Der Pinguin – A Very Graphic Novel von Walter Moers

Erschienen als Taschenbuch
im Penguin Verlag
insgesamt 103 Seiten
Preis: 18,00 €
ISBN: 978-3-328-11002-6
Kategorie: Graphic Novel, Comic

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Ein verliebtes Eskimopärchen, ein Pinguin, Drogen, Alkohol und … Mord!

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Auf der Titelseite ist der Vermerk „Vorsicht! Explicit! Dieses Buch enthält Bilder und Inhalte zu den Themen SEX, GEWALT und DROGEN, die einen gefestigten Charakter und Humor voraussetzen!!!“
Der Hinweis ist nicht unangebracht, denn geht man mit Moers’ Humor nicht konform, so könnte das Graphic Novel tatsächlich eine leichte bis gar unerwartet hohe Form von Entrüstung auslösen. „Der Pinguin – A Very Graphic Novel“ ist eine Reise in die Abgründe des Menschen, äh, Verzeihung, des Pinguins. Da werden freizügig Drogen konsumiert, wird Sex praktiziert und vor allem … abgeschlachtet! Durch die von Moers gewohnten genialen Zeichnungen „liest“ sich dieses Graphic Novel wie ein Film, den man nur als Volljähriger zu sehen bekommt. Ich könnte mir da übrigens tatsächlich eine Verfilmung äußerst unterhaltsam und interessant vorstellen. 😉

Moers Buch ist sicherlich Unsinn, aber was für einer! Witzig ist vor allem auch, dass einem die Geschichte und die Bilder nicht mehr aus dem Kopf gehen. Als wäre es eine literarische Droge, von der man nicht die Finger lassen kann, greift man immer wieder zu dem Büchlein und blättert darin herum, amüsiert sich und grinst unentwegt vor sich hin.
Aber so sind die Comics und Bücher von Walter Moers nun mal: bissig, bösartig, nicht Mainstream und vor allem voller cooler Ideen.


Fazit: „Der Pinguin“ ist ein Buch, das sich definitiv lohnt, denn man „liest“ es nicht nur einmal.

©2023 Wolfgang Brunner für Buchwelten

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Bowie Odyssee 70 von Simon Goddard

Erschienen als Taschenbuch
im Hannibal Verlag
insgesamt 208 Seiten
Preis: 20,00 €
ISBN: 978-3-85445-712-1
Kategorie: Biografie

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Bildhaft geschriebene Biografie über die Anfänge von David Bowie.

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Es gibt wohl kaum jemanden, der den Namen David Bowie nicht kennt. Aber die meisten verbinden diesen Ausnahmekünstler mit seinen weltweit erfolgreichen Hits wie „China Girl“ oder „Let’s Dance“. Wer sich für die gesamte Diskografie dieses Musikers interessierst, weiß, wie vielfältig Bowie sein kann und wie extravagant er seine unvergleichliche Karriere begann. Das vorliegende Buch ist vor allem auch für Menschen interessant, die sich nicht nur für David Bowie begeistern, sondern auch etwas über die musikalische Entwicklung dieser Zeit und auch die damaligen Lebensgewohnheiten wissen wollen. Autor Simon Goddard beschreibt sehr bildhaft, wie die 1970er-Jahre waren, entführt seine Leser in eine Welt, in der vieles anders als heute gehandhabt wurde. Wir begleiten den jungen David Bowie auf seiner Reise in den Erfolg, lernen sehr eindringlich die damalige Zeit kennen und kommen des Öfteren mit Marc Bolan, den charismatischen Sänger der Band T. Rex, in Berührung. Wer also meint, eine reine Biografie über David Bowie zu lesen, könnte unter Umständen ein wenig enttäuscht werden, denn Goddard ist ausschweifend in seinen Beschreibungen der 1970er-Jahre.

„Bowie Odyssee 70“ ist ein besonderes Buch, das sich von anderen Biografien abhebt, in dem es sich nämlich nicht nur ausschließlich auf den Künstler selbst, sondern vielmehr auch auf sein Umfeld konzentriert. Dadurch versteht man aber letztendlich vieles, was den Menschen und Künstler David Bowie in seiner Ganzheit ausmacht. Wenn man diesen Mann durch eine relativ kurze Phase seines Lebens begleitet, spürt man die Dynamik und Kraft, die hinter diesem Musiker steckt und man hört die ersten Alben plötzlich mit anderen Ohren. Gerade die Anfangsjahre begründeten auch die Gerüchte und Spekulationen von Bowies Homosexualität und vor allem auch sein androgynes Auftreten. Es macht unglaublich Spaß, sich für ein paar (Lese-)Stunden in einer Welt aufzuhalten, die mit unserer heutigen nur noch (leider) relativ wenig zu tun hat. Man spürt auf jeder Seite, wie sich die Welt der Musik entwickelt hat und die Künstler neue Wege eingeschlagen haben. Das Buch ist eine faszinierende Reise in die Vergangenheit, in der man sich als Musikinteressierter absolut wohl fühlt.

