Die Ära der Schatten (Der dunkle Kristall 1) von J.M. Lee

Erschienen als Taschenbuch
im blanvalet Verlag
insgesamt 320 Seiten
Preis: 10,00 €
ISBN: 978-3-7341-6294-7
Kategorie: Fantasy

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Naia, ein Gelfling, macht sich auf den Weg zur Kristallburg im Land der Skekse. Ihr Bruder ist des Hochverrats angeklagt und Naia möchte unter allen Umständen seine Unschuld beweisen, um ihn vor Schrecklichem zu bewahren. Am Ziel angelangt, entdeckt sie, dass ihr Bruder eine bedeutende Entdeckung gemacht hat, die die Skekse verschleiern wollen …

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Und hier ist er dann endlich: der erste Teil der Saga von J,K. Lee, in dem die Vorgeschichte zu Jim Hensons Kultfilm „Der dunkle Kristall“ aus dem Jahr 1982 erzählt wird. Netflix hat Lees vierbändiges Epos als Grundlage für die 10-teilige Serie „Der dunkle Kristall – Ära des Widerstands“ genommen, erzählt aber letztendlich die Geschichte aus einer anderen Perspektive. Im Klartext heißt das, dass man hier nicht nur eine literarische Form der neuen Serie bekommt, sondern ein vollkommen neues Abenteuer. Im Grunde genommen wird, wie bereits erwähnt, zwar die gleiche Geschichte erzählt und man begegnet auch dem ein oder anderen Charakter sowohl im Buch als auch der Serie, aber Lee geht einen eigenen selbstständigen Weg und kann mit seiner perfekt auf die filmische Originalvorlage abgestimmten Welt absolut überzeugen. Auch wenn man anfangs ein wenig Schwierigkeiten mit den ganzen fremden Namen hat, so gewöhnt man sich sehr schnell daran und wird mit auf ein Abenteuer genommen, das äußerst bildhaft und spannend beschrieben wird.

Immer wieder fühlt man sich an den Originalfilm (aber natürlich auch an die Serie) erinnert und kann sich wunderbar in die Welt einfühlen. Lee beschreibt seine Charaktere liebevoll und bildhaft, sodass man an vielen Stellen ein hervorragendes Kopfkino erhält, dass einen immer noch ein weiteres Kapitel lesen lässt. Originalfilm, Serie und der vorliegende erste Teil der vierbändigen Saga ergänzen sich auf ganz wunderbare Weise miteinander und erschaffen eine unglaublich intensive aber auch authentische Welt, in der man sich trotz all der herrschenden Gefahren auf eine gewisse Art und Weise heimelig fühlt. Was mit gefallen hat, ist, dass der Autor es innerhalb 300 Seiten schafft, eine großartige Umgebung mit wunderbaren Charakteren aufzubauen. Das Ende der Geschichte lässt erahnen, dass noch Episches geschehen wird und das lässt den Leser zum einen zufrieden, aber auch erwartungsvoll und neugierig zurück. „Der dunkle Kristall – Ära der Schatten“ war sehr kurzweilig und stimmungsvoll.

Was mir besonders gefallen hat, waren die zwischen den Zeilen mal offensichtlich geäußerten, mal versteckten philosophischen Anklänge, über die man unweigerlich nachdachte. Das gab der Geschichte noch einen zusätzlichen Reiz, der ungemein Spaß machte.J.M. Lee hat einen angenehmen Schreibstil, der im ersten Moment vielleicht ein wenig unterkühlt wirkt, wenn man sich aber daran gewöhnt hat, durchaus flüssig und ansprechend zu lesen ist. Der Aufbau der Geschichte geht geruhsam vonstatten, ohne je langweilig zu wirken. Auch dies empfand ich als äußert angenehm, da man nicht sofort mit Actionszenen am laufenden Band bombardiert wird. Es geht eher ruhig zu, wodurch auch die ganz spezielle Atmosphäre vermittelt wird, die auch Film und Serie ausmacht. Die wenigen, dafür aber umso wunderbareren Illustrationen von Brian Froud und Corey Godbey runden das Leseerlebnis auch optisch ab. Ich bin jedenfalls schon sehr gespannt, wie J.M. Lee diese Vorgeschichte weiterspinnt und freue mich schon auf Band 2 mit dem Titel „Der dunkle Kristall: Zeit der Lieder“, der im Oktober 2021 erscheint.

