dieser Idee angeklopft hatte. Und der Verlag hat ja gleich zugegriffen. Kontakt hatte ich zu Candela, da ich als Autor in seiner Krimi-Anthologie „Cruor“ vertreten bin, die gerade erschienen war.

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An der Anthologie haben 22 Autoren mitgearbeitet, unter anderem Du selbst. Wie schwer war es, so viele unterschiedliche Persönlichkeiten unter einen Hut zu bringen? Gab es auch mal Streit, Unstimmigkeiten und „Nörgler“? 

Natürlich war nicht alles immer rosa-plüschig. Zum Glück aber muss man hier ja gar nicht alle wirklich unter einen Hut bekommen – letztlich müssen ja immer nur der jeweilige Autor und ich einen gemeinsamen Weg finden, manchmal ist dieser geradezu von selbst angelegt und muss nur noch beschritten werden, manchmal aber muss man ihn sich auch unter Reibungshitze erarbeiten.
Ich gebe hier auch gerne zu, dass ich im Lektorat durchaus sehr anstrengend sein kann. Fehler lasse ich eben nicht durchgehen. Formulierungen, die einfach nicht sauber sind von Grammatik, Logik oder Satzanschluss her, dürfen nicht im Text bleiben. Manchmal wird mein Verhalten und Argumentieren hier dann schon als haarspalterisch wahrgenommen. Konflikte bleiben da nicht immer aus, und bei drei Autoren war ich mir auch ziemlich sicher, dass nicht mehr viel gefehlt hätte, bis sie mir abgesprungen wären. Im Nachhinein haben genau diese Personen mir das auch mitgeteilt – übrigens dann mit dem Zusatz, dass sie nie gedacht hätten, dass ihr Text so gut werden kann, und sie nun ihre Angst, ich würde ihnen diesen kaputtlektorieren, als unbegründet ansehen.
Dazu muss man noch sagen: Was das Fehlerausmerzen angeht bin ich sehr penetrant, gleichzeitig aber lasse ich den Autoren große Freiheiten, zwinge ihnen keine Formulierungen auf. Auch müssen bei mir keine Konzessionen an einen vermuteten Publikumsgeschmack gemacht werden, Plot, Figuren, Szenen und Sprache dürfen also so sein, wie es der Geschichte gut tut, das sind alles Autor-Entscheidungen.
Diese Freiheiten hören sich selbstverständlich an und sollten es auch sein – doch leider sind sie es eben nicht. Zu oft wird der Autor im Buchgewerbe als Dienstleister angesehen und nicht als Künstler.

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Du selbst bekennst Dich zur Textsucht. Sei es, dass Du lektorierst, rezensierst, Texte selber verfasst oder veröffentlichst. Ich möchte Dich kurz zitieren:

Texte sind streichelbedürftig, zart, zerbrechlich. Aber auch störrisch, struppig, voller Dornen. Nur wer sich ihnen mit ganzer Hingabe widmet, kann ihre tiefe Schönheit sichtbar machen und ihre große Wirkung zu voller Entfaltung bringen“. Das klingt nach einem liebevollen Verhältnis zu Buchstaben. Wie viel Zeit bleibt Dir noch um selbst zu lesen, und welche Werke/Genres/Autoren gehören zu deinen Favoriten?

Mein Leseverhalten ist von großen Schwankungen geprägt – mal lese ich einen Roman an einem Tag weg, dann gibt es auch wieder eine tage- bis wochenlange Lesepause. Ein Rhythmus, der übrigens nur bedingt abhängig von Rahmenumständen ist. Ich lese also nicht zwingend deshalb nicht, weil ich gerade völlig im Stress bin, oder deshalb ganz viel, weil ich gerade viel Freizeit habe.
Mein Lieblingsgenre ist nach wie vor das komische Gedicht, das z. B. durch Ringelnatz, Morgenstern und Gernhardt bekannt ist. Hier habe ich mit „Wortbeben“ denn auch meine erste Herausgabe vorzuweisen. Außerdem verehre ich Kästner für sein lyrisches Werk sehr. Im Bereich der Prosa sind Thomas Manns „Buddenbrooks“, Walter Moers’ „Käpt’n Blaubär“ und Franz Kafka ganz weit vorne. Und auch hier darf ich Kästner nicht unterschlagen: sein „Fabian“ ist wirklich großartig!

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Du bist Autor, Herausgeber, Lektor, Korrektor, Texter und zweiter Vorsitzender im Literatur- und Kunstverein „Realtraum“. Wie lässt sich dies alles miteinander vereinbaren?

Eigentlich sehr gut, schließlich ist das alles der gleiche Sumpf. Man kann die verschiedenen Bereiche oft kaum voneinander trennen, sie fließen ineinander über. Nur die Gebiete „Belletristik“ und „Werbung“ lassen sich recht gut voneinander unterscheiden, aber selbst hier gibt es manchmal fließende Übergänge, wenn z. B. Werbekunden zu einer Lesung von mir kommen.

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Arbeitest Du zu Hause oder hast Du ein externes Büro? 

Ich arbeite von zu Hause aus. Da fällt es manchmal schwer, die nötige Disziplin aufzubringen, zugleich verschafft es einem ein Mehr an Freiheiten – und da ich mich nun in nicht gerade hochbezahlten Bereichen umtreibe, wäre ein externes Büro auch ein praktisch nicht zu stemmender Kostenfaktor. Das erleichtert so eine Entscheidung denn doch auch ungemein.

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Was sind Deine Hobbys? Oder hast Du dein Hobby zum Beruf gemacht und für andere Dinge bleibt keine Zeit mehr? 

Letztlich habe ich tatsächlich mein Hobby zum Beruf gemacht, v. a. was die Belletristik angeht. Aber ich lese auch nach wie vor aus völlig freien Stücken und einfach nur für mich. Zudem sehe ich gern gute Filme oder, wenn auch viel, viel zu selten, ebensolche Theaterstücke – tolle Geschichten ziehen mich einfach in jeder Form an. Und natürlich gehe ich mit Freunden aus, zum Essen, in die Disco, ins Kino etc.

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Eine letzte Frage: Was plant der Herausgeber Jan-Eike Hornauer als nächstes Projekt? Ist eine weitere Veröffentlichung in Arbeit und darfst Du ein wenig darüber verraten?

Angelaufen ist noch nichts Neues. Es ist ja so, dass die Arbeit einer Herausgabe mit dem Erscheinen des Buches keineswegs abgeschlossen ist, man muss dann ja schon auch kräftig die Werbetrommel dafür rühren. Außerdem ist eine zu enge Taktung nicht so sinnvoll, was die Aufmerksamkeit angeht: Die gleichen Medien bzw. Leser verlieren durchaus etwas das Interesse, wenn zu oft der gleiche Herausgeber mit einem neuen Band ankommt.
Doch natürlich soll es weitergehen, das kann aus meiner Sicht gar nicht anders sein. Was ich mir da grundsätzlich sehr gut vorstellen kann: eine neue Anthologie komischer Gedichte, eine Trash-Kurzgeschichtensammlung oder einen Band rund ums Literarische. Bislang bin ich aber noch mit keiner Idee an einen Verlag herangetreten, das ist alles noch völlig im luftleeren Raum.

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Ich danke Jan-Eike Hornauer für seine Zeit zur Beantwortung meiner Fragen. Wer mehr über ihn erfahren möchte, sollte in der „Textzüchterei“ vorbeischauen.


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© Buchwelten im Februar 2012