Gefrorener Schrei von Tana French

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Erschienen als Taschenbuch
bei S. Fischer Verlage
656 Seiten
16,99 €
ISBN: 978-3-651-02447-2
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Eine junge Frau wird tot in ihrem Cottage aufgefunden. Es sieht alles nach einer eindeutigen Beziehungstat aus. Das Opfer wurde geschlagen, schlug unglücklich mit dem Hinterkopf auf und starb.

Der Fall kommt gegen Ende der Nachtschicht rein und so erhalten die Detectives Antoinette Conway und Stephen Moran den Einsatz, persönlich übergeben vom Chef. Der erfahrene Kollege Breslin soll ihnen jedoch an die Seite gestellt werden, da er „gut mit Zeugen kann“.


Conway und Moran fahren zum Tatort und beginnen ihre Ermittlungen. Durch ein paar kleine Tricks können sie sich den Kollegen noch ein bisschen vom Hals schaffen und alleine arbeiten. Es stimmt, alles sieht nach einer klaren Beziehungstat aus, doch warum scheint dann jemand aus dem eigenen Dezernat Interesse daran zu haben, die Ermittlungen zu behindern oder gar in eine gewisse Richtung lenken zu wollen.

Da Conway sowieso überall nur noch Feinde sieht und einen Komplott gegen ihre – zugegeben nicht einfache – Person sieht, setzt sie alles daran, ihre eigenen Ermittlungen durchzuziehen. Und Moran ist der einzige, der noch zu ihr steht ….

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Ich war immer großer Fan der Romane von Tana French, da ich ihren besonderen Schreibstil sehr gerne mag. Sie hatte immer eine besondere Gabe, Szenen, Momente und Situationen so bildhaft und poetisch greifbar zu beschreiben, dass es mich umgehauen hat. Irgendwie wollte sich dieses Gefühl bei diesem Roman aber nicht (mehr) einstellen. Einmal, zu Beginn von Kapitel 6 war es glaube ich, hat French einen Moment im Soko-Raum beschrieben, der ein bisschen das alte Gefühl der glitzernden Poesie heraufbeschworen hat.

Aber die Geschichte zieht sich gerade anfangs unheimlich in die Länge und ihre Protagonistin Antoinette Conway ist so verstockt und sieht überall Feinde, dass sie mir – gerade zu Beginn – nur noch auf die Nerven ging. Der Charakter ihres Partners, Stephen Moran hat hier so einiges wieder ausgeglichen, und auch die Nebenfiguren hat Tana French auch wieder sehr gut beschrieben und charakterisiert.

Dennoch, alles war unheimlich lang und ausufernd und beinahe künstlich in die Länge gezogen. Jede Unterhaltung, jedes Verhör, sie nahmen kein Ende. Dieses mal empfand ich die Lektüre als zäh und teilweise wirklich anstrengend.

Das bezieht sich allerdings nicht auf die Handlung, die Geschichte selbst. Denn den Plot hat Tana French wieder sehr gut ausgeklügelt und wunderbar verzwickt gestaltet. Lediglich die Umsetzung war anders, als ich es bisher kannte. Wieder schreibt die Autorin aus der Ich-Perspektive, was hier bedeutet, dass eine ständig genervte, gefrustete und alle gegen sich sehende Ermittlerin erzählt und agiert.

Dies ist auch das erste Mal, dass ein Ermittler-Duo ihre Tätigkeit im Nachfolgeband wiederholt. Bisher hatte Tana French es immer so gehandhabt, dass eine Nebenfigur aus ihrem aktuellen Roman im Nachfolger die Hauptrolle erhielt.

Mein Fazit: Eine Handlung mit einer tollen Idee und auch guten Figuren. Lediglich die Hauptprotagonistin ging mir teilweise richtig auf die Nerven. Ein spannender Plot, der aber leider teilweise sehr langatmig und zäh war. Für mich bislang ihr schlechtester Roman.

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© Marion Brunner für Buchwelten 2017

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Mary, Tansey und die Reise in die Nacht von Roddy Doyle

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Erschienen als gebundene Ausgabe
bei CBJ
insgesamt 240 Seiten
Preis: 14,99 €
ISBN: 978-3-570-15471-7
Katergorie: Jugendbuch ab 12 Jahre

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Die 12-jährige Mary lebt gemeinsam mit ihren Eltern und zwei älteren Brüdern in Dublin. Derzeit geht es Mary nicht so gut. Ihre beste Freundin ist gerade umgezogen, zwar nur 7 km weiter in die andere Ecke von Dublin, doch für beste Freundinnen ist dies unendlich weit. Dann liegt außerdem ihre geliebte Großmutter Emer im Krankenhaus, sie ist weit über 80 Jahre alt und liegt im Sterben.