Gerade weil Goddard einen (zumindest für die breite Masse) relativ unbekannten Lebensabschnitt behandelt, erfährt man hier viele Details, von denen man tatsächlich noch nichts gehört hat. Was mir persönlich besonders gefallen hat, war die Freundschaft (aber auch Konkurrenz) zwischen David Bowie und Marc Bolan. Man konnte sich diese Beziehung absolut gut, fast wie in einem Film vorstellen, so detailgenau und ausführlich wurde sie beschrieben. Auch hier bekam ich einen vollkommen neuen Bezug zu Bowies ersten Alben und auch der Musik von T. Rex. Insgesamt empfand ich diese Biografie als sehr außergewöhnlich, weil sie, wie oben bereits beschrieben, nicht nur den Künstler David Bowie beleuchtet, sondern auch ein Bild jenes Jahrzehnts aufzeigt, das, im Gesamten betrachtet, Bowies Leben und Karriere greifbarer als bislang macht. Ich habe das Buch sehr genossen und kann es aus voller Überzeugung empfehlen. Für Bowie-Fans ein Muss, für alle anderen ein beeindruckender Ausflug in die musikalische Welt der 1970er-Jahre.

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Fazit: Ein wunderbarer Ausflug in die 1970er-Jahre, in denen die unglaubliche Karriere von David Bowie begann.

©2021 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Die Töchter der Grossen Mutter von Alfons Winkelmann

Erschienen als Taschenbuch
im Verlag Der Romankiosk
insgesamt  372 Seiten
Preis: 14,99 €
ISBN: 978-3-7529-5736-5
Kategorie: Drama, Thriller

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Nicole hat Zuflucht in einer Sekte gesucht. Sie heißt dort »Sor Erdmuthe« und ist vollkommen davon überzeugt, in jeder Hinsicht das Richtige zu tun. Doch ihr Verlobter Jan gibt nicht auf und entführt sie aus den Fängen der Sekte, um sie wieder zur Besinnung zu bringen. Sie glaubt ihm jedoch kein Wort und sieht in den realen Ereignissen um sich herum eine Verschwörung gegen sich und die anderen Töchter der Sekte. Außerdem hört sie immer wieder die Stimme der Großen Mutter, die ihr sagt, was zu tun ist, dass sie nämlich gegen den Teufel kämpfen soll. Und dieser Teufel, den sie vernichten soll, steckt angeblich in Jan.

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Alfons Winkelmann hat mich bereits mit seinem Roman „Die Insel der Wahrheit“ begeistert, umso mehr war ich jetzt auf „Die Töchter der Großen Mutter“ gespannt. Tja, was soll ich sagen: Winkelmann hat es tatsächlich geschafft und mich mit diesem Drama noch tiefer beeindruckt und vor allem gefesselt. Es liegt zum einen an dem wunderbaren, gehobenen Schreibstil, den der Autor besitzt, zum anderen aber auch in der Detailgenauigkeit der Charakterzeichnungen und Geschehnissen. „Die Töchter der Großen Mutter“ erzählt von einer Frau, die irritiert ist und genau genommen nach dem Sinn ihres Lebens sucht. Winkelmann schafft es hervorragend, diese ganzen Zweifel, Ängste und verwirrten Gedanken für den Leser verständlich zu machen, so dass man viele ihrer Handlungen absolut nachvollziehen kann. Der Roman regt zum Nachdenken an, nicht nur über die krasse Einflussnahme einer Sekte ins eigene Leben, sondern auch über die Art und Weise, wie man sein Leben betrachten und in die richtigen Bahnen lenken sollte. Das Buch zeigt auf, wie man aus Unwahrheiten und falschen Versprechungen schnell eine Wirklichkeit machen kann, die nicht nur das eigene Leben zerstört. Ähnlich wie bei „Die Insel der Wahrheit“ schafft es der Autor, nahezu Unbeschreibliches klar und deutlich zu formulieren und den Lesern transparent zu vermitteln. Das ist eine ganz eigene Kunst des Fabulierens, die ich in dieser Art bislang recht selten erleben durfte.

Alfons Winkelmanns Drama ist nicht reißerisch, aber dennoch so dermaßen faszinierend, dass man diese Welt, in der es spielt, gar nicht mehr verlassen will. Die Worte, mit denen Winkelmann die Geschichte erzählt, sind hypnotisch und lassen einen, selbst wenn gar nicht einmal so viel passiert, gebannt eine Seite nach der anderen lesen. Die Erzählung entwickelt sich wie ein Sog, der einen – sofern man sich darauf einlassen kann – nicht mehr loslässt und bis zum Ende gefangen hält. Solche Bücher sind wirklich selten, weil sie sich enorm intensiv mit den Protagonisten und deren Schicksalen und Beweggründen beschäftigen. Wer einen klar strukturierten Roman erwartet, wird vielleicht enttäuscht sein ob der angeblichen Längen beziehungsweise einer fehlenden Action oder Spannung, die einem in diesem Roman begegnen. Wer sich jedoch für lebendige Figuren interessiert und sie auf ihrem physischen als auch gedanklichen Weg begleiten will, wird, wie ich, hellauf begeistert sein. Alfons Winkelmann hebt sich wohltuend vom Einheitsbrei der Literatur ab und hält an seinem eigenen Weg fest: Geschichten zu erzählen, die auch zwischen den Zeilen und im Kopf des Lesers stattfinden und nicht nur in den geschriebenen Worten. Diese Vorgehensweise begeistert mich immer wieder bei seinen Romanen.

