Echo von Thomas Olde Heuvelt

Erschienen als Taschenbuch
bei Heyne
insgesamt 718 Seiten
Preis: 17,00 €
ISBN: 978-3-453-32098-7
Kategorie: Drama, Mystery, Horror

.

Nick besteigt mit seinem Freund den Berg Maudit, der in der Schweiz liegt und über den so gut wie nichts bekannt ist. Sie spüren bereits beim Aufstieg, dass der Berg von einer unheimlichen Macht erfüllt wird. Als dann ein Unglück geschieht, wird nicht nur Nick in einen Sog des Grauens gezogen, sondern auch dessen Lebensgefährte Sam und immer mehr Menschen in seinem Umfeld …

.

Da mich Heuvelts Roman „Hex“ schon extrem fasziniert hat, war ich natürlich gespannt, was er mit seinem neuen Roman abgeliefert hat. „Echo“ übertrifft „Hex“ sogar noch, denn der Autor hat das Thema des Bergsteigens in Verbindung mit den mystischen Eigenschaften örtlicher Legenden, die sich um solch einen Berg ranken, komplex und geradezu hypnotisch beschrieben, sodass man das Buch wirklich nur sehr schwer aus der Hand legen kann. Über 700 Seiten lang begleiten wir die Personen durch einen Albtraum, der Realität und Einbildung verschmelzen lässt. Für manch einen mögen die langatmigen Beschreibungen langweilig sein, für andere (und dazu zähle ich mich) ist es geradezu eine literarische Offenbarung, die der in den Niederlanden geborene Autor hier präsentiert. Heuvelt verbreitet von der ersten bis zur letzten Seite eine Atmosphäre, wie man sie selten so konsequent in Romanen vorfindet (am ehesten fällt mir da noch das grandiose Meisterwerk „Terror“ von Dan Simmons ein). „Echo“ ist wie ein Rausch, wie ein Sog, der seine Leserschaft unweigerlich mitzieht und nicht mehr loslässt.

Okay, zugegebenermaßen haben mich anfangs die eingestreuten englischen Ausdrücke (die ja mittlerweile zum größten Teil leider eingedeutscht sind) etwas gestört, aber im Verlaufe des Buches habe ich mich zum einen daran gewöhnt und zum anderen spiegelte es den Charakter des Protagonisten und auch die Stimmung dann doch auf ziemlich geniale Weise wider. Bei diesem Aspekt muss man sich einfach darauf einlassen. Und auch wenn man solcherart Denglish nicht mag, so schmälert diese Tatsache keineswegs die Spannung und die auf jeder Seite spürbare unheimliche Atmosphäre. „Echo“ ist ein literarischer Trip erster Güte, den man nicht mehr so schnell vergessen dürfte. Ich könnte mir das Ganze übrigens auch unheimlich gut als Verfilmung vorstellen. Heuvelt spielt hier mit der Sprache, bewegt sich trotz der umgangssprachlichen Elemente auf einem sehr hohen Niveau und beschreibt die Ereignisse mit einer bildhaften Sprache, die einen immer wieder in Erstaunen versetzt. Vor allem der Unfall in den Bergen hat mich vollkommen umgehauen. Ich konnte die Kälte und die Angst spüren, und das so intensiv, dass diese Zeilen manchmal sogar unangenehm wurden, so erdrückend war diese Situation geschildert. Diese Stelle(n) waren für mich Höhepunkte des Buches, die mich absolut in ihren Bann schlugen.

Was mir außerdem äußerst gut gefallen hat, ist die Tatsache, dass „Echo“ ein Genre-Hybrid ist, der sich nicht um die gängigen Konventionen der Literaturrichtungen schert, die er behandelt. Heuvelt erzählt schlichtweg eine Geschichte und kümmert sich nicht darum, ob diese nun in die Kategorie Mystery, Horror oder Drama fällt. Hier zählt die Story und nicht das Genre. Und das macht „Echo“ auch aus, man weiß nie, was einen als nächstes erwartet, ob es die stürmischen Höhen des Berges sind, die Liebesgeschichte zwischen Nick und Sam, die Beziehung zwischen den anderen Personen, die mysteriösen Vorgänge, die Nick auslöst oder das seltsame Verhalten der Bergdorf-Bevölkerung. „Echo“ ist Literatur, wie sie sein sollte: überraschend, spannend, innovativ und flüssig zu lesen. Für mich eines der Jahreshighlights 2021, daher würde ich mich umso mehr freuen, wenn noch mehr Werke dieses Ausnahmeautors ins Deutsche übersetzt werden würden.

.

Fazit: Unheimlich, mysteriös, spannend, melancholisch, poetisch. Ein literarisches Meisterwerk.

©2021 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Werbung

Die Ceres-Mission von A.G. Riddle

Erschienen als Taschenbuch
bei Heyne
insgesamt 572 Seiten
Preis: 10,99 €
ISBN: 978-3-453-42422-7
Kategorie: Action, Science Fiction

.

Die Erdoberfläche wird immer kälter. Eine Mission wird in den Weltraum geschickt, um die Ursache zu ergründen. Dabei stoßen sie auf ein Phänomen, das das Überleben der Menschheit gefährdet. Ein unglaubliches Abenteuer beginnt, um die Bewohner der ganzen Erde zu retten.

.

Im Grunde genommen weiß man ja, was man bekommt, wenn A.G. Riddle draufsteht. Und genau so verhält es sich dann auch bei „Die Ceres-Mission“: Action. Spannung. Atmosphäre. Wie gewohnt, liefert der Autor einen Pageturner ab, von dem man sich nicht mehr lösen kann, sobald man einmal begonnen hat. Die Geschichte führt ins Weltall, spielt aber auch auf der Erde. Und Riddle beschreibt die Ereignisse wieder so spannend, dass man die Zeit vergisst und einen Film vor sich sieht, der einen absolut in den Bann zieht. Der Schreibstil ist angenehm und flüssig zu lesen, es macht einfach ungemein Spaß, dieses Buch zu lesen. Sicherlich fallen einem an der ein oder anderen Stelle ein paar Ungereimtheiten auf, aber was soll’s, man wird erstklassig unterhalten und nichts anderes wollte der Autor mit seinem Roman erreichen. „Die Ceres-Mission“ ist literarisches Popcorn-Kino erster Güte. Und auch wenn die Charaktere nicht so tiefgründig sind wie in einem hochliterarischen Werk, so fühlt und leidet man mit ihnen.