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Fazit: Eine wunderbare Fantasygeschichte, die die Atmosphäre von Kinofilm und Serie hervorragend widerspiegelt.

©2021 Wolfgang Brunner für Buchwelten

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Der Fluch der vergessenen Stadt von Jethro Wegener

Erschienen als Taschenbuch
im Luzifer Verlag
insgesamt 260 Seiten
Preis:  13,95  €
ISBN: 978-3-95835-551-4
Kategorie: Abenteuer, Fantasy

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Lady Amelia Swift glaubt fest daran, dass sich im brasilianischen Dschungel die geheimnisvolle Stadt Z befindet, die bereits seit Jahrzehnten von Wissenschaftler gesucht wird. Zusammen mit einer Gruppe aus Abenteurern unternimmt sie eine Expedition in die unwirtliche Gegend, ohne zu wissen, dass nicht nur Gauner ihren Weg kreuzen werden, sondern auch gefährliche Kreaturen, die aus einer anderen Zeit zu stammen scheinen …

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Schon allein das Titelbild suggeriert Abenteuer-Trash in Hochkultur, und genau das bekommt man hier auch geboten. „Der Fluch der vergessenen Stadt“ von Jethro Wegener ist eine literarische Rückkehr in die eigene Kindheit und Jugend, wo man sich noch auf solcherart Geschichten bedingungslos einlassen konnte und mit den Helden mitfieberte und die Abenteuer mittels seiner Vorstellungskraft hautnah miterlebte. Genau auf diese Art und Weise nimmt uns der Autor mit auf eine Reise, die wie eine Geschichte aus der Feder von Jules Verne wirkt und die Abenteuerlust in einem weckt. Sicherleich erfindet Wegener das Rad des klassischen Abenteuerromans nicht neu, aber das macht nichts, denn die Unterhaltung ist definitiv garantiert, auch wenn man das ein oder andere bereits aus Büchern oder Filmen kennt. Aber genau das ist es auch, was man erwartet, wenn man Titel und Cover sieht. Jethro Wegeners Schreibstil ist einfach und schnörkellos, was dazu führt, das man das Buch sozusagen in einem einzigen Rutsch durchlesen kann, was dem Roman sozusagen das Prädikat eines Pageturners verleiht.

Ich persönlich hätte mir sogar noch mehr Trash respektive Monster gewünscht, was allerdings wiederum nicht heißt, dass mir der relativ ruhige Beginn der Geschichte nicht gefallen hat. Das erste Drittel „dümpelt“ nämlich (und das ist jetzt absolut nicht negativ, sondern eher positiv gemeint) erst einmal so dahin. Man lernt die Charaktere ein wenig kennen und durch einen Rückblick in die Vergangenheit und die Reisevorbereitungen in der Gegenwart kommt ein richtig tolles Abenteuerfeeling auf, das mich neben Jules Verne auch an die Indiana-Jones-Filme oder die Serie „Relic Hunter“ erinnert hat. Man fühlt sich wohl in der Geschichte und möchte natürlich unbedingt wissen, wie es weitergeht. Während der Expedition kommt dann ein gewisser Trashfaktor hinzu, der dem Plot eine angenehme Wendung verleiht und einen immer wieder an die alten Monsterfilme denken lässt, die man in seiner Jugend im Kino gesehen hat. Und genau an diesem Punkt hätte ich mir dann doch sogar, wie oben bereits erwähnt, noch mehr Monster-Action gewünscht. Die auf dem Titelbild abgebildete Spinne beispielsweise (auf die ich ehrlich gesagt die ganze Zeit gewartet habe 😉 ), kommt aus meiner Sicht einfach zu kurz. Da hätte man schon mehr draus machen können.

