Echo von Thomas Olde Heuvelt

Erschienen als Taschenbuch
bei Heyne
insgesamt 718 Seiten
Preis: 17,00 €
ISBN: 978-3-453-32098-7
Kategorie: Drama, Mystery, Horror

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Nick besteigt mit seinem Freund den Berg Maudit, der in der Schweiz liegt und über den so gut wie nichts bekannt ist. Sie spüren bereits beim Aufstieg, dass der Berg von einer unheimlichen Macht erfüllt wird. Als dann ein Unglück geschieht, wird nicht nur Nick in einen Sog des Grauens gezogen, sondern auch dessen Lebensgefährte Sam und immer mehr Menschen in seinem Umfeld …

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Da mich Heuvelts Roman „Hex“ schon extrem fasziniert hat, war ich natürlich gespannt, was er mit seinem neuen Roman abgeliefert hat. „Echo“ übertrifft „Hex“ sogar noch, denn der Autor hat das Thema des Bergsteigens in Verbindung mit den mystischen Eigenschaften örtlicher Legenden, die sich um solch einen Berg ranken, komplex und geradezu hypnotisch beschrieben, sodass man das Buch wirklich nur sehr schwer aus der Hand legen kann. Über 700 Seiten lang begleiten wir die Personen durch einen Albtraum, der Realität und Einbildung verschmelzen lässt. Für manch einen mögen die langatmigen Beschreibungen langweilig sein, für andere (und dazu zähle ich mich) ist es geradezu eine literarische Offenbarung, die der in den Niederlanden geborene Autor hier präsentiert. Heuvelt verbreitet von der ersten bis zur letzten Seite eine Atmosphäre, wie man sie selten so konsequent in Romanen vorfindet (am ehesten fällt mir da noch das grandiose Meisterwerk „Terror“ von Dan Simmons ein). „Echo“ ist wie ein Rausch, wie ein Sog, der seine Leserschaft unweigerlich mitzieht und nicht mehr loslässt.

Okay, zugegebenermaßen haben mich anfangs die eingestreuten englischen Ausdrücke (die ja mittlerweile zum größten Teil leider eingedeutscht sind) etwas gestört, aber im Verlaufe des Buches habe ich mich zum einen daran gewöhnt und zum anderen spiegelte es den Charakter des Protagonisten und auch die Stimmung dann doch auf ziemlich geniale Weise wider. Bei diesem Aspekt muss man sich einfach darauf einlassen. Und auch wenn man solcherart Denglish nicht mag, so schmälert diese Tatsache keineswegs die Spannung und die auf jeder Seite spürbare unheimliche Atmosphäre. „Echo“ ist ein literarischer Trip erster Güte, den man nicht mehr so schnell vergessen dürfte. Ich könnte mir das Ganze übrigens auch unheimlich gut als Verfilmung vorstellen. Heuvelt spielt hier mit der Sprache, bewegt sich trotz der umgangssprachlichen Elemente auf einem sehr hohen Niveau und beschreibt die Ereignisse mit einer bildhaften Sprache, die einen immer wieder in Erstaunen versetzt. Vor allem der Unfall in den Bergen hat mich vollkommen umgehauen. Ich konnte die Kälte und die Angst spüren, und das so intensiv, dass diese Zeilen manchmal sogar unangenehm wurden, so erdrückend war diese Situation geschildert. Diese Stelle(n) waren für mich Höhepunkte des Buches, die mich absolut in ihren Bann schlugen.

Was mir außerdem äußerst gut gefallen hat, ist die Tatsache, dass „Echo“ ein Genre-Hybrid ist, der sich nicht um die gängigen Konventionen der Literaturrichtungen schert, die er behandelt. Heuvelt erzählt schlichtweg eine Geschichte und kümmert sich nicht darum, ob diese nun in die Kategorie Mystery, Horror oder Drama fällt. Hier zählt die Story und nicht das Genre. Und das macht „Echo“ auch aus, man weiß nie, was einen als nächstes erwartet, ob es die stürmischen Höhen des Berges sind, die Liebesgeschichte zwischen Nick und Sam, die Beziehung zwischen den anderen Personen, die mysteriösen Vorgänge, die Nick auslöst oder das seltsame Verhalten der Bergdorf-Bevölkerung. „Echo“ ist Literatur, wie sie sein sollte: überraschend, spannend, innovativ und flüssig zu lesen. Für mich eines der Jahreshighlights 2021, daher würde ich mich umso mehr freuen, wenn noch mehr Werke dieses Ausnahmeautors ins Deutsche übersetzt werden würden.