Was mir besonders gutgefallen hat, waren die Ortswechsel. Im Weltraum beginnend, verschiebt sich das Geschehen kurzzeitig auf die Erdoberfläche, bevor es dann wieder im All zum Finale weitergeht. Ich höre schon jetzt die Stimmen, die gegen eine bestimmte Wendung „wettern“, aber wenn man sich darauf einlassen kann (und das sollte man unbedingt tun), so wird man mit einem wirklich stimmungsvollen und spannenden Überlebenskampf belohnt. Ich fühlte mich an vielen Stellen an die alten Science-Fiction-Filme der 1950er-, 1960er- und 1970er-Jahre erinnert, in denen es um das Überleben der Menschheit ging. Das Titelbild könnte ein wenig in die Irre führen, denn man erwartet eine ähnliche Geschichte wie Roland Emmerichs „The Day After Tomorrow“, bekommt aber eher eine Art „Armageddon“ serviert.

Sehr ärgerlich ist, dass in keiner Weise darauf hingewiesen wird, dass es sich hier um den ersten Teil einer Trilogie handelt. Sicherlich und glücklicherweise liest sich der Schluss wie ein richtiges Finale und man denkt, die Geschichte wäre zu Ende. Ein kleiner Hinweis wäre dennoch angebracht gewesen, denn ich wäre dadurch mit Sicherheit ganz anders an die Story herangegangen. So bleibt nur zu hoffen, dass die beiden Folgebände auch noch in Deutschland erscheinen.
Abschließend bleibt zu sagen, dass A.G. Riddle ein Garant für spannende Geschichten ist und seine Plots so schreibt, als wären bereits die Filmrechte verkauft. Ich freue mich immer wieder auf ein neues Buch dieses Autors und würde es in diesem Fall natürlich besonders begrüßen, wenn uns der Verlag nicht mit einer unfertigen Trilogie sitzen lässt.
Auf jeden Fall bekommt „Die Ceres-Mission“ von mir die volle Punktzahl.

.

Fazit: Spannender und filmreifer Einstieg in eine Trilogie, die vom Überleben der Menschheit handelt.

©2021 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Das Grauen von Dunfield von William Meikle

Erschienen als Taschenbuch
im Luzifer Verlag
insgesamt 272 Seiten
Preis:  12,99  €
ISBN: 978-3-95835-569-9
Kategorie: Mystery, Horror

.

Ein missglücktes Experiment in der Vergangenheit lässt immer wieder ein grauenvolles Wesen in Dunfield auferstehen. Eine Gruppe von Arbeitern, die den Ort verzweifelt vor einem Schneechaos retten wollen, müssen sich plötzlich einer ganz anderen, schrecklichen Gefahr stellen und nicht nur um ihr eigenes Leben, sondern auch das der Dorfbewohner kämpfen.

.

Was das Cover verspricht, hält das Buch auch. „Das Grauen von Dunfield“ ist von der Atmosphäre her eine Mischung aus Stephen Kings „Shining“, Danny Boyles Endzeitfilm „28 Days Later“ und jeder Menge Anspielungen auf H.P. Lovecraft. Dennoch, und das ist das große zusätzliche Plus dieses Romans, geht William Meikle absolut einen eigenen Weg und verbeugt sich lediglich vor diesen Vorbildern. Meikle kopiert nicht, sondern schreibt in seinem ganz eigenen Stil von einer ruhigen Apokalypse inmitten eines Schneechaos, die über den kleinen Ort Dunfield hereinbricht. Es ist eine wirklich unglaubliche Stimmung, die der Autor in diesem Roman verbreitet und der man sich von der ersten Seite an nicht mehr entziehen kann. Der Schreibstil ist zudem sehr flüssig zu lesen und die Kapitel relativ kurz gehalten, so dass man immer noch ein paar Seiten liest, bevor man das Buch dann doch aus der Hand legt oder legen muss. „Das Grauen von Dunfield“ steckt voller liebevoller Anspielungen auf Bücher und Filme und würde selbst sehr gut als Film funktionieren.

Meikle verbindet sehr geschickt seine Handlungsstränge, die in verschiedenen Zeiten spielen, sich aber im Laufe der Geschichte immer mehr auf gewisse Art und Weise miteinander verbinden. Wer bluttriefenden Splatter in Buchform erwartet, wird hier vielleicht enttäuscht werden, denn Meikle legt (glücklicherweise) mehr Wert auf gute, liebevolle Charakterzeichnungen (die zwar nicht sehr tiefgehend sind, aber die Personen dennoch sympathisch und glaubhaft machen), Atmosphäre und mystischen Grusel. Diese Mischung ist es auch, die den Roman letztendlich ausmacht und zu einem sehr unterhaltsamen, vor allem kurzweiligen Leseabenteuer macht, das man auch gerne noch einmal liest. Ich muss noch einmal auf das grandiose Cover hinweisen, dass den „Geist“ des Buches hervorragend trifft und einem während des Lesens immer wieder in Gedanken erscheint.
„Das Grauen von Dunfield“ erinnert oftmals an Lovecraft selbst, könnte aber auch in manchen Passagen vom großartigen H.G. Wells stammen, wenn man genauer über die Erzählstruktur nachdenkt. Dennoch besitzt das Buch die eindeutige Handschrift von Meikle. Und auch wenn man an John Carpenters „The Fog“ denkt, wenn der Nebel auftaucht, so steckt etwas ganz anderes in Meikles Phänomen als in Carpenters Kultfilm. Durch diese Verweise erhält man als Leser aber zusätzlich tolle Bilder in seinem Kopf, die – wie oben bereits erwähnt – den Roman wie eine Art Film erscheinen lassen. „Das Grauen von Dunfield“ ist also wirklich ganz großes Kopfkino.