„Die Töchter der Großen Mutter“ gleicht in seiner Sogwirkung fast einem Drogenrausch. Die Geschichte, aus der Sicht der Protagonistin erzählt, fühlt sich verwirrend, gleichzeitig aber auch irgendwie klar und nachvollziehbar. Ich sah viele der Szenen wie einen Film vor meinem inneren Auge, was mich sehr tief in die Handlung eintauchen ließ. Alfons Winkelmann ist ein Autor, den ich immer wieder lesen könnte, weil er mich schlichtweg mit seinem außergewöhnlichen Schreibstil, seiner Detailverliebtheit und seinen Ideen packt. Ich dachte nicht, dass Winkelmann „Die Insel der Wahrheit“ noch toppen könnte, war daher umso überraschter, dass es ihm mit diesem Roman dennoch gelang.
Der Roman ist, wie auch „Die Insel der Wahrheit“, äußerst intellektuell, weshalb wahrscheinlich die meisten „Mainstream-Leser“ mit der Geschichte leider nichts anfangen können, weil sie keine Lust haben, selbst Dinge in die Sätze hineinzuinterpretieren. Alfons Winkelmanns Werke sind Bücher zum „Mitmachen“ und Nachdenken und erinnern mich manchmal an ein literarisches Gegenstück zu Filmen von Regisseuren wie David Lynch oder Terrence Mallick.

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Fazit: Berührend, einfühlsam, faszinierend und auf ganz eigene Weise ungemein spannend.

©2021 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Die Stunde der Wut von Horst Eckert (Melia/Vincent-Reihe II)

Erschienen als Klappenbroschur
im Heyne-Verlag
insgesamt 448 Seiten
Preis: 12,99 €
ISBN:  978-3-453-27343-6
Kategorie: Thriller/Politthriller

Melia Adan (vormaliger Deck(nach)name Khalid) arbeitet inzwischen als Kriminalrätin und ist somit die Vorgesetzte von Vincent Che Veih.

Eine Abiturientin stirbt nach einer Messerstecherei in ihrer Wohnung. Sie kann noch den Notarzt rufen, die Hilfe kommt jedoch zu spät. Als die Sanis eintreffen, ist sie ihren Verletzungen erlegen. Alles deutet auf einen Streit mit ihrem Freund hin. Doch liegt der Fall so einfach? Schließlich hat eine dritte Person in der gemeinsamen Wohnung übernachtet. Wer war das und was war der Grund des Besuchs? Dies gilt es für Vincent nun herauszufinden.

Melia indessen gibt nicht auf, nach Solveig Fischer zu suchen. Während des letzten Falls ist die Verfassungsschützerin und Kollegin spurlos verschwunden. Melia ist der festen Überzeugung, dass Solveig auf dem ehemaligen Bauernhof, den sie im Zuge der Ermittlungen gegen Neonazis aufgesucht hatte, ermordet und im Fundament des neu errichteten Gebäudes eingegossen wurde.

Vincent ist zwischenzeitlich nicht der Meinung, dass der Freund der Abiturientin Klara Dorau der Mörder ist. Denn in dieser Familie scheint es einige Unstimmigkeiten zu geben. Und damit ist nicht nur der ältere Bruder gemeint, der einmal den Neonazis sehr zugehörig war …

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Was für ein spannender und fesselnder Thriller. Ich bin nur so durch die Handlung gerast und bin begeistert. Vincent Che Veih ermittelt ja nun bereits seit einigen Jahren und alle seine Fälle gefielen mir sehr gut. Melia Adan (Khalid) kenne ich seit dem letzten Band „Im Namen der Lüge“. Und mir gefällt dieser zweite Teil sogar noch besser. Kam ich im ersten gemeinsamen Fall der beiden doch ab und an mit den Namen der Figuren durcheinander, so habe ich hier voll den Überblick behalten. Und das, obwohl es verzwickter und verwobener eigentlich gar nicht geht. Alles und jeder hängt miteinander zusammen, „klüngelt“ untereinander. Solch eine umfangreiche und komplexe Handlung so logisch, spannend und fesselnd zustande zu bringen, da gehört schon was zu. Eckert vergisst nicht eine Kleinigkeit in der Geschichte, Nebenfiguren aus vorgehenden Romanen, alle tauchen irgendwie wieder auf und kommen zum Zuge.

Horst Eckert recherchiert wirklich gut und bringt die Dinge so zu Papier, dass man merkt, dass er sein Handwerk und das des Polizeiapparats und der Politik versteht. Er beschreibt Machenschaften, die hinter den Kulissen ablaufen, wie Drogenhandel, Geldgeschäfte und soviel mehr. Und nebenher zeichnet er seine Charaktere gründlich, sehr menschlich und tiefgründig. Gibt ihnen ihre eigenen Geschichten, viel Zwischenmenschlichkeit und macht den trockenen Stoff damit „wett“. Er schenkt dem Leser Zeit, abzuschalten, sich zurückzulehnen und etwas runterzukommen.

Ich lese Horst Eckert seit vielen Jahren und bin ein großer Fan seiner Werke. Hier auf Buchwelten gibt es bereits einiges von mir über ihn zu lesen. Unter anderem ein Interview, dass wir vor einigen Jahren geführt haben –>hier <–

Ich kann den zweiten Teil der Melia/Vincent-Reihe nur empfehlen. Fesselnde, sehr spannende Lesestunden mit wunderbaren Protagonisten jeder Art sind garantiert.