Jeden Tag fährt Mary gemeinsam mit ihrer Mutter Scarlett dorthin und besucht Emer. Sie hasst das Krankenhaus, doch sie möchte ihre Großmutter sehen, denn die liebt Mary über alles und Emer hat ihren Humor auch im Krankenhaus nicht verloren. Eigentlich macht sie einen recht guten Eindruck, nur dass sie von einer Sekunde auf die andere tief einschläft, dass macht Mary dann doch Angst und zeigt ihr auch, dass es mit Emer langsam zu Ende geht.

Eines Mittags, Mary kommt von der Schule und ist beinahe zu Hause angekommen, da trifft sie eine fremde Frau vor dem Haus und sie reden miteinander. Natürlich hat ihre Mum ihr immer wieder eingeschärft bloß nicht mit Fremden zu sprechen, aber irgendwas hat diese seltsame Frau an sich, das Mary das Gefühl gibt eben keine Fremde zu sein. Zunächst denkt Mary, dass die Frau alt ist. Dann merkt sie aber, dass eigentlich nur ihre Kleidung altmodisch ist und die Frau selber noch jünger ist, als ihre Mum.

Mary glaubt die Frau wäre eine neue Nachbarin, doch dann wird klar, dass die Frau viel zu viel weiß, wie zum Beispiel Marys Namen und auch den ihrer Großmutter. Es stellt sich heraus, dass die Frau, genannt Tansey, eigentlich Anastasia, die verstorbene Mutter ihrer Großmutter ist. Also Marys Urgroßmutter. Mary erzählt ihrer Mutter davon, die ihrer Tochter sogar glaubt. Denn als Mary den Namen Tansey erwähnt, ist sie sicher, dass kann kein Hirngespinst einer 12-jährigen sein.

Sie laden Tansey auf eine Tasse Tee in ihre Wohnung ein – Tote trinken keinen Tee, doch sie freut sich trotzdem – und die drei Frauen beginnen eine Unterhaltung, die sehr interessant und aufschlussreich ist. Als Marys Großmutter Emer 3 Jahre alt war, ist ihre Mutter an der Grippe erkrankt und sehr schnell verstorben. Tansey konnte sich nicht von ihrer Tochter trennen, wollte sie aufwachsen sehen und ist deshalb immer in ihrer Nähe geblieben. Nun liegt ihre Tochter im Sterben und daher hat sie den Schritt gewagt, Kontakt zu ihrer Familie aufzunehmen. Und dies führt zu einer großen, abenteuerlichen Nacht, die die vier Frauen gemeinsam verbringen …

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Das Buch ist regulär eine gebundene Ausgabe, ich rezensiere jedoch hier ein unkorrigiertes Leseexemplar. Mein Buch hat 235 Seiten, das gebundene 240 Seiten. In meinem Exemplar waren die Seiten sehr luftig und mit einer großen Schrift bedruckt, wodurch ich diese sehr schöne Geschichte in ca. 2,5 Stunden bereits durchgelesen hatte.

Der irische Autor Roddy Doyle hat hier ein so herzliches, liebevolles, humorvolles Buch geschaffen, dass eigentlich ein eher trauriges Thema behandelt: den Tod eines geliebten Menschen. Wie er diese vier Frauen zusammenführt und wir an ihren jeweiligen Leben teilhaben, dass macht großen Spaß.

Wir erleben als Leser nicht nur die Gegenwart aus der Sicht von Mary. In Rückblenden erleben wir Momente aus Sicht von Tansey, der verstorbenen Urgroßmutter, den gleichen Moment dann noch einmal aus Sicht der 3-jährigen Emer.
Was dieses Buch auch ausmacht, sind die Gespräche. Wie sich die Frauen untereinander die Bälle zuspielen und wie sie miteinander reden, dass wirkt alles echt und real und gibt dem Leser das Gefühl daneben zu sitzen und zuzuhören.

Zum Beispiel war es sehr amüsant zu lesen, dass eine verstorbene Mutter, die aussieht wie 25 ihrer über 80-jährigen Tochter sagt, sie solle sich jetzt gefälligst bei ihrer eigenen Tochter entschuldigen. Klingt vielleicht gerade ein wenig wirr, ist es aber nicht.