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Fazit: Unheimlich, mysteriös, spannend, melancholisch, poetisch. Ein literarisches Meisterwerk.

©2021 Wolfgang Brunner für Buchwelten

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Die Ceres-Mission von A.G. Riddle

Erschienen als Taschenbuch
bei Heyne
insgesamt 572 Seiten
Preis: 10,99 €
ISBN: 978-3-453-42422-7
Kategorie: Action, Science Fiction

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Die Erdoberfläche wird immer kälter. Eine Mission wird in den Weltraum geschickt, um die Ursache zu ergründen. Dabei stoßen sie auf ein Phänomen, das das Überleben der Menschheit gefährdet. Ein unglaubliches Abenteuer beginnt, um die Bewohner der ganzen Erde zu retten.

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Im Grunde genommen weiß man ja, was man bekommt, wenn A.G. Riddle draufsteht. Und genau so verhält es sich dann auch bei „Die Ceres-Mission“: Action. Spannung. Atmosphäre. Wie gewohnt, liefert der Autor einen Pageturner ab, von dem man sich nicht mehr lösen kann, sobald man einmal begonnen hat. Die Geschichte führt ins Weltall, spielt aber auch auf der Erde. Und Riddle beschreibt die Ereignisse wieder so spannend, dass man die Zeit vergisst und einen Film vor sich sieht, der einen absolut in den Bann zieht. Der Schreibstil ist angenehm und flüssig zu lesen, es macht einfach ungemein Spaß, dieses Buch zu lesen. Sicherlich fallen einem an der ein oder anderen Stelle ein paar Ungereimtheiten auf, aber was soll’s, man wird erstklassig unterhalten und nichts anderes wollte der Autor mit seinem Roman erreichen. „Die Ceres-Mission“ ist literarisches Popcorn-Kino erster Güte. Und auch wenn die Charaktere nicht so tiefgründig sind wie in einem hochliterarischen Werk, so fühlt und leidet man mit ihnen.

Was mir besonders gutgefallen hat, waren die Ortswechsel. Im Weltraum beginnend, verschiebt sich das Geschehen kurzzeitig auf die Erdoberfläche, bevor es dann wieder im All zum Finale weitergeht. Ich höre schon jetzt die Stimmen, die gegen eine bestimmte Wendung „wettern“, aber wenn man sich darauf einlassen kann (und das sollte man unbedingt tun), so wird man mit einem wirklich stimmungsvollen und spannenden Überlebenskampf belohnt. Ich fühlte mich an vielen Stellen an die alten Science-Fiction-Filme der 1950er-, 1960er- und 1970er-Jahre erinnert, in denen es um das Überleben der Menschheit ging. Das Titelbild könnte ein wenig in die Irre führen, denn man erwartet eine ähnliche Geschichte wie Roland Emmerichs „The Day After Tomorrow“, bekommt aber eher eine Art „Armageddon“ serviert.

Sehr ärgerlich ist, dass in keiner Weise darauf hingewiesen wird, dass es sich hier um den ersten Teil einer Trilogie handelt. Sicherlich und glücklicherweise liest sich der Schluss wie ein richtiges Finale und man denkt, die Geschichte wäre zu Ende. Ein kleiner Hinweis wäre dennoch angebracht gewesen, denn ich wäre dadurch mit Sicherheit ganz anders an die Story herangegangen. So bleibt nur zu hoffen, dass die beiden Folgebände auch noch in Deutschland erscheinen.
Abschließend bleibt zu sagen, dass A.G. Riddle ein Garant für spannende Geschichten ist und seine Plots so schreibt, als wären bereits die Filmrechte verkauft. Ich freue mich immer wieder auf ein neues Buch dieses Autors und würde es in diesem Fall natürlich besonders begrüßen, wenn uns der Verlag nicht mit einer unfertigen Trilogie sitzen lässt.
Auf jeden Fall bekommt „Die Ceres-Mission“ von mir die volle Punktzahl.

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Fazit: Spannender und filmreifer Einstieg in eine Trilogie, die vom Überleben der Menschheit handelt.