© Marion Brunner_Buchwelten 2021

Blu Ize von Arthur Gordon Wolf

Erschienen als gebundene Ausgabe
im KOVD Verlag
insgesamt 64 Seiten
Preis: 6,99 €
ISBN: Privatdruck – ohne ISBN
Kategorie: Science Fiction, Dystopie

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Drogen und Musik bestimmen das Leben der sogenannten Cyber Cranks, jungen Menschen, die den absoluten Kick in ihren Leben suchen. Pokey und seine Kumpels gehören dazu und experimentieren mit der neuen Droge namens Blu Ize. Sie ahnen jedoch nicht, was sie mit diesem Trip heraufbeschwören.

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Nach „Die weissen Männer“ (ebenfalls im KOVD Verlag erschienen) kommt nun als Appetizer ein zweiter Ausflug in das UMC-Universum von Arthur Gordon Wolf. Und diese Novelle hat es gehörig in sich.
Der Leser begleitet eine Gruppe Jugendlicher, die eine neue Droge namens Blu Ize ausprobieren wollen und dabei einen wahrhaftigen Höllentrip erleben. Mit hat „Blu Ize“ sogar noch einen Tacken besser als „Die weissen Männer“ gefallen, weil es mich in eine dystopische Zukunftswelt geworfen hat, die mich teilweise an „Blade Runner“ und „Ready Player One“ erinnert hat. Wolf schafft es von den ersten Sätzen an, den Lesenden in seinen Bann zu ziehen. Seine detailreichen und vor allem bildhaften Beschreibungen nehmen den Leser hautnah mit auf diesen einzigartigen Drogentrip, an den man sich trotz seiner Kürze noch lange erinnern wird.

Mich hat vor allem das Setting fasziniert, das, zusammen mit den authentischen Dialogen, eine Welt erschaffen hat, die einen förmlich inhaliert. Das Büchlein liest sich fast selbst schon wie ein Drogenrausch, da hat Arthur Gordon Wolf wirklich ganze Arbeit geleistet. Erstaunlich finde ich auch, dass sich die Geschichte viel länger anfühlt, als sie in Wirklichkeit ist. Nun bin ich jedenfalls vollends im UMC-Universum gefangen und kann es kaum erwarten, neue Geschichten aus dieser Welt zu lesen. Die Story liest sich sehr flüssig und macht tatsächlich, wie vom Verlag unter der Kategorie „Appetizer“ beabsichtigt, mehr Appetit auf andere Geschichten von Arthur Gordon Wolf.
Die Verschmelzung von Realität und Drogenhalluzinationen ist dem Autor extrem gut gelungen, so dass man selbst als Leser manchmal rätselt, was denn nun wahr ist und was nicht. Und am Ende bekommt man dann noch eine Wendung serviert, mit der man nicht gerechnet hat. „Blu Ize“ ist ein Büchlein, ein literarischer Appetithappen, der absolut Spaß macht und in seiner Kürze dennoch ein episches Abenteuer bietet.
Uneingeschränkte Leseempfehlung meinerseits.

Die Aufmachung des Buches ist einfach nur sagenhaft, besonders wenn man sich den geringen Preis vor Augen hält.

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Fazit: Epische Novelle, die Realität und Drogenrausch verschmelzen lässt.

©2021 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Die Frau mit den zwei Gesichtern von Uwe Wilhelm

Die Frau mit den zwei Gesichtern von Uwe Wilhelm

Erschienen als Taschenbuch
bei Blanvalet
insgesamt 398 Seiten
Preis: 10,00 €
ISBN: 978-3-7341-0701-6
Kategorie: Krimi, Thriller

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Noa Stern betätigt sich als Bodyguard, kann mit einer Waffe genauso gut umgehen wie mit einem Motorrad und hat Kontakte zur Berliner Unterwelt. Als sie von einem der mächtigsten Männer Berlins erpresst, erwacht ein verhasster Teil ihrer Vergangenheit zu neuem Leben und Noa muss sich ihren Dämonen stellen. Sie soll einen riskanten Auftrag erledigen und ahnt noch nicht einmal annähernd, dass mit diesem Job nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch das ihrer Tochter auf dem Spiel steht …

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Auf gewohntem Niveau schickt Uwe Wilhelm mit Noa Stern eine neue Heldin auf die Reise, die so manches Mal an die beeindruckende Helene Faber aus Wilhelms „Blut“-Trilogie erinnert. Stern ist eine toughe Frau, die sich nichts sagen lässt, am allerwenigsten von Männern. Und da bin ich auch schon an einem wichtigen Punkt angelangt, auf den sich Uwe Wilhelm wohl ein klein wenig spezialisiert hat: Kritik an einer von Männern dominierenden Welt. Wilhelm macht das so geschickt, dass man aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommt. Man fühlt sich, auch als Mann, sofort angesprochen, wenn geschildert wird, wie sich so manch ein Mann gegenüber Frauen verhält. Dieser Aspekt, der in Wilhelms Büchern (zumindest seinen letzten) immer eine sehr große Rolle spielt, verleiht seinen Geschichten eine beängstigende Authentizität, über die man eigentlich gar nicht so gerne nachdenken möchte. Umso mehr empfinde ich Wilhelms Aussagen als sehr mutig und vor allem auch wichtig, um genau solche Missstände aufzudecken und nicht zu tabuisieren.