Meikle erklärt einiges, aber eben nicht alles, was dazu führt, dass das ganze Handlungsgerüst äußerst mystisch wirkt und einige Selbstinterpretationen zulässt, die den Leser, wenn er es denn zulässt, selbst nach Genuss des Buches noch beschäftigen. Das macht ein gutes Mystery-Horror-Buch aus: Wenn man nach der letzten Seite eigentlich nicht weiß, was gerade geschehen ist und darüber nachdenkt, um hinter das Geheimnis zu kommen. Genau diese Vorgehensweise erinnert an Lovecraft, denn auch bei seinen Geschichten bleibt vieles offen, obwohl man den Sinn hinter dem Ganzen durchaus versteht. „Das Grauen von Dunfield“ ist ein beeindruckender Horror-Roman, der mich von der ersten bis zur letzten Seite begeistert hat. William Meikle hat mich vollkommen mit seinem Setting überzeugt und ich freue mich schon jetzt darauf, etwas Neues aus seiner Feder zu lesen. Für Lovecraft-Fans und Anhänger mystischer Gruselromane ist „Das Grauen von Dunfield“ unbedingt zu empfehlen, alle anderen werden überrascht sein, welch wunderbare, filmreife Bilder Meikle in ihren Köpfen erschafft.

.

Fazit: Unglaublich atmosphärischer Mystery-Horror mit Lovecraft-Verbeugungen.

©2021 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Eiswelt von Jasper Fforde

eiswelt

Erschienen als Taschenbuch
im Heyne-Verlag
insgesamt 654 Seiten
Preis: 14,99 €
ISBN: 978-3-453-31969-1
Kategorie: Fantasy, Science Fiction, Belletristik

.

In einer Parallelwelt, die der unseren in vielen Belangen gleicht, versinkt die Menschheit während der Wintermonate unter Schnee und Eis. Die Menschen ziehen sich in Türme zurück, wo sie Winterschlaf halten. Und die Winterkonsuln wachen über den Schlaf der Menschen, während sich draußen in der dunklen Welt Ungeheuer herumtreiben. Der junge Charlie wird zu einem dieser Konsule ernannt und muss seinen ersten Winter im Wachzustand überdauern. Doch schon bald entwickelt sich ein Dienstantritt zu einem wahren Albtraum, denn tatsächlich schläft nicht alles im Winter …

.

Aufgrund des Klappentextes bin ich mit einer gewissen Erwartungshaltung an diesen Roman herangegangen. Das Szenario las sich wirklich gut und, wenn ich ehrlich bin, ging das Ganze auch wirklich ziemlich gut los. Der Einstieg in diesen Roman hat mir sehr gut gefallen und ich war anfangs sehr neugierig, wie sich der Plot weiterentwickeln würde. Fforde hat sehr außergewöhnliche Ideen, die sehr unterhaltsam sind. Wie gesagt, der Einstieg hat mir sehr gefallen und ich rechnete natürlich damit, dass mich diese Atmosphäre bis ans Ende des Buches begleiten würde. Leider entwickelte sich der Roman jedoch im Verlaufe der Handlung immer mehr zu einem langatmigen Werk, durch dass ich mich ab der Hälfte etwa fast schon durchquälen musste.

Ich kann nicht einmal genau sagen, woran es lag, denn die Handlung und die Ideen haben mich auch bis zum Ende nach wie vor gut unterhalten. Es lag womöglich am nicht wirklich flüssig zu lesenden Schreibstil des Autors, der mich immer wieder ungeduldig werden ließ. Bei manchen Kapiteln konnte ich gar nicht abwarten, bis es endlich zu Ende war und ein eventueller Szenenwechsel wieder etwas mehr Schwung in die Handlung bringen würde. Letztendlich plätschert der Plot nämlich einfach so dahin. Man gewöhnt sich an den außergewöhnlichen Schauplatz und findet nichts Interessantes mehr daran.

Meine Begeisterung hält sich daher im Rahmen. Was mir anfangs noch gefallen hat, hat mich am Schluss eigentlich nur noch gestört und ich wollte endlich zum Ende kommen. Der Schreibstil des Autors ist weitestgehend auch noch sehr zähflüssig, sodass man sich an manchen Stellen ertappt fühlt,  die Sätze lediglich nur noch zu überfliegen, um überhaupt vorwärts zu kommen. Das ist an sich sehr schade, denn der Roman hätte weitaus mehr Spaß gemacht, wäre er um rund die Hälfte kürzer gewesen. Es wird einfach zu viel  erklärt und in die Länge gezogen, was letztendlich dazu führt, dass man sich langweilt und nicht mehr wirklich konzentriert liest. Gerade diese Langatmigkeit und die ausufernden Beschreibungen sind es, die den Lesespaß sehr dämpfen. Was am Anfang interessant begann, entwickelt sich also zum Ende hin immer mehr zu einem zähen Brei, den man irgendwie so schnell wie möglich hinter sich bringen will.

Ich kann nicht genau beschreiben, was mich an diesem Buch letztendlich so gestört hat. Fakt ist, dass ich ab der Hälfte des Buches nicht mehr konzentriert gelesen habe, dadurch auch die Übersicht über die verschiedenen Personen und den Plot verloren und mich auch teilweise gelangweilt habe. Das ist eigentlich schade, denn, wie gesagt, die außergewöhnlichen Ideen des Autors und auch das Szenario haben mich dennoch angesprochen, was irgendwie einen Widerspruch zu meinem Gesamteindruck darstellt. Trotz meiner mittelmäßigen Begeisterung kann ich aber durchaus sagen, dass sich der Roman auf eine gewisse Art und Weise im Gehirn festsetzt. Es ist wirklich verwunderlich, dass ich viele Szenen im Gedächtnis behalten habe und mich daran erinnere, obwohl mir der Roman im Gesamten nicht wirklich gefallen hat. Ich persönlich habe auf jeden Fall mehr erwartet, als mir letztendlich geboten wurde.

