Galaxias von Stephen Baxter

Erschienen als Taschenbuch
im Heyne Verlag
insgesamt 651 Seiten
Preis: 16,00 €
ISBN: 978-3-453-32248-6
Kategorie: Science Fiction

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Stephen Baxters neuester Roman mit dem Titel „Galaxias“ mag für den ein oder anderen Fan anfangs langatmig und relativ unspektakulär wirken. Das liegt daran, dass Baxter eine interessante Ausgangssituation verwendet, um diese dann mittels vieler Gespräche aufarbeitet, in denen sich eine drohende Gefahr für die Menschheit herauskristallisiert. „Galaxias“ ist kein Science-Fiction-Roman, der im Weltall spielt, sondern in erster Linie auf der Erde handelt. Der Leser begleitet verschiedene Personen bei ihrer Aufgabe, ein unheimliches Phänomen zu enträtseln. Dies passiert mittels vieler Gespräche auf politischer und wissenschaftlicher Ebene was natürlich für den ein oder anderen tatsächlich etwas langatmig wirken könnte. Mir persönlich hat dieses Vorgehen allerdings sehr gefallen, weil es die außergewöhnliche Situation authentischer machte. So wie man es von Baxter gewohnt ist, wird das Verschwinden der Sonne, so gut und verständlich wie es geht, auf wissenschaftliche Art und Weise erklärt. Der Schreibstil ist wie gewohnt sehr flüssig und aus meiner Sicht eben alles andere als langweilig. Sicherlich hätten die Charaktere noch etwas vertieft werden können, aber das empfand ich als gar nicht so schlimm, weil es ja vielmehr um das Entschlüsseln des Mysteriums ging. Zumindest aus meiner Sicht empfand ich dieses Vorgehen als absolut nicht störend.

„Galaxias“ erinnerte mich so manches Mal an die Science-Fiction-Romane der 1970er-Jahre, die eine Gefahr aus dem Weltraum behandelten und den Kampf der Menschheit ums Überleben beschrieben. Baxter gibt der Handlung durch seine wissenschaftlichen Ansätze einen interessanten Rahmen, der durchaus plausibel erscheint. Ich könnte mir dieses Buch durchaus als äußerst spannenden Film vorstellen. Und dann, wenn man nach mehreren hundert Seiten denkt, dies wäre zwar ein typischer Roman von Steven Baxter, der allerdings nicht auf epische Weise endet, wird man eines Besseren belehrt. Denn „Galaxias“ nimmt gerade auf den letzten Seiten noch gewaltig an Fahrt auf und zeigt eine Prämisse, die für Baxters Romane typisch ist: bombastisch, episch und über die Grenzen hinausgehend. Gerade das Ende hat mich als großen Baxter-Fan wieder äußerst zufrieden gestimmt, weil es Bilder vor meinem inneren Auge entstehen ließ, die ich von seinen Romanen gewohnt bin. „Galaxias“ endet episch, zumindest aus meiner Sicht, und bleibt genau aus diesem Grund, wie alle Bücher von Steven Baxter, in meinem Gedächtnis haften. Wo Baxter draufsteht ist letztendlich auch Baxter drin. Ich freue mich schon jetzt auf das neue Abenteuer dieses außergewöhnlichen Autors.
Die volle Punktzahl erreicht der Roman allerdings nicht ganz, da es eindeutig bessere Geschichten von Stephen Baxter gibt.

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Fazit: Eine faszinierende Ausgangssituation entwickelt sich zu einem Epos.

©2023 Wolfgang Brunner für Buchwelten

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Seelenfänger von Andreas Brandhorst

seelenfänger

Erschienen als Taschenbuch
im Piper-Verlag
insgesamt 640 Seiten
Preis: 10,00 €
ISBN: 978-3-492-28188-1
Kategorie: Thriller, Science Fiction

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Zacharis Calm ist ein sogenannter Traveller. Er kann sich mithilfe einer Droge in den Seelenzustand eines Menschen versetzten und sieht dessen Psyche wie eine eigene Welt vor sich, in der er sich auch frei bewegen kann. Als Zacharias zusammen mit Kollegin und Psychologin Florence in die psychische Welt eines Komapatienten eindringt, trifft er auf einen mysteriösen Feind, der die Realität, in der die Menschen leben, zerstören will …