„Die Frau mit den zwei Gesichtern“ ist ein Pageturner sondergleichen, der einen von der ersten Seite an nicht mehr loslässt. Man muss wissen, wie es weitergeht, wie sich die Geschichte entwickelt und was den Protagonisten, allen voran Noa Stern, geschieht. Uwe Wilhelm verpackt in seinem Thriller oftmals Lebensweisheiten, die er in literarisch hochwertigen Sätzen zum Ausdruck bringt, und die ich ein paar Mal lesen musste, weil sie mich derart faszinierten. Er schafft es, Dinge aus der Sicht von Frauen zu beschreiben, so dass man mitfühlt und -denkt. Es gibt wirklich grandiose Passagen (wie auch bereits in der Helene-Faber-Trilogie), die weibliche und vor allem männliche Leser zum Nachdenken bringen. Hinzu kommt der überaus flüssige und bildhafte Schreibstil, der den Roman zu einem wahren Lesegenuss macht. Uwe Wilhelm hat und schreibt immer noch Drehbücher, was man in seinen Romanen immer wieder bei seinen wunderbaren Dialogen bemerken kann. Die Gespräche wirken so natürlich und aus dem Leben gegriffen, dass es eine wahre Freude ist, sie zu lesen.

Rasant und durchgängig mit einem gewissen Charme und Humor erzählt Uwe Wilhelm die Geschichte einer Frau, die mit ihrer Vergangenheit, ihrer Zukunft und ihrem Leben im Allgemeinen zu kämpfen hat. Verbrecherische Machtgefüge hinter den Kulissen einer Großstadt werden ebenso behandelt wie Sexualität, Gewalt und Liebe. Wie gesagt, es wirkt alles wie aus dem Leben gegriffen, nur eben verpackt in einer spannenden Story, die sehr ausgeklügelt daherkommt und daher auch in Sachen Logik absolut überzeugen kann. Ich kann ohne Einschränkung behaupten, dass sich Uwe Wilhelm seit seiner Helene-Faber-Reihe in die Top Ten meiner Lieblingsautoren geschlichen hat und dies mit dem vorliegenden Roman nochmals untermauern konnte. Seine Protagonisten wachsen mir mit ihren kleinen Fehlern und Charakterschwächen, aber auch ihrem Mut, Durchhaltevermögen und unerschütterlichen Lebenswillen sehr schnell ans Herz. Ich freue mich schon jetzt auf neues „Futter“ von Uwe Wilhelm und spreche auch für „Die Frau mit den zwei Gesichtern“ eine unbedingte Leseempfehlung aus.

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Fazit: Spannender und unglaublich authentischer Pageturner.

©2020 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Tod im Februar von Alan Parks

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Erschienen als Taschenbuch
im Heyne Verlag
insgesamt 428 Seiten
Preis: 16,00 €
ISBN: 978-3-453-27198-2
Kategorie: Krimi, Thriller

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Detective Harry McCoys Rückkehr in den Polizeidienst könnte nicht schlimmer sein: Ein Fußballspieler  wird tot aufgefunden. Der Mörder hat eine blutige Nachricht  in die Brust des Opfers geritzt. Bald gibt es einen zweiten Mord und der Februar des Jahres 1973 wird für den ermittelnden McCoy immer unbehaglicher. Er geht seinen gewohnten, unkonventionellen Weg und sucht sich außergewöhnliche Hilfe. Und irgendwann muss er feststellen, dass das Ganze sogar mit seiner eigenen Vergangenheit zu tun hat.

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Alan Parks braucht nicht lange, um den Leser zurück in die düsteren 70er Jahre zu werden und ihn mit einer fast schon deprimierenden Stimmung einzufangen. Es ist wirklich unglaublich, wie der Autor es auch in seinem zweiten Buch über den Ermittler McCoy schafft, eine derart intensive Atmosphäre einzufangen, so dass man glaubt, man wäre mittendrin. Und selbst wenn man zwischen dem ersten und dem vorliegenden zweiten Teil ein paar andere Bücher gelesen hat, so fällt es nicht schwer, sich dem Plot und den Charakteren wieder anzupassen. „Tod im Februar“ ist erneut ein sehr beeindruckender und stimmungsvoller Thriller geworden, der sich bestens für eine Verfilmung eignen würde.

Der Schreibstil ist sehr gehoben, wenngleich Parks kein Blatt vor den Mund nimmt und auch schon gerne einmal etwas vulgär spricht. Wenn dies geschieht, passt es aber hervorragend in die entsprechende Szene oder den Dialog und stört absolut nicht. Ich für meinen Teil muss zugeben, dass ich Harry McCoy wirklich sehr mag. Es ist vor allem seine Natürlichkeit, die mich an diesem Charakter fasziniert. Der Mann ist so echt und greifbar, weil er nicht denkt und handelt wie ein Superheld, sondern wie ein normaler Mensch mit Ecken und Kanten. Vom Charakter her erinnerte er mich ein wenig an Sam Wyndham aus Abir Mukherjees Trilogie. Diese Ermittler sind so herrlich untypisch und entsprechen nicht der gewohnten Norm. Der Fall des vorliegenden Romans ist wieder äußerst brutal und sehr undurchsichtig. Dass er dann noch in einer dreckigen Umgebung spielt und auch Ganoven eine wichtige Rolle spielen, macht das Ganze sehr interessant und, wie bereits erwähnt, auch äußerst stimmungsvoll.
Aufgrund des flüssigen Schreibstils kann man das Buch tatsächlich schwer aus der Hand legen. Somit kann „Tod im Februar“ durchaus das Prädikat „Pageturner“ verliehen werden.