.

Fazit: Trotz toller Ideen sehr langatmig.

© 2019 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Der Rabe von Lionel Davidson

Der Rabe von Lionel Davidson

Erschienen als Taschenbuch
im Penguin Verlag
insgesamt 670 Seiten
Preis: 10,00 €
ISBN: 978-3-328-10002-7
Kategorie: Thriller

.

Durch einen verschlüsselten Hilferuf wird der Mikrobiologie und Agent  Dr. Johnny Porter nach Sibirien gerufen. Dort existiert ein unterirdisches russisches Forschungslabor, in dem ein tödliches Geheimnis ruht, das nicht verborgen bleiben sollte. Dr. Porter macht sich auf den Weg nach Russland, um das Rätsel zu lösen. Eine gefährliche Odyssee erwartet den Mann …

.

Wer hier einen Wissenschaftsthriller und Abenteuerroman á la Michael Crichton erwartet, wie ich es aufgrund des Klappentextes getan habe, könnte unter Umständen enttäuscht sein. Denn „Der Rabe“ ist die Odyssee eines Mannes, der die Welt umrundet und sich zahlreichen Gefahren durch Verfolger zur Wehr setzen muss, um eine geheime Forschungsstation in Sibirien zu erreichen. Es ist ein Agentenroman, aber wiederum auch nicht so, wie man sich das vorstellt. Da gibt es keine Action wie in einem James Bond-Film, sondern die Handlung geht sehr langsam und bedächtig vonstatten, was aber wiederum nicht heißt, dass es langweilig ist. Wahrscheinlich hört man schon aus diesen letzten Sätzen heraus, dass man (oder zumindest ich) nicht unbedingt leicht mit diesem Werk warm wird. Es fühlt sich letztendlich alles ein wenig unausgegoren an, zumindest auf den ersten Blick. Sicherlich steckt hinter dem Roman ein großartig geschriebenes Abenteuer, das durchaus zu unterhalten vermag, was mit Sicherheit auch an dem wirklich tollen Schreibstil des Autors liegt. Aber irgendetwas fehlt dem Ganzen, das ich leider nicht wirklich detailliert erklären kann.

„Der Rabe“ fängt genau so an, wie man aufgrund des Klappentextes vermutet. Man wird sofort neugierig auf den geheimnisvollen Fund und die einsame Forschungsstation im ewigen Eis. Lionel Davidson ist der Einstieg auf jeden Fall gut gelungen und auch hier wird einem noch vorgegaukelt, sich bald mit einem spannenden Wissenschaftsthriller zu unterhalten. Doch kaum ist der Hauptprotagonist im Spiel, wechselt der Plot in ein völlig anderes Genre. Wie schon vorhin gesagt, das heißt keineswegs, dass es dem Roman an Spannung oder gelungenen Sätzen fehlt. „Der Rabe“ bewegt sich, ebenso wie Davidsons  „Die Rose von Tibet“ auf einem hohen Niveau, was die Seiten wirklich nur so dahinfliegen lässt, obwohl nichts wirklich erwähnenswertes passiert. Aber man ertappt sich selbst immer wieder dabei, dass man darauf wartet, dass die Forschungsstation ins Spiel kommt. Leider kommt und kommt sie aber nicht ins Spiel – erst auf Seite 400 geschieht endlich das, auf das man sich als Leser gefreut hat: Der Protagonist erreicht die geheimnisvolle Station und nimmt Kontakt mit einem Wissenschaftler auf. Doch kaum ist man mit der Situation „warm“ geworden, verlässt „der Rabe“ den Schauplatz wieder und macht sich auf den Weg zurück. Erneut werden wir Zeuge, wie sich der Mann vor Verfolgern verstecken muss und um sein Leben kämpft.

Lionel Davidsons Roman ist absolut toll geschrieben und kann auch auf über 600 Seiten unterhalten, erfüllt aber eben die Erwartungshaltung nicht. Erst im Nachhinein, wenn man das Buch also zu Ende gelesen und zugeschlagen hat, bemerkt man, dass sich die bildhaften Beschreibungen ins Gedächtnis eingeprägt haben und eine Art Film hinterlassen haben. Mir haben die detaillierten Schilderungen sämtlicher Unternehmungen des Protagonisten wirklich gut gefallen und ich hatte auch bis zum Ende, das übrigens dann doch wieder ein wenig versöhnt hat, ein großes Lesevergnügen. Aber ich hatte zum einen etwas anderes erwartet und zum anderen auch mit einer weitaus längeren Zeitspanne gerechnet, in der die Handlung auf den Schauplatz des abgelegenen Forschungsinstituts verlegt wurde. Ingesamt hat Lionel Davidson einen sehr atmosphärischen Thriller abgeliefert, der ruhig und besonnen den Weg beziehungsweise die Wege eines einsamen Mannes beschreibt und mit vielen Details aufwartet.

.

Fazit: Ruhiger Thriller, der sich mehr auf die beschwerliche Odyssee eines Mannes als auf eine wissenschaftliche Basis, wie vom Klappentext suggeriert wird, beschränkt.

© 2017 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Die Rose von Tibet von Lionel Davidson

Erschienen als Taschenbuch
im Penguin Verlag
insgesamt 444 Seiten
Preis: 10,00 €
ISBN: 978-3-328-10003-4
Kategorie: Abenteuer, Literatur, Mystery

.