Dieser Kritikpunkt bedeutet aber nicht, dass ich mich nicht hervorragend unterhalten gefühlt habe. Wegener lässt seine Leser wieder zum Kind werden, das mit vor Staunen geweiteten Augen eine bedrohliche, fremde Welt betrachtet, in der hinter jedem Busch ein Monster lauern könnte. Auch die Beschreibung der vergessenen Stadt liest sich wie ein Film und man sieht die Gebäude in Gedanken vor sich. „Der Fluch der vergessenen Stadt“ ist eine Reise in die Vergangenheit, wo Heftchenromane zum Kult(ur)gut wurden und Trash die Abenteuerlust eines jungen Lesers befriedigte. Jethro Wegeners Roman ist sicherlich leichte Kost, beinhaltet aber durchaus auch gut recherchierte historische Begebenheiten, die der Autor in die Handlung einfließen lässt. Auch die Charaktere wirken nicht flach und oberflächlich, sondern bieten (zumindest in der ersten Hälfte des Buches) genügend Material, um dem Leser ein sehr genaues Bild von ihnen zu verschaffen. „Der Fluch der vergessenen Stadt“ ist ein kurzweiliges, spannendes Abenteuer, das den Geist der klassischen Abenteuerliteratur wenigstens ein Stück weit wieder für ein paar Lesestunden aufleben lässt.

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Fazit: Kurzweiliger Abenteuertrip, der an Klassiker des Genres erinnert.

©2021 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Murgunstrumm von Hugh B. Cave

Erschienen als gebundene Ausgabe
im FESTA Verlag
208 Seiten
18,99 €
ISBN: Privatdruck, ohne ISBN
Kategorie: Horror

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Um zu beweisen, dass er und seine Verlobte nicht verrückt sind, flieht ein Mann aus einer Irrenanstalt und führt einen Freund und einen Arzt zu einem abgelegenen Gasthaus, in dem, wie er behauptet, Vampire hausen und sich von ahnungslosen Übernachtungsgästen ernähren. Der Wirt namens Murgunstrumm dient seiner Meinung nach den Blutsaugern. Als die Gruppe das Gasthaus betritt, erwartet sie ein unfassbares Grauen …

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Ich war sehr gespannt auf diese Novelle, weil ich wusste, dass diese erstmals im Jahr 1932 erschien. Gerade solche „alten“ Geschichten haben für mich immer einen besonderen Reiz, weil damals oft perfekt eine unheimliche Atmosphäre erschaffen wurde, wie beispielsweise Romane wie „Dracula“ oder „Frankenstein“ (um hier jetzt nur die beiden berühmtesten Vertreter zu nennen) beweisen. „Murgunstrumm“ hat meine Erwartungen voll erfüllt und mich so manches Mal an alte Gruselhefte (sogenannte Schundhefte 😉 ) erinnert. Die Geschichte ist trotz ihrer Kürze sehr detailliert und liebevoll beschrieben, so dass bereits nach den ersten Seiten die von mir oben angesprochene Stimmung aufkam. „Murgunstrumm“ ist wie ein alter Schwarz-Weiß-Horrorfilm aus den Hammer Studios, der zwischen zwei Buchdeckeln festgehalten wurde. Ich könnte mir daher eine Verfilmung äußerst gut vorstellen, zumal die Story manchmal an den Kulfilm „From Dusk Till Dawn“ erinnert. Wer weiß, ob sich da vielleicht jemand von dieser Novelle hat inspirieren lassen? 🙂

Caves Schreibstil ist flüssig zu lesen und man entdeckt immer wieder einmal dazwischen schöne, alte Formulierungen, wie man sie leider heutzutage nicht mehr oft zu lesen bekommt. Das Buch ist einfach schön und angenehm zu lesen und man „inhaliert“ es dadurch förmlich. Die Geschichte und die damit verbundene Atmosphäre, die sie verströmt, ist wirklich faszinierend. Hinzu kommen noch die wenigen Illustrationen des Lee Brown Coye, die diese Novelle auch optisch noch hervorragend unterstützen und der Geschichte, respektive Murgunstrumm, ein Gesicht geben. Es ist ein kleines literarisches Abenteuer, auf das man sich hier einlässt und das einen Hauch Nostalgie von Gruselgeschichten aus der Vergangenheit einfängt, dem man sich schwer entziehen kann. „Murgunstrumm“ sollte man gelesen haben.

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Fazit: Eine gruselige und stimmungsvolle Novelle, die man lesen sollte. Das literarische Pendant zu einem Film der legendären Hammer Studios.

