Der Flug des Raben von Richard Wagamese

Der Flug des Raben von Richard Wagamese

Erschienen als gebundene Ausgabe
im Blessing Verlag
insgesamt 304 Seiten
Preis: 24,00 €
ISBN: 978-3-89667-718-1
Kategorie: Drama, Abenteuer, Belletristik

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Garnet Raven wächst bei einer Pflegefamilie in einer Großstadt auf. Er weiß nicht viel über die Kultur der Indianer, von denen er abstammt. Erst als ihn ein Brief seines Bruder erreicht, beschäftigt sich Garnet mit seinen Vorfahren … und erfährt dabei, was es heißt, mit der Natur und alten Bräuchen eins zu werden.

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Auch wenn man weiß, was einen bei einem Roman von Richard Wagamese erwartet, so schafft der Autor es dennoch, immer wieder zu überraschen und zu begeistern. „Der Flug des Raben“ ist eigentlich Wagameses Debütroman, doch im Vergleich zu seinen nachfolgenden Werken kann man keinerlei „Anfängerschwierigkeiten“ entdecken. Ganz im Gegenteil, Wagamese nimmt seine Leser erneut mit auf eine philosophische Reise in die Kultur der Indianer, bei der wir permanent daran erinnert werden, dass wir den Bezug zum Leben und den wirklich wichtigen Dinge schon längst verloren haben. Wagameses Romane sind Fluchten in eine bessere und geistig wertvolle Welt, die man gar nicht mehr verlassen möchte.
„Der Flug des Raben“ zeigt bereits das Erfolgsrezept des Autors: Eine alte, teils vergessene Kultur vermischt sich mit dem modernen Leben und zeigt auf, was sein sollte, aber leider längst nicht mehr ist. Es sind die simplen Lebensweisheiten und die herzlichen Charaktere, die das Werk von Richard Wagamese ausmachen und denen man von den ersten Seiten an verfällt. Seine Geschichten sind so voller Leben und Liebe, dass man am liebsten zwischen die Seiten klettern will, um hautnah mit dabei sein zu können.

Wagameses Schreibstil ist unglaublich flüssig, sodass man nicht aufhören kann und eine Seite nach der anderen „inhaliert“. Ich fühle mich in jedem seiner Bücher wohl, und vor allem danach. Richard Wagamese ist einer jener Schriftsteller, die „einfach“ nur eine Geschichte erzählen, und das auch perfekt beherrschen. Und, wie bei allen seinen Roman, zeigt der Autor auch bei „Der Flug des Raben“ eindringlich auf, wie sehr die indigene Bevölkerung oftmals unter den Einflüssen der „weißen“ Menschen zu leiden hat, die natürlich in keiner Weise den Lebensstil und die Verbundenheit zur Natur nachvollziehen können, zumindest die meisten können es leider nicht. Aus diesem Grund finde ich Wagameses Bücher enorm wichtig, um wenigstens einen Teil der Menschen mit diesen Problemen und Erkenntnissen zu konfrontieren. Ich bin daher sehr froh, dass sich der Blessing Verlag den Werken Wagameses annimmt und diese veröffentlicht. Doch es sind nicht nur ernste, philosophische Passagen, die zum Nachdenken anregen und das Buch ausmachen, sondern auch ein ganz spezieller Humor, der auf tolle Art und Weise auf den Leser überspringt. Ja, man muss sich auf diese literarische Reise einlassen und darf keinen actionhaltigen Roman erwarten. Ruhig und stimmungsvoll wird die Geschichte von Garnet erzählt, sodass man während des Lesens die Zeit vergisst und sogar ein klein bisschen selbst zum Indianer wird.

Wagamese behandelt in seinem Roman (in seinen Romanen) immer wieder Aspekte, die gerade in der heutigen Zeit eine enorme Bedeutung haben und aus der Bevölkerung bessere Menschen machen könnte. Ich persönlich kann mich jedenfalls absolut in seine Geschichten fallen lassen und die Welt um mich herum vergessen. „Der Flug des Raben“ reiht sich also nahtlos in die bemerkenswerte Bibliografie des indigenen Schriftstellers ein. Und, was mir optisch ebenfalls unglaublich gut gefällt, ist, dass sich der Verlag konsequent daran gehalten hat, Wagameses Bücher ein gleiches Bild bezüglich des Schutzumschlages zu verleihen. Die bislang drei erschienenen Bücher machen sich dadurch sehr gut im Bücherregal.