Was mir persönlich auch besonders gut gefiel war wie Mary ihre beiden älteren Brüder beschrieben hat. Sie sind 14 und 16 Jahre alt und nicht mehr „ihre Brüder“, für Mary sind diese Wesen nur noch Fremde, mit denen sie in ihrer Kindheit gespielt und gealbert hat. Ihr Benehmen macht Mary Angst und sie will nicht zu einem solchen Wesen „mutieren“. Ich habe mich sofort gefragt, ob mein eigener 12-jähriger Sohn ähnlich für seine älteren Geschwister (18 + 16) empfindet und diese Veränderung ähnlich ausdrücken würde. Ich denke ich werde ihn darauf ansprechen.

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Mein Fazit: 5 von 5 Sternen für diese warme, liebevolle, lustige und auch traurige Geschichte über die Familie, die Liebe zwischen Müttern und Töchtern, Großmüttern und Enkelinnen. Der Autor hat das Thema Sterben und Loslassen in eine wunderbare Geschichte verpackt, die voller herrlicher Gespräche, Erinnerungen und mit einem verrückten finalen Abenteuer ist.

Ich danke Amazon für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars (unkorrigierte Fassung).

© Buchwelten 2013

Darling Jim von Christian Mørk (5/5)

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Erschienen als
Taschenbuch
im Piper Verlag
unter dem Namen „Teufelslist“
352 Seiten
Preis: 9,95 €
ISBN:  9783492258838
Kategorie: (Psycho)Thriller

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Ein tragischer Mordfall erschüttert das kleine irische Dorf Malahide (nahe Dublin). In einem unscheinbaren Haus werden die Leichen der Anfang 40-jährigen Moira Walsh und ihrer Nichten gefunden. Was sich dort ereignet hat, kann nur grob in Erfahrung gebracht werden. Moira Walsh wurde mit einer Schaufel erschlagen, schaffte es aber noch bis ins Erdgeschoß, wo sie dann aber ihren Verletzungen erlag. Die ältere Nichte befindet sich im Obergeschoß, woran sie starb, ist auf den ersten Blick nicht erkennbar. Dann findet sich die zweite Nichte, eine jüngere in einem Raum, der eigentlich nur eine Nische zwischen Wand und Dämmung ist. Sie ist bis auf das Skelett abgemagert. Im Keller finden sich Spuren einer dritten Person. 

Auch sie muss dort festgehalten worden sein, doch von ihr fehlt jede Spur. Ihr scheint die Flucht gelungen zu sein. Bei der Durchsuchung des Hauses findet die Polizei in einer Kommode die Ausweise der Mädchen. Es handelt sich um drei Nichten von Moira Walsh. Fiona, die ältere und die jüngeren Zwillinge Róisín und Aoife.

Die drei Schwestern wurden im Ort nie gesehen und auch Moira Walsh machte nicht den Eindruck etwas zu verheimlichen, gar ihre Nichten einzusperren und zu quälen.

Der Postbote des kleinen Ortes, Desmond, macht sich schwere Vorwürfe. Denn er war nicht nur bei Postanlieferungen ab und an in Moiras Haus auf ein Tässchen Kaffee geladen, er hatte in den letzten Wochen auch gemeint Rufe und Klopfen aus dem Haus zu hören, doch er hat nicht einen Versuch unternommen, der Ursache auf den Grund nachzugehen.

Die Toten werden auf dem örtlichen Friedhof beigesetzt und Desmond, der Postbote verfällt nach der Beisetzung in Depressionen und verlässt den Ort.

Die Polizei führt nicht wirklich Ermittlungen durch, das Haus wird desinfiziert und wieder bewohnbar gemacht.

Niall, der Nachfolger des Postboten Desmond ist ein junger Mann, der eine Leidenschaft hat: Er zeichnet und er möchte unbedingt Design Artist werden. Der Job als Postbote dient nur dem Geldverdienen und nach Feierabend hockt er noch lange im Postamt und zeichnet, bzw. er versucht es: Die vielen Versuche einen Wolf zu zeichnen misslingen ihm immer wieder. Vor lauter Frust wirft er ein zerknülltes Papier in Richtung Mülltonne, trifft aber nicht richtig und löst somit eine kleine Lawine an Papierbällen aus, die in der Gitterbox für unzustellbare Post landet. Er klettert hinein und will eigentlich nur den Schaden beseitigen, als er auf ein seltsames Paket stößt, dass seine Neugier weckt. Es ist nicht frankiert, darum liegt es wohl in der Gitterbox.