©2021 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Der gefrorene Himmel von Richard Wagamese

Erschienen als gebundene Ausgabe
im Blessing Verlag
insgesamt 254 Seiten
Preis: 22,00 €
ISBN: 978-3-89667-667-2
Kategorie: Drama, Abenteuer, Belletristik

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Saul ist Indianer. Er wird von seiner Familie getrennt und wächst in einem Heim auf. Dort erlernt er das Eishockeyspielen und erkennt schon bald darin seinen Lebenssinn. Er arbeitet sich zu einem großartigen Spieler empor und wächst bei einer Pflegefamilie auf. Doch in all den Jahren, in denen er sich diesem Sport widmet und dabei immer besser wird, muss er täglich gegen die Schwierigkeiten ankämpfen, die ihm seine indigene Abstammung in der Welt der Weißen bereitet. Saul ist ständig auf der Suche nach Geborgenheit und Liebe und findet meist nur verbale, aber auch gewalttätige Ablehnung.

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Richard Wagamese hat mich schon mit seinem flüssigen Schreibstil und seiner melancholischen Art, Geschichten zu erzählen, bei „Das weite Herz des Landes“ beeindruckt. Mit dem vorliegenden „Der gefrorene Himmel“ hat er mich aber vollkommen umgehauen. Dieser Roman ist so eindringlich, authentisch und wunderschön geschrieben, dass ich mir gewünscht hätte, Sauls Geschichte würde doppelt so lange dauern. Ich habe mich in dieser Welt so wohlgefühlt, wenngleich nicht immer alles, was geschah, schön und erstrebenswert war. Wagamese hat seiner Figur immer wieder autobiografische Züge verliehen, so dass mir mit diesem Wissen die Geschichte noch mehr ans Herz ging. Ähnlich wie bei „Das weite Herz des Landes“ nimmt der Autor den Leser auf eine Reise mit, die man nicht mehr so schnell vergisst. Das liegt zum einen an dem sehr flüssigen Schreibstil und zum anderen an den glaubwürdigen Charakteren und Geschehnissen, die absolut realistisch wirken. An manchen Stellen erinnerte mich die Erzählung ein wenig an die Nicht-Thriller von John Grisham, der dabei einen ähnlichen Schreibstil aufweist. Richard Wagemese ist ei Roman gelungen, der mich tief im Herzen angesprochen und mir wieder einmal vermittelt hat, dass wir Menschen alle gleich sind in unseren Gedanken, Ängsten und Hoffnungen. Der Autor widmet sich in seinen Geschichten immer wieder den Schwierigkeiten, die eine indigene Herkunft mit sich bringt.

Wagamese schreibt die (Lebens)Geschichte von Saul in einer wunderbaren Sprache, in denen man zwischen den Zeilen sehr viele Emotionen liest. Auch wenn das Buch in erster Linie den Lebensweg beschreibt, den der Protagonist als Eishockeyspieler geht, so erfährt man auch immer wieder von der großen Liebe, die innerhalb der Familie geherrscht hat. Saul denkt oft an die Zuneigung seiner Großmutter zurück, und auch wenn das nicht explizit auf den Seiten steht, so spürt man (wie bereits erwähnt) zwischen den Zeilen, dass dieses Familienband in ziemlich jeder Situation vorhanden ist. Der Roman liest sich sehr schnell, da die Kapitel angenehm kurz gehalten sind und an immer wieder wissen will, wie es weitergeht. Wagamese behandelt sehr bildhaft, wie sich ein junger Mann aus einem Indianerstamm der sogenannten Zivilisation stellen und sich gegen andersartige religiöse Lehren behaupten muss. Man merkt in jeder Zeile, dass dem Autor (und daher dem Protagonisten) die Lebenslehren eines Indianerstammes sehr wichtig sind und selbst als Leser spürt man, dass diese naturverbundene Lebensweise nicht mit unserer „ziviliserten“ Art konkurrieren kann. Und genau diese Diskrepanzen zwischen zwei verschiedenen Kulturen kommt in „Der gefrorene Himmel“ hervorragend zur Geltung, widmet sich doch Saul schließlich dem zivilisierten Spiel des Eishockey.