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Brandhorst schreibt Geschichten, die eigentlich nicht schreibbar sind. 😉
Mit „Seelenfänger“ beweist er dies erneut. Andreas Brandhorst MUSS Filmfan sein, sonst wären die Anspielungen auf Filme wie „Matrix“, „Inception“, „Avatar“ oder „Tron“ nicht erklärbar. Das Gute daran ist: Brandhorst kopiert nicht, sondern verbeugt sich vor diesen cineastischen Meilensteinen. Im Falle von „Seelenfänger“ macht das einen unglaublichen Spaß und sobald man sich auf die schräge Handlung eingelassen hat, kann man sich nicht mehr davon losreißen.

Andreas Brandhorst nimmt uns auf unglaubliche Reisen mit, die sich durch seinen bildhaften Schreibstil im Kopf der Leser ausbreiten, als sähen sie tatsächlich einen Film voller Computereffekte. Obgleich einem die Story an ein paar Stellen extrem verwirrend vorkommt, vermag der Leser, der sich darauf einlassen kann, das Ganze am Ende doch auf geheimnisvolle Weise verstehen. Das ist eine Kunst, die nur wenige Autoren beherrschen: Brandhorst gehört dazu. Er wirkt auf mich fast wie ein deutscher Iain Banks.

Wer sich auf Fantasiewelten und unmöglich Erscheinendes einlassen kann, wird mit einem wahren Feuerwerk an Ideen und Welten belohnt, dem man sich schwer entziehen kann. Der Suchtfaktor bei diesem Roman ist sehr groß. Andreas Brandhorst kann mit seinem Werk zwar Tad Williams genialer „Otherland“-Reihe nicht das Wasser reichen, aber er schafft mit seinem Science Fiction-Thriller zumindest etwas Ähnliches: Der Leser kann sich fallenlassen und in fremde Welten entschweben, um darüber nachdenken, was real und was surreal ist.
Ein unerschöpflicher Einfallsreichtum beschert großes Kopfkino, das man mal „gesehen“ haben sollte. Für mich ein großer SF-Roman aus Deutschland, der sich vor internationaler Konkurrenz nicht verstecken braucht.

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Fazit: Mit einer Mischung aus „Inception“ und „Matrix“ entführt Andreas Brandhorst seine Leser in unglaublich vielfältige Realitäten. Ein Roman zum Nachdenken, aber auch zum Fallenlassen und Genießen.

© 2015  Wolfgang Brunner für Buchwelten

Ich bin viele von Dennis E. Taylor

Erschienen als Taschenbuch
im Heyne Verlag
insgesamt 460 Seiten
Preis: 14,99 €
ISBN: 978-3-453-31920-2
Kategorie: Science Fiction

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Bis zu dem Zeitpunkt, an dem sich Bob Johansson entschlossen hat, sich nach seinem Ableben“konservieren“, einfrieren zu lassen, war er ein ganz normaler Mensch. Dann stirbt er … und erwacht in der Zukunft als Maschine. Als Künstliche Intelligenz soll er ins Weltall aufbrechen, um neue Lebensräume für die Menschheit zu finden. Und damit er Unterstützung auf seiner Reise erhält, kann Bob sich klonen …

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Schon während der ersten Seiten dachte ich, ich lese einen neuen Roman von Andy Weir, dem Autoren von „Der Marsianer“ und „Artemis“. Denn Dennis E. Taylor hat einen ähnlichen und wirklich witzigen Schreibstil wie Weir, der mich des Öfteren zum Schmunzeln gebracht hat. Gerade der Anfang, als sich der Protagonist im Körper einer Maschine befindet und damit erst einmal klar kommen muss, hat mich königlich unterhalten. Es hätte ruhig noch ein wenig so weitergehen können, aber Taylor schlägt bald einen anderen Kurs ein, an den man sich dann erst einmal gewöhnen muss. Was aber nicht heißt, dass man ab diesem Moment weniger Spaß bei diesem außergewöhnlichen Abenteuer hat. Taylor schafft es mühelos, seine Leser in den Bann zu ziehen, sie mitzunehmen auf eine Reise in verschiedene Persönlichkeiten eines Menschen. Mit Witz und technischen Details begleiten wir anschließend den Protagonisten auf eine unglaubliche Reise ins All, dorthin, wo noch nie ein Mensch gewesen war. 😉