©2021 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Die Kreatur von Hunter Shea

kreatur

Erschienen als Taschenbuch
im FESTA Verlag
464 Seiten
14,99 €
ISBN: 978-3-86552-817-9
Kategorie: Thriller, Horror

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Die todkranke Kate möchte mit ihrem Ehemann Andrew in einer abgelegenen Hütte im Wald, mit Blick auf einen idyllischen See, zur Ruhe kommen. Dies scheint der geeeignete Ort zu sein, den die Kranke für eine Heilung dringend nötig hat.
Doch schon bald stellen Kate und ihr Mann fest, dass sie nicht allein sind. Irgendetwas lauert im Wald. Und Kate stellt fest, dass dieses Monster irgendetwas mit ihr, ihrem Körper und ihrer Krankheit zu tun hat.

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Wow, was für eine tolle Atmosphäre, die Shea Hunter mit seinem Roman „Die Kreatur“ erschafft. Weniger Horror als vielmehr Psychodrama könnte man den vorliegenden Roman aus dem Hause Festa nennen. Das Grauen baut sich langsam auf und wenn man sich auf die Geschichte einlässt, fühlt man mit den beiden Protagonisten mit, empfindet ihre Emotionen und hofft, dass sich ihr Leben verbessert. Schleichend dringt dann der Schrecken immer mehr in ihre Realität, so dass man sich ähnlich hilflos fühlt, wie das Ehepaar. Hunt schildert diese Gefühlswelt sehr gut, kann aber auch den Schauplatz so detailliert beschreiben, dass man ihn bildhaft während des Lesens vor sich sieht. Der Schreibstil ist sehr flüssig, so dass man ein Kapitel nach dem anderen einfach so weglesen kann, ohne dass jemals Langeweile aufkommt. Apropos Langeweile: Für den ein oder anderen Leser mag „Die Kreatur“ eine Mogelpackung sein, denn echter (Creature-)Horror kommt erst gegen Ende zum Tragen. Zwei Drittel des Buches begleiten wir das Ehepaar vielmehr auf ihrer tragischen Reise, einen einigermaßen normalen Alltag wieder zurückzugewinnen.

Interessant sind auch die zahlreichen Anspielungen Shea Hunters, die zeigen, dass er sich für Filme aus den 80er und 90er Jahren interessiert. Genau deren Atmosphäre erschafft er mit seinem Roman perfekt. Die Handlung stellt eine äußerst ansprechende Mischung aus Drama, Thriller und Horror dar und, wenn ich ehrlich bin, hätte ich mir auch in der zweiten Hälfte weniger Action gewünscht. Hätte Hunter seine ruhige, unspektakuläre Erzählweise bis zum Ende hin beibehalten, wäre „Die Kreatur“ ein wahrhaft beeindruckendes Buch geworden. So aber wird das Finale zu einem wilden Gemisch aus Versatzstücken, die man des Öfteren sowohl in Büchern als auch in Filmen serviert bekommen hat. Es wirkt an manchen Stellen, als wollte der Autor eine gewisse Erwartungshaltung seitens eines Mainstream-Publikums erfüllen, was ihm letztendlich ja auch gelungen ist.
Ich hätte mir, wie gesagt, die ruhigere Art mehr gewünscht. Doch trotz dieses Kritikpunktes ist „Die Kreatur“ ein toller Roman geworden, der mich, trotz relativ einfacher Handlung, im Gedächtnis haften bleiben wird. Vor allem, wenn man im Nachwort dann liest, dass Shea Hunter einen Teil seines eigenen Lebens und des Schicksals seiner Frau mit einfließen hat lassen, werten das Buch dann doch noch einmal auf.

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Fazit: In der ersten Hälfte ruhiges, später blutiges Psychodrama um eine kranke Frau.

©2020 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Kidnapped von Chelsea Cain

 

Erschienen als Taschenbuch
bei blanvalet
Preis: 8,99 €
ISBN: 978-3-641-15803-3
Kategorie: Science Fiction

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Als 6-jährige wird Kathleen „Kit“ Lannigan entführt. 5 Jahre später wird das Mädchen gefunden und gerettet. Ihre Mutter schlägt nach der Rettung Profit und Ruhm aus ihrer Tochter, die jahrelang missbraucht und zur Produktion von Filmen für Pädophile benutzt wurde. Als „Beth“ erlangte sie in diesen Kreisen Berühmtheit. Noch heute, 10 Jahre später kursieren diese Filme im Internet.