Der Charakter des Protagonisten bekommt in diesem zweiten Teil noch weitaus mehr Menschlichkeit, weil man ihn einfach noch näher kennen lernt als im ersten Band der Reihe. Genau diese Entwicklung der Figur macht aus „Tod im Februar“ eine sehr starker und lesenswerte Fortsetzung.
Und auch der Mordfall ist, wie schon bei Teil 1,  komplex und absolut unvorhersehbar. Man erkennt den  Zusammenhang der verschiedenen Handlungsstränge lange nicht, die sich am Ende zu einer ganz besonderen Auflösung verknüpfen, mit der ich so nicht gerechnet hätte. Ich bin wirklich sehr gespannt, wie Alan Parks dieses hohe Niveau mit einem dritten Teil übertreffen oder zumindest gleichwertig halten wird.

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Fazit: Ebenso beeindruckend wie der erste Teil mit einer intensiv düsteren Atmosphäre.

© 2019 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Ich von Elton John

ICH

Erschienen als gebundene Ausgabe
im Heyne Verlag
insgesamt 496 Seiten
Preis: 26,00 €
ISBN: 978-3-453-20292-4
Kategorie: Autobiografie

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Eine lebende Legende erzählt aus seinem bewegenden, nicht immer nur schillernden Leben.

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Ich war natürlich gespannt, was diese Autobiografie zu sagen hatte, vor allem, nachdem ich den wunderbaren Film „Rocketman“ gesehen und dadurch ein vollkommen neues Bild des exzentrischen Sängers erhalten habe. ich war von dem Film regelrecht begeistert und beeindruckt, aber was Elton John mit seiner Autobiografie abgeliefert hat, übertraf all meine Erwartungen um ein Vielfaches (und ich habe nach dem Film hohe Erwartungen gehabt). Es ist wirklich äußerst beeindruckend, wie offen Elton John aus seinem Leben erzählt. Von seinen Ängsten und Hoffnungen. Von seiner Suche nach Liebe und Glück, aber auch seinem ausschweifenden Leben inmitten von Alkohol und Drogen. Ich kann gar nicht oft genug wiederholen, wie sehr mich diese Offenheit beeindruckt, mit der der Musiker sein Leben erzählt. Da wird kein Blatt vor den Mund genommen, wenn es um seine Drogenexzesse und seine Homosexualität geht. Interessanterweise ist dieses Leben auf eine gewisse Art und Weise „normal“, auf der anderen Seite so unglaublich, emotional und nahezu episch, wenn man nach den letzten Seiten das Buch zuschlägt.

Elton John wird einem durch diese Biografie sehr sympathisch und man möchte ihn am liebsten persönlich kennenlernen und erst einmal in den Arm nehmen. Ich kann nur meinen virtuellen Hut ziehen vor diesem Rückblick auf ein Leben, in dem es um Mut, Rückhalt und vor allem auch Selbstbewusstsein geht. Auch wenn Elton John immer wieder betont, er hätte in gewissen Dingen kein Selbstbewusstsein, so zeigt „Ich“, dass er sehr wohl immer wieder die Kraft fand, sein Leben so zu gestalten, wie er es möchte. An vielen Stellen äußerst humorvoll, werden Anekdoten erzählt, bei denen man gerne dabei gewesen wäre. Aber auch dramatische Selbstmordversuche werden nicht unter den Teppich gekehrt und im Nachhinein auch mit einer gewissen Selbstironie beschrieben. Seine sexuelle Entwicklung, die auch die Suche nach weiblicher Liebe beinhaltet, wird sehr glaubwürdig mit all den Sehnsüchten und Zweifel beschrieben, so dass man in Elton John einen sehr sympathischen und auch empathischen Menschen sieht. Plötzlich erkennt man in seiner Musik ganz andere Perspektiven als beim oberflächlichen Zuhören. Elton John besteht nämlich nicht nur aus seinen weltweiten Hits, sondern kann weitaus mehr vorweisen als nur Balladen.

Es liest sich fast wie ein „Who is who“, wenn man die Musiker und Künstler in diesem Buch entdeckt, mit denen Elton John zu tun hatte. Mit dem einen mehr, mit dem anderen weniger. Oft entstanden aber wunderbare Freundschaften, die über Jahre hinweg andauerten und besonders die Beziehung zu Rod Stewart sorgt in dieser Biografie für so manch ein Grinsen während des Lesens. Elton John steht immer zu seinem Leben, egal was er gemacht hat, egal ob positiv oder negativ. An manchen Stellen verlor ich mich während des Lesens richtiggehend in seiner Geschichte und hatte den Eindruck, er säße mir gegenüber und erzählt mir mit einem Glas Bier in der Hand seine Lebensgeschichte. „Ich“ ist eine der wenigen Autobiografien, die ich sofort wieder lesen könnte, so perfekt hat sich mich unterhalten und emotional auch getroffen. Es ist eine ehrliche und ungefälschte Lebensgeschichte, an der Elton John uns teilnehmen lässt. Und am Ende, wenn er im Epilog noch einmal über die Zukunft seines Lebens nachdenkt, fühlt man sich direkt angesprochen. Ich bin wirklich schwer begeistert.
Es ist vor allem unglaublich faszinierend, in welcher Rekordzeit man die 500 Seiten „inhaliert“.