Die Entwicklung(en) des Protagonisten, wenn sich immer mehr seiner diversen Persönlichkeiten durch das Klonen entfalten, ist unglaublich witzig gestaltet. Und wenn er sich dann quasi mit sich selbst unterhält und diskutiert, stellt man so manches Mal ein Grinsen auf seinen Lippen fest, während man die Seiten umblättert. Man kann „Ich bin viele“ getrost als Pageturner bezeichnen, denn es fällt schwer, das Buch zur Seite zu legen. Dennis E. Taylor hat eine sehr gute Idee zu einem wirklich guten Plot entwickelt, der, weil ja man weiß, dass es sich hier lediglich um den ersten Teil einer Reihe handelt, irre viel Potential nach oben hat. Man spürt aber im Verlaufe des Buches, dass dem Autor das durchaus klar ist und er seine Handlung wohlüberlegt langsam angeht, um (hoffentlich) sämtliche sich bietenden Möglichkeiten noch auszuschöpfen. Taylor ist zudem bekennender „Star Trek“- und Gene Roddenberry-Fan, das liest man in diversen offensichtlichen und nicht so offensichtlichen Anspielungen heraus. Gerade auch diese kleinen Verbeugungen vor seinem Idol, die er in den Plot mit eingebaut hat (und das meistens auf witzige Weise) machen „Ich bin viele“ zu einem sehr sympathischen Weltraumabenteuer, das, wie schon erwähnt, an die Arbeit eines Andy Weir erinnert.

Es ist ein relativ ruhiges Buch, das Dennis E. Taylor geschrieben hat. In seinen Beschreibungen mag es auch unspektakulär wirken, in seinen Aussagen und Ideen ist es das aber defintiv nicht. Hier kämpfen keine Raumschiffe gegeneinander oder die Protagonisten liefern sich Laserschwertduelle, nein … hier geht es oftmals um eine gedankliche Auseinandersetzung mit sich selbst, die Taylor hier beschreibt. Wir sind nicht immer mit uns und unseren Entscheidungen im Reinen, flüstert uns der Autor durch seine Protagonisten zu. Wir sind individuell und spontan, unterliegen Stimmungsschwankungen und lernen uns jeden Tag, in dem wir uns mit uns selbst beschäftigen, ein klein wenig besser kennen. Das ist die Botschaft, die Taylor in seinem Debütroman versteckt hat und die den aufmerksamen Leser auf alle Fälle erreicht. „Ich bin viele“ ist ein Stück weit auch Psychologie, wenn man den Plot näher betrachtet, und führt uns anhand eines epischen Weltraumabenteuers näher zu uns selbst heran, macht uns mit unserem eigenen Ich (oder mehreren Ichs 😉 ) bekannt. Ich bin sehr beeindruckt von diesem Roman und kann es kaum erwarten, zu erfahren wie es weitergeht. „Wir sind Götter“ lautet der vielversprechende zweite Band der Reihe, der mit Sicherheit noch einen Schritt in der Entwicklung von Bob Johansson weitergehen wird. „Ich bin viele“ ist humorvolle Unterhaltung und Literatur zum Nachdenken in einem:

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Fazit: SF zum Nachdenken. Viel Humor, psychologische Schachzüge und Weltraumabenteuer in einem.

© 2018 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Die Tiefe der Zeit von Andreas Brandhorst

Erschienen als Taschenbuch
im Piper Verlag
532 Seiten
16,00 €
ISBN: 978-3-492-70427-4

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Der Krieg zwischen den außerirdischen Crul und der Menschheit dauert bereits mehrere tausend Jahre an. Der Soldat Jarl bekommt von seinem Talisman, einem geheimnisvollen Artefakt, das er seit seiner Geburt besitzt, Geschichten von einem mystischen Planeten namens Erde erzählt, auf dem sich angeblich eine Waffe befindet, die den Krieg zwischen Crul und Menschen beenden kann. Jarl macht sich auf die Suche nach der Erde …