Wieder ist ein kleiner Junge ist verschwunden und gemeinsam mit James, ihrem Bruder – wie Kick ( „Kit“ ) ihn selbst nennt – versucht sie, ihn aufzuspüren. Denn diese Fälle beschäftigen sie noch heute. Sie muss zwanghaft jeden Vermissten-Fall lückenlos verfolgen. Denn sie weiß ganz genau, was mit diesen Kindern geschieht. Eines Abends sitzt plötzlich ein ihr unbekannter Mann in Kicks Wohnung. John Bishop sucht professionell vermisste Kinder und ist sich absolut sicher, dass Kick ihm bei seiner Suche nach Adam Rice, dem aktuell vermissten Kind,  helfen kann. Denn sie weiß Dinge, die für Bishop von großem Vorteil sind. Doch dazu muss Kick sich auf eine dunkle Reise in ihre Kindheit begeben. Sie muss Erinnerungen hervorholen, die sie jahrelang versuchte zu verdrängen ….

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Als jahrelanger Fan von Chelsea Cain (die Gretchen Thriller – ich habe sie hier alle rezensiert) war ich natürlich sehr neugierig auf den Start ihrer neuen Reihe. Und wieder einmal hat mich die Autorin schlagartig gefesselt. Schon lange habe ich kein Buch mehr innerhalb einer Woche gelesen.

Das Thema ist schlimm, pervers und leider aktuell und hochbrisant. Kinderpornografie, Kindesmissbrauch, Entführung und Handel. Alle diese Themen behandelt der neue Thriller der Autorin. Brutal ist er sicher auch, jedoch nicht auf die o.g. Punkte bezogen, hier spielt sich die Grausamkeit eher auf psychologischer Ebene ab. Denn Cain beschreibt keine sexuellen Handlungen an den Kindern. Sie beschreibt, wie sie „gehalten“ wurden, wie sie „klein gemacht“ wurden, wie sie ständig umzogen und die Häuser wechselten.


Ganz extrem finde ich diese Art „Bindung“, die die Autorin beschreibt, die sich zwischen Beth (der kleinen Kick) und ihrem Entführer „Daddy“/Mel aufgebaut hat und die irgendwie immer noch andauert. Er selbst hat Kick körperlich nie weh getan, er hat mit ihr gespielt und war gut zu ihr. Er hat mit ihr Ferien gemacht und Kick mochte ihn. Es klingt unglaublich und mehr erzähle ich auch nicht.

Die Kick der Gegenwart ist tough, stark und schlagfertig auf der einen Seite und auf der anderen immer noch sehr emotional und verletzlich. Die Ermittlungen, gemeinsam mit John Bishop, haben mir großen Spaß gemacht. Die Gespräche der beiden waren einfach sehr gut geschrieben und trotz der ganzen Spannung und Dramatik hat die Autorin hier eine ganz tolle Stimmung erschaffen. John Bishop erinnerte mich immer ein wenig an Jason Statham in „Transporter“ und bei Kick hatte ich immer Lisbeth Salander vor Augen, auch wenn Kick lange und wuschelige Haare hat.

Mein Fazit: Ein absolut gelungener Auftakt einer neuen Reihe, mit einer wunderbaren Protagonistin. Ein schreckliches Thema wird behandelt, aber Cain hat die Gratwanderung mit Bravour gemeistert und einen fesselnden Thriller geliefert, der sehr emotional und dennoch absolut spannend und unterhaltsam ist.