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Fazit: Philosophisch und zum Nachdenken anregend. Ein weiteres Meisterwerk aus der Feder von Richard Wagamese.

©20212 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Das weite Herz des Landes von Richard Wagamese

Erschienen als gebundene Ausgabe
im Blessing Verlag
insgesamt 288 Seiten
Preis: 22,00 €
ISBN: 978-3-89667-665-5
Kategorie: Drama, Abenteuer, Belletristik

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Franklin Starlight trifft nach langer Zeit auf seinen Vater. Er soll ihn begleiten, denn er spürt, dass er bald sterben wird, und will an einem bestimmten Ort nach Indianerart beerdigt werden. Auf dieser Reise erfährt Franklin vieles von seinem Vater, aber auch über sein eigenes Leben. Der Trip wird zu einem Abenteuer in die Vergangenheit und führt Vater und Sohn wieder zusammen.

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Schon auf den ersten Seiten fühlte ich mich in diesem Roman wohl. Wagamese besitzt einen hervorragenden und sehr flüssigen Schreibstil, der den Leser sofort packt und auf eine Reise mitnimmt, an die man noch öfter denken wird. Die Mischung aus Lebensbericht, Abenteuerroman und Philosophie besitzt eine hypnotische Wirkung, der man sich nicht mehr entziehen kann und die ihre Faszination noch mehr entfaltet, wenn man sich vor Augen hält, dass diese Geschichte auch noch autobiografische Züge des Autors enthält. „Das weite Herz des Landes“ vermittelt einem das Gefühl, auf dieser Reise zusammen mit Vater und Sohn mit dabei zu sein, ihnen bei ihren Gesprächen am Lagerfeuer zu lauschen und die Gefühle, die dabei entstehen, mitzufühlen. Wagamese schreibt einfach, aber nichtsdestoweniger sehr niveauvoll und vor allem bildhaft.

Ohne erhobenen Zeigefinger bringt er dem (interessierten) Leser die Problematik der indigenen Bevölkerung nahe und lässt sie an ihren Emotionen teilhaben. Oftmals vergaß ich mich zwischen den Zeilen und dachte, ich lese gerade die Niederschrift des Autors über sein eigenes Leben. „Das weite Herz des Landes“ berührt, weil es ums Sterben geht und um das „Aufräumen“, bevor man diese Welt verlässt. Dass es sich dabei um eines der letzten Bücher von Wagamese vor seinem eigenem Tod handelt, macht die Geschichte umso tragischer und emotionaler. Immer wieder erfährt man etwas über die indigene Bevölkerung, doch letztendlich sind die Themen rassenübergreifend und betreffen uns alle, wenngleich auf manch andere Art und Weise. Durch die sehr ruhige Erzählweise vergisst man während des Lesens fast die Welt um sich, so eindringlich ist die Geschichte.

Richard Wagamese erschafft buchstäblich auf jeder Seite ein so detailliertes Bild, als wäre es ein Gemälde, das man vor seinem inneren Auge sieht. Seine Geschichten sind überzeugend und er zeichnet seine Charaktere sehr detailliert, so dass man an manchen Stellen meint, sie persönlich zu kennen. Die Handlung entfaltet sich wie ein melancholischer Roadmovie mit unerwarteten Wendungen. Es ist ein Roman , der vom Kampf eines Jungen um die Beziehung zu seinem alkoholkranken Vater erzählt, der ihm trotz der ständigen Enttäuschungen und nicht eingehaltenen Versprechen einen letzten Wunsch erfüllt. Wagamese beschreibt die Sehnsucht eines Kindes, das endlich den Hintergrund seiner Abstammung erfahren möchte, die ihm Zeit seines Lebens vorenthalten wurden.
Und der Roman zeigt, dass junge Menschen ihre Loyalität gegenüber ihren Eltern bewahren können, selbst wenn sie von diesen enttäuscht wurden.

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Fazit: Einfühlsamer, emotionaler und melancholischer Vater-Sohn-Familienroman.

©2020 Wolfgang Brunner für Buchwelten