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Fazit: Lebensbejahend, schrill, hoffnungsvoll, sympathisch, emotional, ehrlich … eine Achterbahnfahrt, die gelesen werden muss.

© 2019 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Die Ernte des Bösen von Robert Galbraith

Die Ernte des Boesen von Robert Galbraith
Erschienen als gebundene Ausgabe (mit Leseband)
bei blanvalet
insgesamt 672 Seiten
Preis: 22,99 €
ISBN: 978-3-7645-0574-5
Kategorie: Kriminalroman

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Robin Ellacot bekommt auf ihrer Arbeitsstelle, der Detektei von Cormoran Strike, ein Paket zustellt, das schockierend und brutal ist. Es ist ein abgetrenntes Frauenbein. Natürlich ist auch Ihr Chef, Cormoran Strike, nicht begeistert. Ihm fallen jedoch auf Anhieb gleich drei Personen ein, denen er diese Art der Zustellung zutraut. Und alle drei sind sie gefährlich und zu derartigen Grausamkeiten fähig.

Die Polizei, mit der Strike in Kontakt steht, fixiert ihre Ermittlungen stur in eine Richtung. Cormoran ist aber der Meinung, dass man alle von ihm benannten Verdächtigen überprüfen sollte.


Darum geht Strike und Robin Ellacot, die ja seit langem mehr als seine einfache Sekretärin ist, neben ihren eigentlich Aufträgen selbständig ihren Ermittlungen nach. Immer tiefer dringen sie ein in die dunklen und gefährlichen Umfelder der drei Männer und dabei ziehen die zwei nicht nur den Unmut der Polizei auf sich, sondern bringen sich selbst auch mehr und mehr in missliche Umstände …

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Das ist der dritte Teil der Cormoran Strike-Reihe, den die Autorin J.K. Rowling unter dem Pseudonym Robert Galbraith veröffentlicht. Auch wenn ihre Tarnung ja relativ schnell aufgeflogen ist, schreibt sie nach wie vor unter dem männlichen Deckmantel weiter, den sie, wie sie selbst sagt, als „ihre persönliche Spielwiese“ bezeichnet.

Und wieder einmal kann ich nur sagen: Glückwunsch, sehr gut gemacht. Die beiden Charaktere Cormoran Strike und Robin Ellacot machen so unglaublichen Spaß, dass die knapp 700 Seiten mit einem Fingerschnipser durchgelesen sind. Galbraith hat hier zwei so unterschiedliche, liebenswerte und sich wunderbar ergänzende Figuren geschaffen. In ihrem dritten Teil gehen die beiden natürlich ganz anders miteinander um als im ersten Band. Sie sind sich nähergekommen, so gut das eben bei dem Brummbär Strike so geht und die Stimmung unter diesem Duo der besonderen Art ist einfach toll. Nein, nicht immer friedlich und lieb. Bei weitem nicht. Aber auf das Zwischenmenschliche möchte ich auch nicht näher eingehen, denn dass macht die Romane zum Großteil mit aus, darum einfach selbst lesen ☺. Und es gibt auch immer wieder neue und schräge Vögel als Nebenfiguren, die Galbraith sehr gut darzustellen vermag.

Die Handlung ist wunderbar verzwickt und gut erdacht und der Leser grübelt fleißig mit, kommt aber doch nicht drauf. Zu geschickt legt die Autorin hier ihre Spuren und Fäden aus. Und es ist wieder stellenweise heftig und unschön, also nicht immer was für zarte Nerven. Wobei die letzten Potters ja auch recht heftige Szenen zu bieten hatten. Dennoch, Leser, die es nicht gerne blutig und etwas heftiger mögen, sollen gewarnt sein.

Die Ermittlung des Mordes ist der eine Strang, der zweite sind natürlich die private Seiten der beiden Protagonisten, die außerhalb der Ermittlungsarbeit ihre eigenen Leben mit sämtlichen Problemen und Glücksmomenten zu bieten haben. Auch diese Teile der Geschichte machen Freude und sind sehr gut und auch emotional geschrieben.

Austoben konnte sich Robert Galbraith wieder im Hinblick auf „sein London“. Da kennt er sich aus und das merkt man an den deutlichen liebevollen und detaillierten Beschreibungen auch hier wieder.

Auch wenn die Romane hier in London spielen, habe ich immer irgendwie ein Stimmungsgefühl wie in den Mr. Mercedes Romanen von Stephen King. Ich kann nicht einmal genau erklären warum, doch es ist so. Leser die beides kennen, können mir ja mal sagen, ob es ihnen auch so ergeht.

Mein Fazit: Ein großartiger dritter Teil der Reihe um den Detektiv mit der Beinprothese und seiner rotblonden, schlagfertigen und liebenswerten Assistentin Robin Ellacot. Spannend, mitreißend und in einem tollen Stil wird der Leser auf knappen 700 Seiten in einem stimmungsvollen Krimi gefangen und erfährt zudem noch vieles über die Vergangenheiten der beiden Hauptpersonen. Daumen hoch!