Als der Filmemacher Hugh Wittington bei einer Expedition in Tibet angeblich ums Leben kommt, macht sich sein Stiefbruder Charles, der nicht an Hughs Ableben  glaubt, auf die Reise, um ihn zu finden. Er erreicht schließlich das Kloster, in dem sein Halbbruder zum letzten Mal lebend gesehen wurde und trifft anstatt auf den Gesuchten auf eine mysteriöse Frau, die ein unheimliches und tödliches Geheimnis umgibt.

.

Der bereits im Jahr 1962 erschienene Abenteuerroman „Die Rose von Tibet“ ist ein fantastischer Genremix aus mitreissendem Abenteuerroman in Reiseberichtform und esoterischem Mysterythriller. Während sich der erste Teil wie eine Symbiose aus Bram Stoker und Dan Simmons liest, entwickelt sich die zweite Hälfte zu einem Esoteriktrip, der aber weiterhin in der abenteuerlichen Kulisse eines verschneiten, einsamen Tibetklosters spielt. Ich persönlich konnte mich an der ersten Hälfte gar nicht sattlesen, so hypnotisch war der Spannungsaufbau und die Schilderung der Reisevorbereitungen. Ich ging den beschwerlichen Weg zusammen mit dem Protagonisten, spürte die Kälte und die Gefahren der Reise und fühlte mich in einer fremden (tibetischen) Welt unglaublich wohl. Davidson verfasste seinen Roman so geschickt, dass man (ähnlich wie bei besagtem Dan Simmons) manchmal zweifelt, ob es sich nicht doch um einen Roman nach tatsächlichen Ereignissen handelt.

Davidson kann einen sehr schönen, niveauvollen Schreibstil sein eigen nennen, durch den man bei den Geschehnissen wirklich unmittelbar dabei ist. Doch wer einen historisch fundierten Roman erwartet, könnte unter Umständen ein wenig enttäuscht sein, denn das Hauptaugenmerk liegt auf einer mystischen, esoterisch angehauchten Geschichte und nicht auf der realen Kultur Tibets. Sicherlich werden auch historische Ereignisse behandelt, die aber teilweise etwas wirr wirken, wenn man sich damit noch nie befasst hat. Doch die tatsächlich stattgefundenen, politischen Wirrungen dieser Zeit tun der Hauptgeschichte an sich keinen Abbruch, wenn man sich nicht dafür interessiert oder die Zusammenhänge teilweise nicht versteht. Es ist die Atmosphäre und die „geistige“ Aussage, die den Reiz dieses Romans ausmacht, die stimmungsvollen Bilder, die Davidson im Kopf des Lesers entstehen lässt, und die mystische Anziehungskraft der fremden, tibetischen Welt, die sehr gut beschrieben wird.
Und gerade die Tatsache, dass die Geschichte als „wahr“ erzählt wird, gibt dem Buch noch einen zusätzlichen Pluspunkt, der die Seiten (zumindest in den ersten beiden Dritteln) nur so dahinfliegen lässt. Erst im letzten Drittel erscheinen manche Szenen etwas langatmig und, wenn man mit leicht „abgedrehten“ esoterischen Aspekten Probleme hat, etwas unglaubwürdig.

Lionel Davidson reiht sich aus meiner Sicht von seiner Erzählweise in die Riege bekannter Autoren wie Jules Verne oder H.G. Wells ein, um nur zwei zu nennen. Das liegt vor allem an dem „altmodischen“ Schreibstil, was allerdings absolut nicht negativ sondern im Gegenteil äußerst positiv zu bewerten ist. Schon während der ersten Seiten nimmt uns der Autor mit seinem fiktionalen Tatsachenbericht gefangen und lässt uns bis zum Ende nicht mehr los. „Die Rose von Tibet“ ist ein Abenteuerroman im klassischen Sinne, der sich zwar an einigen historischen Ereignissen orientiert, aber einen eigenen „erfundenen“ Weg geht, der einen entweder anspricht und sofort mitreißt oder eher langweilig  und -atmig wirkt. Echte Tibetkenner werden sich die Haare raufen, der „Otto-Normal-Leser“, der sich einfach nur gut unterhalten möchte, wird die tolle Atmosphäre, die fast während des gesamten Buches vorherrscht, genießen und über die unrealistischen erscheinenden Dinge einfach hinwegsehen. Mir persönlich hat die erste Hälfte ausnehmend gut gefallen, wofür ich auch ohne weiteres fünf Sterne vergeben würde, und die zweite Hälfte wirkte auf mich dann an manchen Stellen eher etwas ermüdend, so dass der Story dann hierfür letztendlich nur drei Sterne aus meiner Sicht zustehen würden. Im Gesamtbild ist „Die Rose von Tibet“ für mich aber immer noch ein guter, lesenswerter 3,5 bis 4-Sterne-Titel.

.

Fazit: Spannend, atmosphärisch und mystisch. Die erste Hälfte ist pures Abenteuer, die zweite bewegt sich dann eher auf esoterischen Pfaden.

© 2017 Wolfgang Brunner für Buchwelten

STILL von Zoran Drvenkar

.

still_zorandrvenkar
Erschienen als Klappenbroschur
im  Verlag Eder & Bach
insgesamt 416 Seiten
Preis: 16,95 €
ISBN 978-3-945386-00-2
Kategorie: Thriller

.

Mika Stellar, ein Mann und Vater der seine seit zwei Jahren verschwundene Tochter sucht, scheut keinen Schritt mehr, um sich endlich Klarheit zu verschaffen. Er nimmt eine neue Identität an und begibt sich durch sein Vorhaben selbst auch in Gefahr. Doch das kann ihn nicht schrecken oder abhalten. Den größten Schrecken eines Vaters musste er bereits erleben: Seine Tochter ist fort, verschwunden aus dem Elternhaus. Einfach so, ohne jede Spur.