 Aber auf dem Paket ist ein Empfänger markiert:

Irgendjemand im Postamt in Malahide.

Bei genauerem Hinsehen findet Niall noch einen weiteren Vermerk auf dem Paket und kann nicht widerstehen. Er öffnet es und entdeckt ein altes Notizbuch. Es scheint ein Tagebuch zu sein, geschrieben von Fiona Walsh, der älteren der toten Nichten ….

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So beginnt der Autor seine Erzählung dieses genialen Thrillers. Dann „erzählt“ das Tagebuch in einer Rückblende die Geschichte von Fiona. Was sie alles niedergeschrieben hat, beinhaltet die letzten ca. 3 Jahre ihres Lebens und ich werde nicht mal annähernd verraten worum es geht 😉

Das es jedoch um einen jungen, gut aussehenden Geschichtenerzähler ( irisch: seanchaí ) geht, der den Frauen reihenweise den Kopf verdreht hat und sie durch seine Erzählungen mehr als nur in seinen Bann gezogen hat, ist bereits dem Klappentext zu entnehmen.

Der Autor schreibt in sehr guten Schreibstilen, die sich innerhalb des Romans immer wieder unterscheiden.

Wird z.B. das Tagebuch von Fiona wiedergegeben , schreibt und formuliert er natürlich ihrem Charakter entsprechend.  Die Passagen in der er die Geschichten von Jim Quick zu Papier gebracht hat, sind völlig anders. Er schreibt hier als Märchen oder Sagenerzähler.

Mich hat der Autor mit diesem Roman absolut in seinen Bann gezogen und ich wollte unbedingt wissen wie es weitergeht und vor allem: was geschah?

Ich habe als Leserin viele Höhen und Tiefen erlebt, schöne, hochfliegende Gefühle sowie Angst, Wut, Neid, Eifersucht und Leidenschaft. Die Mischung dieses Thrillers ist perfekt gelungen und fällt für mich absolut aus dem Rahmen.

Dabei fühlte ich mich Im ersten Moment bei „drei Schwestern“ und einem Geschichtenerzähler direkt an die „Hexen von Eastwick“ erinnert, doch dem ist nicht so. Dieser Roman ist kein Abklatsch des (immerhin genialen) Films, sondern eine eigenständige Idee, die spannend umgesetzt wurde und nicht mal an den Haaren herbeigezogen wird.

Bis zum Schluss hatte ich ein Problem mit dem Namen Aoife. Der Autor hat der Handlung entsprechend irische Namen ausgewählt und die Übrigen konnte ich auch aussprechen, doch mit diesem konnte ich nichts anfangen.

Nun, ich hätte vielleicht zu Anfang im Internet nachschauen sollen, denn nun weiss ich, dass ich die Figur mit „A-eufe“ total falsch „gesprochen“ habe. Wie die schönen irischen Namen tatsächlich klingen können Interessierte Leser sich hier sogar anhören 😉

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Aoife – gesprochen: EE-fa

Roisin – gesprochen: ro + sheen 

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Ich habe das Buch als gebundene Ausgabe mit Leseband gebraucht gekauft. Es ist aber als Taschenbuch erhältlich. Das Cover zeigt grüne Hügel mit einer Felsformation, was mich ein bisschen an Schottland erinnert. Mich hat es angesprochen, denn es wirkt nicht reißerisch und lässt nicht annähernd vermuten, was sich dahinter verbirgt.

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Mein Fazit: 5 von 5 Punkten für diesen Thriller, den ein Däne, wohnhaft in den USA in Irland spielen lässt. Für mich ist die Handlung außergewöhnlich fesselnd, u.a. weil der Autor die Erzählstile und Blickwinkel innerhalb des Romans wechselt. Es gibt eine unheimliche Vielfalt an Gefühlen in diesem Buch (u.a. bedingungslose Liebe unter Geschwistern) und was die Brutalität angeht habe ich schon krassere forensischere Thriller gelesen. Christian Mørk versteht es den Leser auf andere, seine Weise in seinen (oder Jims ?) Bann zu ziehen.

ACHTUNG: Der Verlag hat „Darling Jim“ in einer neuen Ausgabe unter dem Titel „Teufelslist“ veröffentlicht.

© Buchwelten 2012


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