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Der Meister des philosophischen Science Fiction Romans ist zurück. Nach dem Wissenschafts-Thriller „Das Erwachen“, der Andreas Brandhorst einmal von einer ganz anderen Seite gezeigt hat, kehrt er nun zu seinen Wurzeln zurück. „Die Tiefe der Zeit“ ist ein typischer Brandhorst, der dennoch gewisse Neuerungen in sich verbirgt. Denn dieses Mal lässt uns der Autor auch an Weltraumschlachten teilhaben, die zwar nicht wie in Star Wars ausarten, sondern dezent im Hintergrund verlaufen und nicht den Hauptanteil der Geschichte bestreiten. Andreas Brandhorst schafft es wie nur wenige seiner Kollegen, die Leser über Grenzen hinaus und an den Rand des Universums mitzunehmen, ihn zum Nachdenken zu bewegen und der Geschichte somit immer einen besonderen, eben philosophischen, Reiz zu verschaffen. Wie in vielen seiner Bücher geht es auch in „Die Tiefe der Zeit“ um das Leben und den Tod, um menschliche Emotionen und Gedankengänge über das Älterwerden. Thema ist auch wieder die Unsterblichkeit respektive ewiges Leben. Andreas Brandhorst schafft es immer wieder, die Leser in den Bann zu ziehen, so dass sie von der Geschichte einfach nicht mehr loslassen können. „Die Tiefe der Zeit“ ist ein Abenteuer, wie man es von Brandhorst erwartet und auch ohne Einschränkungen wieder serviert bekommt.

In gewohnt hohem sprachlichem Niveau entwirft Andreas Brandhorst ein Zukunftsbild, das einem während des Lesens so manches Mal die Gegenwart vergessen lässt. Interessant finde ich, dass, obwohl sich „Die Tiefe der Zeit“ letztendlich nahtlos in Brandhorsts Science Fiction-Bibliografie einfügt, der Autor dennoch einen anderen, neuen Weg einschlägt. Es ist gar nicht einmal so leicht zu erklären, inwiefern dies geschieht, aber der Plot wirkt gegenüber den vorangegangenen Romanen, anders. Das mag zum einen an den oben erwähnten Weltraumschlachten liegen, findet aber meiner Meinung nach seinen Ursprung in der überaus „filmtauglichen“ Erzählweise. Während Andreas Brandhorst in seinen vorhergehenden Romanen mehr Wert auf gedankliche „Bilder“ setzt, schildert er in „Die Tiefe der Zeit“ die Geschichte geradliniger. Was aber nicht heißen soll, dass genau die Brandhorst-typsischen „Gedankenbilder“ hier fehlen, denn die Schilderung des „Ozeans der Zeit“ ist zum Beispiel grandios und atemberaubend gelungen und wirkt noch lange nach. „Die Tiefe der Zeit“ ist also typisch Andreas Brandhorst mit einem Schuss mehr „Publikumstauglichkeit“, wenn ich eine Erklärung abliefern müsste.

Andreas Brandhorst beweist mit seinem neuen Roman wieder einmal, dass er einer der ganz großen Autoren, wenn nicht der größte (zumindest im deutschen Sektor) im Science Fiction-Bereich ist, der es mit internationalen Größen aufnehmen kann oder sie sogar in gewisser Hinsicht übertrumpft. „Die Tiefe der Zeit“ ist ein epischer, bombastischer „Literatur-Blockbuster“, der süchtig macht und nach mehr verlangt. Wie es Andreas Brandhorsts Bücher so an sich haben, denkt man anfangs, sie wären dick genug, bis man ab der Hälfte feststellt, dass die Seiten nur so dahinfliegen und man sich wünscht, der Roman hätte mindestens den doppelten Umfang. 😉
Brandhorst macht uns auch in diesem Buch bewusst, dass ein einzelner Mensch innerhalb eines großen galaktischen Zusammenhangs  durch seine Handlungen Bedeutung erlangen kann. Dieser Minimalismus eines Einzelnen innerhalb eines epischen Konstrukts macht die Handlung unweigerlich zu einem beeindruckenden Erlebnis. „Die Tiefe der Zeit“ ist großes Kopfkino, das bombastische Breitwandbilder in Kombination mit einfühlsamer Philosophie zeigt. Andreas Brandhorst zeigt Bombast, menschliche Emotion und Einsamkeit. Mit dieser Kombination erschafft er eine unwiderstehliche und vor allem faszinierende Geschichte. Mehr davon bitte, Herr Brandhorst.