Nachdem der Blessing Verlag nunmehr bereits das zweite Buch dieses Autors herausgebracht hat, habe ich natürlich große Hoffnung, auch die weiteren Werke dieses großartigen, leider bereits verstorbenen Schriftstellers in deutscher Sprache lesen zu können. „Der gefrorene Himmel“ schafft es zumindest für ein paar Stunden, die Leserin/den Leser aus der harten Realität herauszureißen und in eine, wenngleich ebenfalls problembehafteten, fiktiven Welt mitzunehmen, in der man sich einfach nur wohlfühlt und in der man gerne noch länger verweilen möchte. „Der gefrorene Himmel“ ist ganz großes (Kopf)Kino, daher war es auch nicht verwunderlich, dass der Stoff verfilmt wurde. Ich bin schon sehr gespannt auf diese Adaption und erwarte sehnsüchtig ein weiteres Werk von Richard Wagamese in Buchform.

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Fazit: Wunderschön geschriebene Lebensgeschichte eines jungen Indianers in der „zivilisierten“ Welt.

©2021 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Eiswelt von Jasper Fforde

eiswelt

Erschienen als Taschenbuch
im Heyne-Verlag
insgesamt 654 Seiten
Preis: 14,99 €
ISBN: 978-3-453-31969-1
Kategorie: Fantasy, Science Fiction, Belletristik

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In einer Parallelwelt, die der unseren in vielen Belangen gleicht, versinkt die Menschheit während der Wintermonate unter Schnee und Eis. Die Menschen ziehen sich in Türme zurück, wo sie Winterschlaf halten. Und die Winterkonsuln wachen über den Schlaf der Menschen, während sich draußen in der dunklen Welt Ungeheuer herumtreiben. Der junge Charlie wird zu einem dieser Konsule ernannt und muss seinen ersten Winter im Wachzustand überdauern. Doch schon bald entwickelt sich ein Dienstantritt zu einem wahren Albtraum, denn tatsächlich schläft nicht alles im Winter …

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Aufgrund des Klappentextes bin ich mit einer gewissen Erwartungshaltung an diesen Roman herangegangen. Das Szenario las sich wirklich gut und, wenn ich ehrlich bin, ging das Ganze auch wirklich ziemlich gut los. Der Einstieg in diesen Roman hat mir sehr gut gefallen und ich war anfangs sehr neugierig, wie sich der Plot weiterentwickeln würde. Fforde hat sehr außergewöhnliche Ideen, die sehr unterhaltsam sind. Wie gesagt, der Einstieg hat mir sehr gefallen und ich rechnete natürlich damit, dass mich diese Atmosphäre bis ans Ende des Buches begleiten würde. Leider entwickelte sich der Roman jedoch im Verlaufe der Handlung immer mehr zu einem langatmigen Werk, durch dass ich mich ab der Hälfte etwa fast schon durchquälen musste.

Ich kann nicht einmal genau sagen, woran es lag, denn die Handlung und die Ideen haben mich auch bis zum Ende nach wie vor gut unterhalten. Es lag womöglich am nicht wirklich flüssig zu lesenden Schreibstil des Autors, der mich immer wieder ungeduldig werden ließ. Bei manchen Kapiteln konnte ich gar nicht abwarten, bis es endlich zu Ende war und ein eventueller Szenenwechsel wieder etwas mehr Schwung in die Handlung bringen würde. Letztendlich plätschert der Plot nämlich einfach so dahin. Man gewöhnt sich an den außergewöhnlichen Schauplatz und findet nichts Interessantes mehr daran.

Meine Begeisterung hält sich daher im Rahmen. Was mir anfangs noch gefallen hat, hat mich am Schluss eigentlich nur noch gestört und ich wollte endlich zum Ende kommen. Der Schreibstil des Autors ist weitestgehend auch noch sehr zähflüssig, sodass man sich an manchen Stellen ertappt fühlt,  die Sätze lediglich nur noch zu überfliegen, um überhaupt vorwärts zu kommen. Das ist an sich sehr schade, denn der Roman hätte weitaus mehr Spaß gemacht, wäre er um rund die Hälfte kürzer gewesen. Es wird einfach zu viel  erklärt und in die Länge gezogen, was letztendlich dazu führt, dass man sich langweilt und nicht mehr wirklich konzentriert liest. Gerade diese Langatmigkeit und die ausufernden Beschreibungen sind es, die den Lesespaß sehr dämpfen. Was am Anfang interessant begann, entwickelt sich also zum Ende hin immer mehr zu einem zähen Brei, den man irgendwie so schnell wie möglich hinter sich bringen will.