Eine Gruppe von vier Männern, Jäger, besondere Jäger, denn ihre Beute sind keine Tiere. Sie sind sehr gut organisiert, geduldig und absolut diszipliniert. Sie jagen nur im Winter. Der Schnee und seine stille Weiße bietet ihnen den Schutz, den sie für ihre Jagd benötigen.

Ein Mädchen, mittlerweile 19 Jahre alt, sitzt in einer Einrichtung tagtäglich am Fenster, schweigend. Stumm stiert sie in die Welt hinaus. Ihre Hand liegt mit der geöffneten Handfläche nach oben auf ihrem rechten Knie. Immer. Sie wartet darauf, dass ihr endlich jemand den Schlüssel in die Hand legt, der ihre weggeschlossenen Erinnerungen befreit. Wieso versteht nur niemand diese Geste … ?

***

Ich selbst habe bislang nur einen Roman von Zoran Drvenkar gelesen. „Der letzte Engel“, sein Jugendbuch, der, wie mir eine befreundete Bloggerin erzählte, eher nicht der typische Zoran Drvenkar ist. Mir hat auch dieser Roman sehr gut gefallen und darum war ich auf dieses neue Werk natürlich gleich neugierig.

Ich habe mit STILL begonnen, las die ersten Zeilen und Seiten und ich wusste, was meine Bloggerfreundin meinte. Dieser Zoran Drvenkar ist anders. Der Schreib- und Erzählstil traf mich mit solcher Wucht, dass er mir Gänsehaut bereitet hat. Und nicht nur mir. Ich habe meinem Mann, selbst Schriftsteller, eine Stelle lesen lassen und auch er sagte nur: „Oh, Mann, ich habe eine Gänsehaut, das ist der Hammer.“

Zoran Drvenkar erzählt in mehreren Handlungssträngen und zu Anfang wusste ich noch nicht genau, wie sie miteinander zu tun haben sollen, das war  mir aber auch relativ egal. Ich habe die Handlung auf mich zukommen lassen in dem Wissen, dass sich alles fügen wird und mir mit jeder Seite die Zusammenhänge klarer werden. So war es auch.

Und ich kann nur sagen: Dieser Roman ist keine leichte Kost. Das Thema schockt, erschüttert, macht wütend und stellenweise denkst du als Leser: Wie kann der Autor sich mit so abgrundtief Widerlichem nur befassen? Tja, ein solches Thema aufzugreifen und die Gratwanderung zwischen fesselnder Unterhaltung und abstoßendem Inhalt zu schaffen, das ist Kunst des Schreibens.

Ich bin sicher, Zoran Drvenkar hat es nicht leicht gehabt. Nicht mit der Recherche, nicht mit seinen Gedanken, die er als Handlung zu Papier bringen musste/wollte ohne selbst durchzudrehen.

Ich werde nicht verraten, um welches Thema es sich genau handelt, jedoch hat es mich gleich doppelt „mitgenommen“: Erstens als Mutter von vier Kindern zwischen 20 Jahren und 6 Monaten und leider werde ich auch beruflich ab und an damit konfrontiert und ich kann nur sagen: das ist mehr als schlimm.

Dieser Roman hat mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt, mich nicht losgelassen und die Wendungen, die Zoran Drvenkar im Laufe der Geschichte verbaut hat, die waren absolut nicht absehbar. Der Schreibstil ist, wie bereits erwähnt, sehr hochwertig und ich könnte gleich mehrere Zitate liefern, die dies belegen. Aber einfacher ist noch: Lest selbst!

Der brandneue Verlag Eder & Bach liefert auch optisch ein sehr gutes Buch: Die Klappenbroschur ist edel und hochwertig. Das Cover ist den anderen Roman von Zoran Drvenkar optisch so angeglichen, dass der Verlagswechsel im Regal nicht auffällt. Das Schriftbild, das Papier, die Kapiteleinteilung, alles wirkt sehr ansprechend.

Der Roman wurde übrigens auf ausdrücklichen Wunsch des Autors in der alten deutschen Rechtschreibung gedruckt. Es ist einfach toll,z.B. das Wort Photographie wieder mit ‚ph‘ auf dem Papier zu sehen!

Der Verlag Eder & Bach, erst dieses Jahr gegründet von Klaus Fuereder, u.a. ehemaliger Geschäftsführer bei Ullstein und dem Literaturagenten Felix Grisebach hat mit Zoran Drvenkar natürlich ein absolutes Zugpferd im Programm.  Ich denke, der Verlag wird sich recht schnell etablieren, die Printausgaben liegen zumindest im Buchhandel aus und sind nicht nur online oder über den Verlag erhältlich. Das ist natürlich für einen Verlagsstart ein absoluter Pluspunkt.

.

Mein Fazit: Volle Punktzahl, 5 von 5 Sternen für den neuen Roman von Zoran Drvenkar, der mit einer schrecklichen Handlung den Leser überrumpelt und fesselt, ihn aber mit seinem absolut hochwertigen und tiefgründigen Schreibstil in einen Bann zieht, der dich das Buch nicht aus der Hand legen lässt.

.

Ich danke dem Verlag Eder & Bach für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

.

.

© Buchwelten 2014

Schattengrund von Elisabeth Herrmann

.


Erschienen als Klappenbroschur
bei cbt
416 Seiten
Preis: 14,99 €
ISBN: 978-3-570-16126-5
Katergorie: Thriller (ab 14 Jahre)

.

Nico ist 17 Jahre alt, eigentlich in ca. 2 Wochen schon 18, und gemeinsam mit ihren Eltern hat sie einen Notartermin. Ihre kürzlich verstorbene Tante hat ihren letzten Willen verfügt und der hat offensichtlich mit Nico zu tun. Sie weiß überhaupt nicht, was sie bei diesem Termin erwartet, hat sie doch kaum noch Erinnerungen an ihre Tante, in deren Haus im Harz sie in ihrer Kindheit sehr oft zu Besuch war. Denn plötzlich brach der Kontakt zu der Tante ab, sie wurde von ihren Eltern als „krank im Kopf“ beschrieben und somit hat Nico sie bereits seit 12 Jahren nicht mehr besucht.