© Marion Brunner_Buchwelten 2017

Rezension zu  Teil 1 – „Der Ruf des Kuckucks“

Rezension zu Teil 2 – „Der Seidenspinner“ 

Junktown von Matthias Oden

Erschienen als Taschenbuch
bei Heyne
insgesamt 400 Seiten
Preis: 12,99 €
ISBN: 978-3-453-31821-2
Kategorie: Science Fiction, Krimi

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In einer Welt, in der der Konsum von Drogen gesetzlich vorgeschrieben ist, wird Inspektor Solomon Cain in Junktown zu einem Mord-Tatort gerufen. Das Opfer ist ein höheres Maschinenwesen mit Gefühlen, eine sogenannte Gebärmutter, die für den Staat Geburten austrägt. Während Cains Ermittlungen stellt sich heraus, dass es nicht nur ein „einfacher“ Mord war, sondern eine Tat, die sich aus Vertuschungen zu einem sensationellen Skandal entwickelt. Bald ist Cain ein einsamer Kämpfer gegen einen mächtigen Gegner …

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Zugegebenermaßen dauerte es etwas, bis ich mich in den Debütroman von Matthias Oden eingefunden hatte. Obwohl sein Schreibstil klar und flüssig ist, musste ich mich dennoch irgendwie daran gewöhnen und mich mit ihm vertraut machen. Jede Menge Fremdbegriffe, mit denen man zuerst einmal nichts anfangen kann, werden einem auf jeder Seite präsentiert und verunsichern etwas. Da mag der ein oder andere ungeduldige Leser vielleicht sogar resigniert aufgeben, weil er zu wenig von dem Ganzen versteht. Doch wenn man die ersten Seiten hinter sich gelassen hat, wird man mit einem tollen, ideenreichen Krimi-Plot in Science Fiction-Atmosphäre belohnt. Odens Roman wirkt wie eine Mischung aus Philip K. Dicks „Blade Runner“ , George Orwells „1984“ und einem Schuss Film Noir. Eine wirklich außergewöhnliche und stimmungsvolle Atmosphäre zieht sich durch den kompletten Roman und verleitet oft zum Weiterlesen, obwohl man schon längst hätte aufhören wollen.

Am faszinierendsten an „Junktown“ fand ich allerdings den originellen und unersättlichen Einfallsreichtum, der sich auf fast jeder Seite eröffnet. Alleine die Ideen zu erfassen gleicht einem unglaublichen Abenteuer, das Oden dann noch geschickt in eine äußerst glaubwürdige und nachvollziehbare Handlung verwebt. Die Maschinenwesen erinnerten mich, wie gesagt, ein wenig an „Blade Runner“, aber Matthias Oden geht definitiv einen eigenen Weg und erschafft eine Zukunftsvision, in der man sich verlieren kann, wenn man sich darauf einlässt beziehungsweise einlassen kann.  „Junktown“ ist auch definitiv politisch, vieles ist offensichtlich, anderes zwischen der Zeilen versteckt. Wer sich mit Politik auskennt, wird einiges entdecken. Erfreulicherweise ist aber die Geschichte auch  für diejenigen Leser, die sich nicht besonders für Politik interessieren, absolut spannend und nachvollziehbar.

Mathias Oden hat eine zukünftige Welt entworfen, die gar nicht so sehr abwegig wirkt. Drogenkonsum als Pflicht mag unwahrscheinlich klingen, aber durch solch eine Vorgehensweise hätte die Regierung absolute Kontrolle über ihre Bürger. Das wäre doch selbst für die heutigen Politiker mehr als erstrebenswert, oder? Es macht einfach unglaublich Spaß, den Ermittlungen des Inspektors zu folgen und sich in dem detailliert entworfenen Weltbild einer Zukunft zurechtzufinden. Der Plot hätte durchaus noch ein wenig mehr Gesellschaftskritik vertragen, aber letztendlich hätte der Autor dann den Kreis einer interessierten Leserschaft massiv eingeschränkt. So verträgt sich ein spannender Plot aber mit sarkastischen, politischen Beanstandungen hervorragend.

Was dem Autor auch absolut gut gelungen ist, ist die Charakterzeichnung und die Gefühlswelt einer Mensch-Maschine. Neben der Krimihandlung webt Oden auch eine Liebesgeschichte mit ein, die mir persönlich absolut gefallen hat, so dass ich mir in der Tat mehr davon gewünscht hätte. Zum einen hat dieser Beziehungsstrang die Handlung ein wenig aufgelockert, zum anderen hat er der erfundenen Zukunftswelt auch die nötige Authentizität verliehen, denn Sex mit Maschinen könnte in einer nicht mehr allzu fernen Zukunft tatsächlich zur Realität werden.
Viele der außergewöhnlichen Ideen werden nur mit einem einzigen Satz angesprochen und regen den Leser dazu an, darüber nachzudenken, was sich denn  dahinter verbirgt. Für den ein oder anderen mag das zu wenig sein, für mich brachten genau diese Stellen  meine Fantasie und mein Kopfkino zum Einsatz. Da wird nicht lange erklärt, sondern zum Beispiel einfach nur der Begriff „Spermabad“ in den Raum geworfen und der Leser kann sich selbst ein Bild davon machen, wie so eine Institution aussieht. Ich finde, man muss nicht alles vorgesetzt und detailliert beschrieben haben, sondern kann auch mal selbst seine Fantasie spielen lassen. In dieser Hinsicht hat Matthias Oden es aus meiner Sicht richtig gemacht.

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Fazit: Matthias Oden entwirft mit „Junktown“ ein fast trostloses Zukunftsbild. Düster, dreckig und innovativ wird ein spektakulärer Mordfall beschrieben, dessen Atmosphäre im Kopf haften bleibt.

© 2017 Wolfgang Brunner für Buchwelten