Ich kann nicht genau beschreiben, was mich an diesem Buch letztendlich so gestört hat. Fakt ist, dass ich ab der Hälfte des Buches nicht mehr konzentriert gelesen habe, dadurch auch die Übersicht über die verschiedenen Personen und den Plot verloren und mich auch teilweise gelangweilt habe. Das ist eigentlich schade, denn, wie gesagt, die außergewöhnlichen Ideen des Autors und auch das Szenario haben mich dennoch angesprochen, was irgendwie einen Widerspruch zu meinem Gesamteindruck darstellt. Trotz meiner mittelmäßigen Begeisterung kann ich aber durchaus sagen, dass sich der Roman auf eine gewisse Art und Weise im Gehirn festsetzt. Es ist wirklich verwunderlich, dass ich viele Szenen im Gedächtnis behalten habe und mich daran erinnere, obwohl mir der Roman im Gesamten nicht wirklich gefallen hat. Ich persönlich habe auf jeden Fall mehr erwartet, als mir letztendlich geboten wurde.

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Fazit: Trotz toller Ideen sehr langatmig.

© 2019 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Der Rabe von Lionel Davidson

Der Rabe von Lionel Davidson

Erschienen als Taschenbuch
im Penguin Verlag
insgesamt 670 Seiten
Preis: 10,00 €
ISBN: 978-3-328-10002-7
Kategorie: Thriller

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Durch einen verschlüsselten Hilferuf wird der Mikrobiologie und Agent  Dr. Johnny Porter nach Sibirien gerufen. Dort existiert ein unterirdisches russisches Forschungslabor, in dem ein tödliches Geheimnis ruht, das nicht verborgen bleiben sollte. Dr. Porter macht sich auf den Weg nach Russland, um das Rätsel zu lösen. Eine gefährliche Odyssee erwartet den Mann …

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Wer hier einen Wissenschaftsthriller und Abenteuerroman á la Michael Crichton erwartet, wie ich es aufgrund des Klappentextes getan habe, könnte unter Umständen enttäuscht sein. Denn „Der Rabe“ ist die Odyssee eines Mannes, der die Welt umrundet und sich zahlreichen Gefahren durch Verfolger zur Wehr setzen muss, um eine geheime Forschungsstation in Sibirien zu erreichen. Es ist ein Agentenroman, aber wiederum auch nicht so, wie man sich das vorstellt. Da gibt es keine Action wie in einem James Bond-Film, sondern die Handlung geht sehr langsam und bedächtig vonstatten, was aber wiederum nicht heißt, dass es langweilig ist. Wahrscheinlich hört man schon aus diesen letzten Sätzen heraus, dass man (oder zumindest ich) nicht unbedingt leicht mit diesem Werk warm wird. Es fühlt sich letztendlich alles ein wenig unausgegoren an, zumindest auf den ersten Blick. Sicherlich steckt hinter dem Roman ein großartig geschriebenes Abenteuer, das durchaus zu unterhalten vermag, was mit Sicherheit auch an dem wirklich tollen Schreibstil des Autors liegt. Aber irgendetwas fehlt dem Ganzen, das ich leider nicht wirklich detailliert erklären kann.

„Der Rabe“ fängt genau so an, wie man aufgrund des Klappentextes vermutet. Man wird sofort neugierig auf den geheimnisvollen Fund und die einsame Forschungsstation im ewigen Eis. Lionel Davidson ist der Einstieg auf jeden Fall gut gelungen und auch hier wird einem noch vorgegaukelt, sich bald mit einem spannenden Wissenschaftsthriller zu unterhalten. Doch kaum ist der Hauptprotagonist im Spiel, wechselt der Plot in ein völlig anderes Genre. Wie schon vorhin gesagt, das heißt keineswegs, dass es dem Roman an Spannung oder gelungenen Sätzen fehlt. „Der Rabe“ bewegt sich, ebenso wie Davidsons  „Die Rose von Tibet“ auf einem hohen Niveau, was die Seiten wirklich nur so dahinfliegen lässt, obwohl nichts wirklich erwähnenswertes passiert. Aber man ertappt sich selbst immer wieder dabei, dass man darauf wartet, dass die Forschungsstation ins Spiel kommt. Leider kommt und kommt sie aber nicht ins Spiel – erst auf Seite 400 geschieht endlich das, auf das man sich als Leser gefreut hat: Der Protagonist erreicht die geheimnisvolle Station und nimmt Kontakt mit einem Wissenschaftler auf. Doch kaum ist man mit der Situation „warm“ geworden, verlässt „der Rabe“ den Schauplatz wieder und macht sich auf den Weg zurück. Erneut werden wir Zeuge, wie sich der Mann vor Verfolgern verstecken muss und um sein Leben kämpft.