Nico staunt nicht schlecht, als sie ihr „Erbe“ erhält:  Einen Reisigbesen, der fast auseinanderfällt, eine halbe Postkarte und einen glitzernden Stein, offensichtlich ein Stück Erz aus dem Harz. Nico will diese Dinge dennoch annehmen, sie meint, dass ihre Tante sich wohl etwas dabei dachte, dass sie diese Dinge bekommen soll. Nachdem sie zugestimmt hat, offenbart der Notar den zweiten Teil des Testaments. Nico soll Schattengrund erben. Das ist das Haus der Tante, welches in einem kleinen Kaff namens Siebenlehen im Harz liegt. Genau das Haus, in dem Nico früher ihre Ferien verbracht hat.

Nico ist sofort angetan, doch ihre Eltern machen ihr da, als ihre gesetzlichen Vertreter – denn noch ist sie ja nicht volljährig – einen Strich durch die Rechnung. Sie lehnen das Erbe ab. Punkt. Ende. Aus. Keine Diskussion mehr möglich! Nico versteht das natürlich nicht und will diese Ablehnung nicht auf sich beruhen lassen. Zumindest möchte sie wissen, was sie hätte erben können und ob sie herausfindet, warum ihre Elten so sehr dagegen sind.

Gemeinsam mit ihrer einzigen Freundin heckt sie einen Plan aus. Sie will nach Siebenlehen fahren und sich Schattengrund ansehen. Möchte noch einmal das Haus ihrer Tante besuchen, in der Hoffnung das vielleicht ihre Kindheitserinnerungen wieder aufleben oder sie wenigstens erfährt, was an dem Haus so schrecklich sein soll.

Es ist mitten im Dezember, der Winter ist bitterkalt und schneereich, doch Nico macht sich mit dem Zug auf in den Harz. Offiziell übernachtet sie bei ihrer Freundin, die natürlich im Zweifelsfall für Nico deren Eltern gegenüber lügen wird.

Doch als Nico dann endlich Siebenlehen erreicht, kommt alles anders als sie denkt. Das Schneechaos ist da eher das kleinere Übel. Viel schlimmer ist, dass das gesamte Dorf sie zu erkennen scheint und ihr von allen Bewohnern der pure Hass entgegengebracht wird …

***

.

Als ich vom Verlag die Leseprobe erhielt, war ich sogleich von der schönen, düsteren und leicht gruseligen Stimmung angetan. Ein kleines verschneites Dorf, eingeschneit, von der Außenwelt abgeschnitten. Ein Teenager, der ein dunkles Geheimnis zu haben scheint. Ein altes Haus, das Geschichten erzählen könnte, wäre es in der Lage zu sprechen. Geheimnisse und Rätsel, die nach Aufklärung schreien. Als dies ist Schattengrund.

Elisabeth Herrmann hat in diesem Thriller eine wunderbare Stimmung geschaffen, die sie die gesamte Handlung über aufrecht erhält.

Es knistert vor Kälte und Spannung und ich war absolut gefesselt. Der Spannungsbogen ist sehr gut aufgebaut und trotz aller spannenden und auch heftigen Momente lässt die Autorin den Leser immer wieder (genauso wie Nico) zwischendurch zur Ruhe kommen und durchatmen.

Das dunkle Geheimnis wird nach und nach gelüftet, das ist sehr spannend zu lesen, da ja die Protagonistin selbst keinerlei Erinnerungen mehr hat und nicht weiß, wem sie was glauben kann. Doch die mutige 17-jährige gibt nicht auf, lässt sich nicht abschrecken, nicht einmal von der eigenen Angst.

Elisabeth Herrmann hat selbst kurz vor dem Finale noch mehrere Fährten ausgelegt, die mich als Leser nahezu haben verzweifeln lassen, denn jede für sich wirkte sehr logisch. Ich habe das Buch schwer aus der Hand legen können, ich wollte schnell wieder zurück nach Schattengrund und wissen, was denn nun das schreckliche Geheimnis dieses Ortes ist.

Der Thriller fällt in die Kategorie Jugendbuch, wo die zarte Liebesbeziehung, die Nico im Laufe der Handlung erfährt, sehr gut zu passt. Wobei ich hier nicht von Teenager Kitsch reden möchte, das ist ganz und gar nicht der Fall. Ich würde das Buch aber wieder einmal als All-Age Buch bezeichnen, denn auch erwachsene Leser kann und wird der Roman packen.

Der Schreibstil der Autorin ist gut, fesselt vom ersten Moment und die Stimmung der Geschichte ist sehr gut gelungen. Die Charaktere, sowohl der der Protagonistin Nico, als auch die der Nebenrollen sind gut und glaubwürdig ausgearbeitet. Ein schreckliches Thema ist in märchenhafter Art und Umgebung erzählt und zieht absolut in seinen Bann.

Das Cover ist in schwarz, weiß, rot gehalten und gefällt mir eigentlich ganz gut. Das Haus im Hintergrund mag Schattengrund darstellen, wobei ich mir das besser als eingeschneites Hexenhäuschen vorstellen könnte, es würde besser zur Handlung passen. Was die rote Schaukel im Vordergrund eher nicht tut.

 .

Mein Fazit: 5 von 5 Sternen für einen Thriller, der Leser anspricht, die eine spannende, düstere aber auch märchenhafte, knisternde Stimmung mögen.

 

 .

.

Ich danke cbj / cbt für die Bereitstellung des Rezensionsexemlars.

.

.

© Buchwelten 2012

Kälte von Michael Northrop (5/5)

.


Erschienen als
Taschenbuch
im
LOEWE Verlag
256 Seiten
Preis: 6,95 €
ISBN: 978-3-7855-7428-7
Kategorie:  Jugendbuch (ab 13. Jahre)
für mich aber „All Age“

.