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Fazit: Episch, bombastisch und dennoch menschlich emotional. Brandhorst ist der Meister der philosophischen Science Fiction.

© 2018 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Kollaps (Das Imperium der Ströme 1) von John Scalzi

Erschienen als Taschenbuch
im Fischer Tor Verlag
insgesamt 416 Seiten
Preis: 14,99 €
ISBN: 978-3-596-29966-9
Kategorie: Science Fiction

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Die Menschheit ist über die ganze Galaxis ausgebreitet. Sie leben auf Planeten und Raumstationen und sind durch sogenannte »Ströme«, Sternenstraßen, miteinander verbunden, mittels derer Raumschiffe in kurzer Zeit Entfernungen von Lichtjahren überbrücken können.
Doch diese „Ströme“ drohen plötzlich zu verschwinden.
Kiva Lagos, Erbin eines mächtigen Handelshauses, Cardenia Wu-Patrick, Imperatox und Nachfolgerin ihres Vaters und der Wissenschaftler Marce Claremont wissen um die Bedrohung. Sie versuchen gegen Intrigen und Rebellionen die Zukunft und das Überleben der Menschheit zu retten.

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Scalzis neuestes Epos braucht nicht lange, um einen zu fesseln. Es liegt vor allem an dem schnörkellosen, natürlichen Schreibstil, der in den Dialogen überaus authentisch wirkt, dass man in einem fort weiterlesen will. Scalzi schafft es geschickt, den Leser mittels einer faszinierenden Welt in den Bann zu ziehen. Die Geschichte kommt vielleicht anfangs für den ein oder anderen leicht schleppend in Fahrt, entwickelt sich aber in dem Moment rasant, in dem man die Personen alle kennengelernt hat. Bei „Kollaps“ handelt es sich weniger um einen Science Fiction-Roman, in dem Weltraumschlachten eine wichtige Rolle spielen, sondern eher um Machtkämpfe und Intrigen, die zwischen den Planeten herrschen. Aufgrund des sehr flüssigen Schreibstils ziehen die politischen Rangeleien im Flug am Leser vorbei und lassen einen tatsächlich vergessen, das man hier einen politischen Roman, der in der Zukunft spielt, geliefert bekommt. Aber das Konzept eröffnet sich einem sehr schnell und man fiebert mit den Protagonisten, die übrigens sehr gut gezeichnet sind, mit.

John Scalzi erschafft eine sehr lebendig wirkende und glaubwürdige Welt mit dem ersten Band seines neuen Zyklus. Er lässt sich Zeit mit der Einführung aller Personen und des Universums. Das mag für viele langweilig wirken, ich persönlich empfand das eher als unheimlich angenehm, weil man sich in den Plot wirklich in Ruhe einlesen und sich auch mit den Personen vertraut machen konnte. Durch die Intrigen fühlte ich mich des öfteren an die „Wüstenplaneten“-Romane erinnert, wobei ein Vergleich natürlich absolut hinkt und ich dieses Buch auch auf keinen Fall mit dem SF-Klassiker von Frank Herbert gleichstellen will. Dennoch verströmte „Kollaps“ ein klein bisschen eine ähnliche Atmosphäre. Die Idee der Ströme, die die Planeten miteinander verbinden, hat mir außerordentlich gut gefallen und lässt auf eine große Geschichte in den Nachfolgebänden hoffen. Ich habe das Buch innerhalb zwei Tagen gelesen, weil es mich wirklich gepackt hat, obwohl im Grunde genommen recht wenig passiert.
Was mich am sehr erstaunt hat, ist die Tatsache, dass sich viele von Scalzis Protagonisten vulgär ausdrücken, was mir eigentlich überhaupt nicht liegt und mich meistens enorm stört. Komischerweise verhält es sich hier aber anders, denn die unanständigen Ausdrücke passen einfach zu den Personen, die sie in den Mund nehmen. Oft habe ich mich bei einem Schmunzeln ertappt, weil es einfach gepasst hat. 🙂