Lionel Davidsons Roman ist absolut toll geschrieben und kann auch auf über 600 Seiten unterhalten, erfüllt aber eben die Erwartungshaltung nicht. Erst im Nachhinein, wenn man das Buch also zu Ende gelesen und zugeschlagen hat, bemerkt man, dass sich die bildhaften Beschreibungen ins Gedächtnis eingeprägt haben und eine Art Film hinterlassen haben. Mir haben die detaillierten Schilderungen sämtlicher Unternehmungen des Protagonisten wirklich gut gefallen und ich hatte auch bis zum Ende, das übrigens dann doch wieder ein wenig versöhnt hat, ein großes Lesevergnügen. Aber ich hatte zum einen etwas anderes erwartet und zum anderen auch mit einer weitaus längeren Zeitspanne gerechnet, in der die Handlung auf den Schauplatz des abgelegenen Forschungsinstituts verlegt wurde. Ingesamt hat Lionel Davidson einen sehr atmosphärischen Thriller abgeliefert, der ruhig und besonnen den Weg beziehungsweise die Wege eines einsamen Mannes beschreibt und mit vielen Details aufwartet.

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Fazit: Ruhiger Thriller, der sich mehr auf die beschwerliche Odyssee eines Mannes als auf eine wissenschaftliche Basis, wie vom Klappentext suggeriert wird, beschränkt.

© 2017 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Everland von Rebecca Hunt

Everland von Rebecca Hunt

Erschienen als gebundene Ausgabe
im Luchterhand Verlag
insgesamt 410 Seiten
Preis: 22,00 €
ISBN: 978-3-630-87463-0
Kategorie: Drama, Abenteuer, Belletristik

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Im Jahr 1913 unternimmt das unter britischer Flagge stehende Schiff „Kismet“ eine Antarktisexpedition. Die Mannschaft unter Kapitän Lawrence entdeckt eine bis dahin unbekannte Insel, die „Everland“ getauft wird, uns schickt drei Männer aus, um sie zu erforschen.  Doch ein Sturm verhindert die Rückkehr der drei Männer, die daraufhin auf der kleinen Insel um ihr Überleben kämpfen müssen.
Hundert Jahre später wird eine ähnliche Expedition nach „Everland“ geschickt, um die dortige Tierwelt zu erforschen. Dieses Mal handelt es sich um einen Mann und zwei Frauen, die in etwa gegen dieselben Gefahren kämpfen müssen, wie die Mannschaftsmitglieder der „Kismet“.

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Nachdem ich ein riesengroßer Fan des Romans „Terror“ aus der Feder von Dan Simmons bin, hat mich der Klappentext von „Everland“ natürlich total neugierig gemacht. Gerade der einsame Handlungsort im Eis, fernab jeglicher Zivilisation, hat es mir angetan und so ging ich natürlich auch mit einer gewissen Erwartungshaltung an dieses Werk heran. Um es gleich vorweg zu sagen: Rebecca Hunt hat mich absolut nicht enttäuscht, wenngleich sie an die Sache bei Weitem nicht so episch und detailliert herangeht. Aber das macht gar nichts.
Von den ersten Seiten an baut sie eine unglaublich intensive Atmosphäre auf, die einen mitreißt. Man denkt wirklich, man wäre bei der Expedition hautnah mit dabei und müsse selbst um sein Überleben kämpfen.

Ein geschickter Schachzug ist außerdem, dass Hunt Vergangenheit und Gegenwart gegenüberstellt und dabei Parallelen schafft. Und obwohl die Voraussetzungen beider Unternehmungen im Grunde genommen vollkommen anders sind, was zum Beispiel auch die Ausrüstungsgegenstände und die Verpflegung betrifft, haben die Menschen dennoch gegen die gleichen Gefahren anzukämpfen. Es ist außerdem sehr interessant, wie sich Hunt der Entwicklung der Charaktere annimmt und beschreibt, wie sie sich in Extremsituationen verändern (sowohl in der Vergangenheit wie auch in der Gegenwart). Dieses („Psycho“-)Spiel macht wirklich Spaß und verleiht den Protagonisten eine Authentizität. Erstaunlicherweise wachsen einem die Protagonisten durchwegs ans Herz, obwohl die Ausarbeitung ihrer Charakterzüge gar nicht einmal so tiefgehend ist. Wahrscheinlich sind es die knappen und präzisen Beschreibungen, die Rebecca Hunt einsetzt, die die Personen einfach „greifbar“ machen, zumindest erging es mir so während des gesamten Romans. „Everland“ ist ein Abenteuerroman, der dem Leser wie ein Bericht nach Tatsachen erscheint. Hunt schafft es hervorragend, ihrer Geschichte eine hohe Glaubwürdigkeit zu verleihen, als erzähle sie in Romanform ein Ereignis nach, das wirklich stattgefunden hat. ich muss zugeben, dass ich sogar nach der fraglichen Expedition im Internet gesucht habe, weil ich neugierig war, wie es sich tatsächlich zugetragen hatte.