© Marion Brunner_Buchwelten 2017

Der Raum von Peter Clines

Der Raum von Peter Clines

Erschienen als Taschenbuch
im Heyne-Verlag
insgesamt 590 Seiten
Preis: 9,99 €
ISBN: 978-3-453-31642-3
Kategorie: Thriller, Science Fiction

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Als Nate Tucker in seine neue Wohnung einzieht, bemerkt er schon nach wenigen Tagen, dass etwas nicht stimmt: Türen lassen sich nicht öffnen und seltsame grüne Kakerlaken befinden sich in der Küche. Als er dann die Wohnungen von seinen Nachbarn zu sehen bekommt, stellt er fest, dass deren Ausmaße überhaupt nicht zum gesamten Haus passen. Schon bald beginnt ein unheimlicher Albtraum, bei dem es um die Rettung der gesamten Menschheit geht …

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Wie schon bei „Der Spalt“ liefert Clines einen hervorragenden und sehr stimmungsvollen Einstieg in seine Geschichte. Man fühlt sich als Leser sofort wohl mit dem Protagonisten und begleitet diesen neugierig durch seine neue Wohnung und das dazugehörige Haus. Es wirkt alles mysteriös und erinnert desöfteren an den grandiosen Roman „Das Haus“ von Mark Z. Danielewski. Aber auch an „Sliver“ von Ira Levin.
Man fiebert mit und kann kaum erwarten, wie es weitergeht, obwohl gar nicht so sonderlich viel passiert. Aber gerade diese ruhige Atmosphäre, mit der Peter Clines beginnt, macht den besonderen Reiz solcher Geschichten aus, denen man sich schwer entziehen kann. Alles wirkt glaubhaft und realistisch, obwohl alles dennoch von einem permanenten Hauch mystischer Rätsel umwoben ist. Als sich dann die Hausbewohner kennen lernen, sieht man die Treffen und Gespräche, die auf dem Hausdach stattfinden, wie einen Film vor sich. Wie gesagt, der Anfang des Romans ist absolut gelungen.

Doch leider passiert bei „Der Raum“ genau das gleiche wie bei „Der Spalt“: In der zweiten Hälfte entwickelt sich der Plot zu einem übertriebenen Action-Kracher, der die vorhergehende Handlung mit einem Schlag unglaubwürdig wirken lässt. Das liegt aber keinesfalls an der gelungenen Hommage an einen der Altmeister der Horrorliteratur, H.P. Lovecraft, sondern eher am übertrieben aufgesetzten Spannungsbogen, der wohl wieder einmal alles bisher dagewesene übertreffen soll. Hätte Clines den ruhigen Weg, wie in der ersten Hälfte des Buches, weiter eingeschlagen, wäre ein fantastischer Mystery-Thriller zustande gekommen, der noch dazu eine wirklich gute Idee im Lovecraft’schen Sinne vorweisen kann. So aber quält man sich eher durch die actiongeladenen Spannungssequenzen der zweiten Hälfte und möchte nur noch erfahren, wie es ausgeht. Wie gesagt, der Plot an sich ist wirklich gut und ideenreich, aber die Umsetzung funktioniert leider nur in der ersten Hälfte. Schade, denn das hätte durchaus ein kultiger Pageturner werden können.

Der Schreibstil ist gut und flüssig zu lesen, wobei auch hier auffällt, dass sich in der zweiten Hälfte bedeutend mehr umgangssprachliche „Ausrutscher“ und platte Witze verbergen als im ersten Teil. Das Ende wirkt wie der Film „Zathura“, nur bei weitem nicht so überzeugend. Zu viele Versatzstücke aus anderen Büchern oder Filmen kommen beim Finale zum Tragen und erdrücken den Kern der ursprünglichen Geschichte. „Der Raum“ ist gute, stimmungsvolle Unterhaltung in der ersten Hälfte und klamaukartiges Action-Feuerwerk in der zweiten Hälfte. Die vielen versteckten oder auch offensichtlichen Anspielungen auf H.P. Lovecraft und andere Bücher/Filme machen ungemein Spaß. Aber diese erfrischenden Einschübe hat Clines bereits auch in „Der Spalt“ praktiziert.
Peter Clines wird seine Anhänger finden, davon bin ich überzeugt, denn schreiben kann er, aber mich hat er mit dem Ende noch mehr enttäuscht wie bei „Der Spalt“. Dennoch ist ihm ein sehr rasanter und spannender Roman gelungen, der mich, wie schon bei „Der Spalt“, auf ein neues Werk neugierig macht, denn gute und fantastische Ideen hat Clines allemal.

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Fazit: Anfangs stimmungsvoll und überzeugend, endet der Plot leider in einem übertriebenen Action-Feuerwerk. Dennoch lesenswerter Mystery-Thriller.

© 2017 Wolfgang Brunner für Buchwelten