John Scalzi baut neben wirklich guten (politischen) Dialogen auch witzige Szenen mit ein, so dass neben einer spannenden Geschichte auch der Humor nicht zu kurz kommt. „Kollaps“ ist Science Fiction-Unterhaltung, wie ich sie mag und wie man sie auch von Scalzi gewohnt ist. Sicherlich kommt „Kollaps“ ein wenig anders daher, weil es sich um eine großangelegte Space-Opera handelt, aber letztendlich erkennt man, entgegen anderer Stimmen, den Stil des Autors wieder. Der erste Band wirkt an manchen Stellen noch etwas unrund, was eventuell daran liegt, dass einige Handlungsstränge nicht weiter beachtet werden. Aber das kann sich ja mit den Folgebänden noch ändern, denn insgesamt wirkt das Universum mitsamt seinen politischen Machtspielen und Intrigen letztendlich doch sehr durchdacht und schlüssig. Scalzi hat sich meiner Meinung nach mit seinen bei den Fans nicht wirklich gut angekommenen letzten Büchern wieder ein wenig gefangen, wobei er eben einfach auch mal „neue“ Wege einschlägt oder vielleicht auch einschlagen will. Fehlende Kreativität und nachlassender guter Schreibstil kann ich ihm mit „Kollaps“ auf jeden Fall nicht ankreiden. Mir hat’s gefallen und ich freue mich schon auf Band 2.

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Fazit: Schön und spannend geschriebener Auftakt einer neuen Serie, die unbedingt fesselt.

© 2017 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Das Ende der Menschheit von Stephen Baxter

Erschienen als Taschenbuch
im Heyne Verlag
588 Seiten
16,99 €
ISBN: 978-3-453-31845-8

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Vierzehn Jahre sind vergangen, seit die Erde von den Marsianern angegriffen wurde. Die Menschheit wiegt sich in Sicherheit, nur der Schriftsteller und Kriegsveteran Walter Jenkins rechnet mit einer erneuten Invasion vom Mars. Leider behält er recht. Doch dieses Mal scheint der Angriff der Außerirdischen weitaus geplanter zu verlaufen, als beim ersten Mal.

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Als großer Fan des Originalromans von H.G. Wells und auch Stephen Baxter war ich natürlich gespannt, wie die Fortsetzung des Kultromans ausfallen würde. Baxter scheint ja selbst ein großer Anhänger von H.G. Wells zu sein, denn bereits 1995 wagte er sich an eine Fortsetzung eines Werkes desselbigen heran: „Zeitschiffe“, die Weiterführung der „Zeitmaschine“.
Entgegen anderer Meinungen bin ich alles andere als enttäuscht über „Das Ende der Menschheit“, wenngleich Baxters „Zeitschiffe“ meiner Erinnerung nach bedeutend besser gelungen ist. Stephen Baxter hat aber auch in diesem Fall von Anfang an die Grundstimmung des originalen Romans eingefangen und setzt die Geschichte durchaus plausibel und vor allem sehr unterhaltsam fort. Der Leser trifft auf Personen, die er noch aus dem ersten Teil kennt und fühlt sich (zumindest ging es mir so) sofort wieder wohl in der Handlung. Baxter macht aus dem zweiten Angriff der Marsianer ein bombastisches Event, das ich mir schon während des Lesens permanent als Kinofilm vorstellen konnte. Da werden alte Versatzstücke von H.G. Wells mit neuen, erfrischenden Ideen vermischt, dass es eine wahre Freude ist. Baxter lässt sich mit seinem Schreibstil auf den von H.G. Wells ein und vermittelt daher eine ähnliche Stimmung wie im  Original.

Der ein oder andere wird die militärischen Vorgehensweisen ermüdend und langweilig finden, ich konnte die Handlungsweisen durchaus nachvollziehen und fand sie insgesamt auch recht spannend. Sicherlich wurde Baxter an einigen Stellen etwas ausschweifend und ging vielleicht zu sehr ins Detail, was für mich aber immer noch im vertretbaren Rahmen und vor allem stimmig war. Gerade die oftmals dokumentarische Art und Weise, in der Baxter die zweite Attacke der Marsbewohner schildert, hat mich persönlich gefesselt und auch begeistert. Denn genau diese Erzählweise brachte eine tolle Atmosphäre in den Plot, die dadurch nicht spektakulär sondern eher ruhig und zurückhaltend auf mich wirkte. Stephen Baxter versucht niemals, an das Original heranzukommen, sondern erzählt auf geradezu schlichte Weise, wie die Geschichte hätte weitergehen können. An manchen Stellen interpretiert er unaufdringlich Dinge aus der Originalgeschichte auf seine eigene Art und Weise, was ich aber nie als unangenehm empfunden habe. Einziger Kritikpunkt auf politischer Ebene war für mich die oftmals sehr negative Darstellung der Deutschen, die mir an manchen Stellen ein wenig bitter aufgestoßen ist. Ansonsten wirkte der Plot von „Das Ende der Menschheit“ für mich stimmig konstruiert und zum größten Teil im Sinne von H.G. Wells weitergeführt. Sicherlich bricht immer wieder mal Baxters eigener Stil durch, wie könnte es auch anders sein, aber er hält sich schon sehr zurück, um die Stimmung des Originals wiederzugeben.