„Everland“ ist ein Drama. Ein Drama ums Menschsein, ums Überleben und um den Kampf des Menschen gegen die Naturgewalten. Rebecca Hunt schafft es in vielen Szenen sehr gut zu beschreiben, wie klein der Mensch und seine Existenz eigentlich im Gegensatz zur Natur ist. Da kommt man zwischendurch auch schon mal ins Nachdenken. Vor allem in den ruhigeren Szenen in den ersten beiden Dritteln des Buches widmet sich die Autorin eher dem Menschen und der Natur, als einem spannenden Plot. Erst gegen Ende hin baut sie dann einen wirklich gelungenen Spannungsbogen auf, der stakkatoartig zum Finale führt und den Leser aufgrund der sehr kurz gehaltenen Kapitel förmlich zum Durchlesen zwingt. Das hat schon etwas Pageturner-haftes an sich. Was mit wirklich sehr gut gefallen hat, war die durchgehende, düstere Stimmung, die Rebecca Hunt mir ihrem Roman eingefangen hat. Man kehrt gerne in die kalte und trostlose Kulisse der Antarktis zurück und begleitet die Expeditionsteilnehmer (egal ob die aus der Vergangenheit oder die aus der Gegenwart) gerne. Der flüssige, leicht zu lesende, aber auch an manchen Stellen sehr hochwertige Schreibstil tut das seinige dazu, um „Everland“ zu einem wirklichen Genuss für Freunde von Antarktis-Abenteuer-Romanen zu machen. Mir persönlich hat das Buch auf jeden Fall so gut gefallen, dass ich die Autorin weiterhin im Auge behalten werde und mir auch ihren Debütroman „Mr. Chartwell“ bei Gelegenheit besorgen werde. Und das sagt doch schon genügend über die Qualität und den Unterhaltungswert eines Werkes aus, oder? 😉

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Fazit: Ruhiges und atmosphärisch dichtes, gegen Ende hin spannendes, Abenteuer in eisiger Umgebung. Sehr zu empfehlen.

© 2017 Wolfgang Brunner für Buchwelten

STILL von Zoran Drvenkar

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Erschienen als Klappenbroschur
im  Verlag Eder & Bach
insgesamt 416 Seiten
Preis: 16,95 €
ISBN 978-3-945386-00-2
Kategorie: Thriller

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Mika Stellar, ein Mann und Vater der seine seit zwei Jahren verschwundene Tochter sucht, scheut keinen Schritt mehr, um sich endlich Klarheit zu verschaffen. Er nimmt eine neue Identität an und begibt sich durch sein Vorhaben selbst auch in Gefahr. Doch das kann ihn nicht schrecken oder abhalten. Den größten Schrecken eines Vaters musste er bereits erleben: Seine Tochter ist fort, verschwunden aus dem Elternhaus. Einfach so, ohne jede Spur.

Eine Gruppe von vier Männern, Jäger, besondere Jäger, denn ihre Beute sind keine Tiere. Sie sind sehr gut organisiert, geduldig und absolut diszipliniert. Sie jagen nur im Winter. Der Schnee und seine stille Weiße bietet ihnen den Schutz, den sie für ihre Jagd benötigen.

Ein Mädchen, mittlerweile 19 Jahre alt, sitzt in einer Einrichtung tagtäglich am Fenster, schweigend. Stumm stiert sie in die Welt hinaus. Ihre Hand liegt mit der geöffneten Handfläche nach oben auf ihrem rechten Knie. Immer. Sie wartet darauf, dass ihr endlich jemand den Schlüssel in die Hand legt, der ihre weggeschlossenen Erinnerungen befreit. Wieso versteht nur niemand diese Geste … ?