Tattawa, eine Highschool in Neuengland, gebaut auf einem Acker. Also somit am Ende der Welt.

Schüler, die während der ersten Unterrichtsstunden aus dem Fenster sehen und sich über den fallenden Schnee nicht wundern. Doch der Schnee wird nicht weniger, sondern stärker und natürlich kommt die Durchsage des Rektors, dass der Unterricht abgebrochen wird, damit die Schüler vor dem Schlimmsten mit den Bussen nach Hause gebracht werden können.

Sieben Jugendliche, die diese Busse nie nehmen, sondern in der Schule bleiben. Alle aus unterschiedlichen Gründen.

Weems und Pete haben sich von ihrem Freund Jason überreden lassen, ihm noch beim Bau seines Mega-Flammenwerfer-Gokarts im Werkraum zu helfen. Jasons Vater hatte zugesagt, die Jungs später abzuholen.

Dann sind da noch Krista und Julie, auch sie wollten auf Kristas Mum warten, damit sie nicht mit dem Bus fahren müssen. 

Dann wäre da noch der Aggro Les, der eigentlich mal wieder zum Nachsitzen antreten sollte und deshalb noch in der Schule ist und warum der seltsame Elijah noch da ist? Man weiß es nicht, nur dass er als seltsamer Gothic-Psycho bezeichnet wird und ständig mit sich alleine rumhängt.

Da sitzen sie nun, diese ungleiche Gruppe von sieben Schülern. Und es dauert eine Weile bis ihnen bewusst wird, dass sie in der verdammten Schule festsitzen. Die Schneewände an den Außenfenstern wachsen rasant auf 2,5 Meter an.

Die Handynetze brechen zusammen, nach Hause anrufen oder nur eine SMS schicken funktioniert nicht mehr.

Dann fällt der Strom aus und mit ihm wird die Heizung auch nicht mehr weiterlaufen. Spätestens da ahnen die Jugendlichen, dass dies keine lustige Campingnacht in der Schule wird, sondern dass dieser Schneesturm zu einer Naturkatastrophe heranwächst und sie gehörig in Gefahr sind ….

***

.

Ich fange diesmal andersrum an, also mit dem Cover. Denn das hat mich auf Anhieb auf der LOEWE Verlagsseite direkt angesprochen und neugierig gemacht. Es ist  in einem tollen eisblau-grau gehalten und zeigt die zugeschneite Highschool und noch immer fallenden Schnee, der verdammt echt aussieht. Der Titel „Kälte“ ist einfach und schlicht und hat mir auch auf Anhieb gefallen

Der Schreibstil ist schlicht und einfach, denn erzählt wird die Geschichte von Scotty Weems, einer der sieben Schüler aus seiner Sicht. Das gibt allerdings noch keinen Hinweis darauf, wie sich die Handlung entwickelt, auch wenn man gleich weiß, er hat es offensichtlich geschafft aus der Schule raus zukommen.

Die Handlung beinhaltet typische Jugendlichenprobleme: z.B. Mädchen und Jungs treffen aufeinander, wie verhält Junge sich da? Aber auch die Darstellung des Aggro-Schülers, den keiner mag und der allen Angst einjagt ist sehr gut gelungen. Nämlich völlig entgegen der typischen Klischees.

Letztendlich geht es nur darum, zu überleben und diese Katastrophe zu überstehen. Und wie diese 7 Schüler dies meistern, dass ist doch sehr erwachsen.

Die Jugendliche werden mit immer neuen dramatischen Umständen konfrontiert, da ist der ausgefallene Strom noch das kleinste Übel. Denn extreme Schneemassen bringen bekanntlich auch die beste Statik ins schwanken.

Mich hat dieser Roman sehr gefesselt und auch hier finde ich die „Erfindung“ des Genres All-Age mehr als passend. Denn dieser Roman ist, auch wenn er sich offiziell in der Kategorie Jugendbuch befindet, auch für Erwachsene spannend und empfehlenswert.

Die eventuellen Eltern von Teenagern, so wie ich :-), können miterleben wie Jugendliche in diesem Alter über sich hinaus wachsen können, sich zusammenraufen, miteinander umgehen und Probleme lösen.

Denn diese Schüler sind ja eigentlich normale Teenies, die ständig mit ihren Smartphones rumhängen, schmerzhaft die Kommentare auf ihrer Facebook Pinnwand vermissen oder stinkig sind, weil wegen dem Schneesturm das wichtige Basketballspiel ausfällt.

Doch diese Schüler sind eben auch Teenager, die sich Sorgen um ihre Eltern zu Hause machen, um ihre Mitschüler, die in den Bussen saßen. Junge Erwachsene die in dieser Gefahrensituation auch ohne ihre Handys auskommen (denn die dienen nur noch als Taschenlampe).

Dieser Roman hat richtig Spaß gemacht, er hat mich gefesselt, mitfiebern lassen und ich kam mir vor als sähe ich einen Film, auch wenn es oft recht dunkel war 🙂 .

Die Charaktere waren sehr unterschiedlich, gut und lebensecht ausgearbeitet und mit Tiefe dargestellt. Alle wie sie da waren. Hoffnung, Angst, Mut, Neid, Enttäuschung, Einfallsreichtum. Dies sind einige Punkte, die in „Kälte“ behandelt werden und ich finde die Umsetzung ist sehr gut gelungen.

.

.

Mein Fazit: 5 von 5 Sternen für diesen Katastrophen-Thriller, der sich um Jugendliche dreht, aber nicht nur diese als Zielgruppe anspricht. Eine fesselnde Handlung, spannend und mit Charakteren, die gegen das Klischee handeln. Somit für mich ein „All-Age“ Roman, den ich gerne weiterempfehle!

..

.. 

Ich danke dem LOEWE Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares.

.

.

© Buchwelten 2012

.

.