„Das Ende der Menschheit“ ist mit Sicherheit nicht Stephen Baxters bestes Buch. Dazu musste er sich wohl einfach zu sehr zurückhalten, um nicht in seinen für ihn typischen „Weltraum-Bombast“ zu verfallen. Baxter ist es aus meiner Sicht gelungen, eine würdige Hommage an Wells‘ Klassiker zu verfassen, obwohl er sich des Öfteren in unwichtigen Details verliert. Mir persönlich hat es dennoch gefallen. Vor allem die geschickte Einbindung bekannter Personen aus dem ersten Teil und die wirklich gut konstruierte andere Entwicklung der Weltgeschichte, hervorgerufen durch den ersten Angriff der Marsianer, werteten diese Fortsetzung für mich auf. Das Ende rief bei vielen wohl Verärgerung hervor, was ich gar nicht nachvollziehen kann. Baxter wollte einfach etwas Neues erschaffen, was ihm auch gelungen ist. Und so absurd, wie viele Leser meinen, kam das Finale bei mir keineswegs an. Man sollte sich darauf einlassen, denn „Das Ende der Menschheit“ hat durchaus einige Höhepunkte und vor allem eine sehr schöne Atmosphäre, die, wie bereits erwähnt, an H.G. Wells Kultklassiker erinnert. Für mich war die Fortsetzung eine schöne Hommage an das Original, vermischt mit den gewohnten Innovationen eines Stephen Baxter, der aus meiner Sicht niemals die Intention hatte, das Original zu toppen, sondern einfach nur fortsetzen wollte. Ich fand es gut. 🙂

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Fazit: Gelungene, gut konstruierte Fortsetzung, die die Atmosphäre des Originals wiedergibt.

© 2017 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Zodiac von Romina Russell

Erschienen als Taschenbuch
im Piper Verlag
464 Seiten
11,00 €
ISBN: 978-3-492-28127-0

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Die 16-jährige Rhoma vom Planeten kann auf andere Weise in den Sternen lesen, wie ihre Mitschüler. Denn während die anhand genauester Berechnungen und wissenschaftlicher Erkenntnisse versuchen, in die Zukunft zu sehen, sieht Rho die Vorzeichen einer schrecklichen Katastrophe, bei der unzählige Menschen sterben. Als ihre Vision wahr wird, macht sich Rho in ihrer Eigenschaft als Wächterin auf die Suche nach dem Ursprung der Bedrohung, denn es sieht aus, als wäre ganz Zodiac in Gefahr.

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Schon nach den ersten zehn Seiten merkt man „Zodiac“ an, dass es sich um einen wahren Pageturner handelt. Das liegt zum einen auf jeden Fall an dem wunderbaren, überaus flüssigen und ansprechenden Schreibstil der Autorin, zum anderen aber auch an der sehr atmosphärischen Handlung. Romina Russell entwirft ein faszinierendes Universum, in dem die Sternzeichen eine wichtige Rolle spielen. Oft fühlte ich mich an die grandiose „Sonea“-Reihe von Trudi Canavan erinnert, die in einem ähnlichen Schreibstil ihre Geschichte erzählt. Russell beschreibt die Welt, in der sich die Protagonistin und ihre Freunde befinden, sehr detailliert, so dass man sich darin sehr wohl fühlt und dementsprechend um das Schicksal aller mitfiebert. Auf den ersten Blick mag die ein oder andere Idee etwas kompliziert wirken, aber man gewöhnt sich sehr schnell an die „Fremdwörter“. Romina Russell geht an manchen Stellen auch sehr in die Tiefe und lässt den Plot fast schon in eine esoterische Richtung abgleiten. Das mag den ein oder anderen Leser stören, ich persönlich empfand diese Entwicklung als äußerst ansprechend und unterhaltsam.