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Ich selbst habe bislang nur einen Roman von Zoran Drvenkar gelesen. „Der letzte Engel“, sein Jugendbuch, der, wie mir eine befreundete Bloggerin erzählte, eher nicht der typische Zoran Drvenkar ist. Mir hat auch dieser Roman sehr gut gefallen und darum war ich auf dieses neue Werk natürlich gleich neugierig.

Ich habe mit STILL begonnen, las die ersten Zeilen und Seiten und ich wusste, was meine Bloggerfreundin meinte. Dieser Zoran Drvenkar ist anders. Der Schreib- und Erzählstil traf mich mit solcher Wucht, dass er mir Gänsehaut bereitet hat. Und nicht nur mir. Ich habe meinem Mann, selbst Schriftsteller, eine Stelle lesen lassen und auch er sagte nur: „Oh, Mann, ich habe eine Gänsehaut, das ist der Hammer.“

Zoran Drvenkar erzählt in mehreren Handlungssträngen und zu Anfang wusste ich noch nicht genau, wie sie miteinander zu tun haben sollen, das war  mir aber auch relativ egal. Ich habe die Handlung auf mich zukommen lassen in dem Wissen, dass sich alles fügen wird und mir mit jeder Seite die Zusammenhänge klarer werden. So war es auch.

Und ich kann nur sagen: Dieser Roman ist keine leichte Kost. Das Thema schockt, erschüttert, macht wütend und stellenweise denkst du als Leser: Wie kann der Autor sich mit so abgrundtief Widerlichem nur befassen? Tja, ein solches Thema aufzugreifen und die Gratwanderung zwischen fesselnder Unterhaltung und abstoßendem Inhalt zu schaffen, das ist Kunst des Schreibens.

Ich bin sicher, Zoran Drvenkar hat es nicht leicht gehabt. Nicht mit der Recherche, nicht mit seinen Gedanken, die er als Handlung zu Papier bringen musste/wollte ohne selbst durchzudrehen.

Ich werde nicht verraten, um welches Thema es sich genau handelt, jedoch hat es mich gleich doppelt „mitgenommen“: Erstens als Mutter von vier Kindern zwischen 20 Jahren und 6 Monaten und leider werde ich auch beruflich ab und an damit konfrontiert und ich kann nur sagen: das ist mehr als schlimm.

Dieser Roman hat mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt, mich nicht losgelassen und die Wendungen, die Zoran Drvenkar im Laufe der Geschichte verbaut hat, die waren absolut nicht absehbar. Der Schreibstil ist, wie bereits erwähnt, sehr hochwertig und ich könnte gleich mehrere Zitate liefern, die dies belegen. Aber einfacher ist noch: Lest selbst!

Der brandneue Verlag Eder & Bach liefert auch optisch ein sehr gutes Buch: Die Klappenbroschur ist edel und hochwertig. Das Cover ist den anderen Roman von Zoran Drvenkar optisch so angeglichen, dass der Verlagswechsel im Regal nicht auffällt. Das Schriftbild, das Papier, die Kapiteleinteilung, alles wirkt sehr ansprechend.

Der Roman wurde übrigens auf ausdrücklichen Wunsch des Autors in der alten deutschen Rechtschreibung gedruckt. Es ist einfach toll,z.B. das Wort Photographie wieder mit ‚ph‘ auf dem Papier zu sehen!

Der Verlag Eder & Bach, erst dieses Jahr gegründet von Klaus Fuereder, u.a. ehemaliger Geschäftsführer bei Ullstein und dem Literaturagenten Felix Grisebach hat mit Zoran Drvenkar natürlich ein absolutes Zugpferd im Programm.  Ich denke, der Verlag wird sich recht schnell etablieren, die Printausgaben liegen zumindest im Buchhandel aus und sind nicht nur online oder über den Verlag erhältlich. Das ist natürlich für einen Verlagsstart ein absoluter Pluspunkt.

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Mein Fazit: Volle Punktzahl, 5 von 5 Sternen für den neuen Roman von Zoran Drvenkar, der mit einer schrecklichen Handlung den Leser überrumpelt und fesselt, ihn aber mit seinem absolut hochwertigen und tiefgründigen Schreibstil in einen Bann zieht, der dich das Buch nicht aus der Hand legen lässt.

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Ich danke dem Verlag Eder & Bach für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

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© Buchwelten 2014