Die Geschichte wird äußerst rasant erzählt, so dass es mit wirklich sehr schwer fiel, das Buch aus der Hand zu legen. Romina Russell baute neben einer spannenden Handlung auch noch eine Romanze ein, die sehr stimmig auf mich wirkte und fesselte. Sicherlich bietet der Plot nichts wirklich Neues als eine Story über den Kampf zwischen Gut und Böse, aber dennoch kann man sich den Geschehnissen nicht entziehen. Einige Stellen erinnerten mich an die Star Wars-Filme, wobei ich einfach einmal davon ausgehe, dass die Autorin die Filme schlichtweg mag. „Zodiac“ ist eine Mischung aus Fantasy und Science Fiction, die ihr Augenmerk trotz spektakulärer Szenarien in erster Linie auf die Charaktere legt. Oft habe ich gehört, dass der Einstieg in dieses Buch schwer fällt. Das kann ich jedoch nicht behaupten, wenn ich ehrlich bin. Es ist in der Tat eine komplexe Welt, die Romina Russell sich ausgedacht hat, keine Frage, aber als aufmerksamer Leser findet man sich auch in den ersten Seiten bereits gut zurecht. Und mit ein bisschen Geduld erfährt man im Verlauf des Buches wirklich auch immer mehr. 😉

Viele erfrischend neue Ideen verstecken sich in diesem Roman, der wohl als All Age klassifiziert werden kann, denn in der Tat können nicht nur Jugendliche, sondern auch Erwachsene ihren Spaß daran haben. Mich persönlich hat die Odyssee durch den Weltraum absolut angesprochen und ein grandioses Abenteuerfeeling verursacht. Gerade diese Mischung aus Science Fiction mit Raumschiffen und Weltall und einem Weltenentwurf, der mich desöfteren an Fantasyromane erinnert hat, war ausschlaggebend, dass mich „Zodiac“ vollkommen in seinen Bann gezogen hat. Romina Russel hat es außerdem geschafft, die Gefühlswelt ihrer 16jährigen Protagonistin ausgesprochen wirklichkeitsnah zu beschreiben, denn jede ihrer Handlungen war für mich absolut nachvollziehbar.
„Zodiac“ ist ein gelungener Einstieg in eine Reihe (zwei oder drei Teile?), der sich auf alle Fälle zu lesen lohnt. Starke Charaktere und eine ausgeklügelte Handlung in einer komplexen Welt machen dieses Buch zu einem echten Lesevergnügen und Pageturner. Ich freue mich schon sehr auf den Folgeband beziehungsweise die Folgebände, um zu erfahren, wie es mit Rho, ihren Freunden und dem Zodiac-Universum weitergeht.

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Fazit: Ideenreicher Einstieg in eine Romanserie um eine junge Protagonistin. Wunderbarer Genremix aus Fantasy und Science Fiction. Klare Leseempfehlung.

© 2017 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Die Sphären von Pierre Bordage

Erschienen als Taschenbuch
im Heyne Verlag
443 Seiten
9,99 €
ISBN: 978-3-453-31848-9

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In der Nähe eines kleinen Ortes in Frankreich erscheint eines Tages eine riesige Kugel, die von den Menschen „Sphäre“ oder „Weiße Dame“ genannt wird. Wenig später erscheinen auf der ganzen Welt solche Kugeln, bis die Erde nahezu übersät mit ihnen ist. Und dann beginnen die ersten Kinder zu verschwinden. Auf geheimnisvolle Art und Weise werden Kinder, die maximal 4 Jahre alt sind, von den „Sphären“ verschluckt. Das Militär versucht, die riesigen Kugel  mit Bomben zu zerstören, aber erfolglos. Während immer mehr Kinder verschwinden, rätseln Wissenschaftler und Menschen, ob es sich um eine Invasion von Außerirdischen handelt und suchen nach einer Lösung, um weitere Kinder nicht länger in Gefahr zu bringen.

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Es ist schon eine sehr stimmungsvolle Ausgangssituation, die Pierre Bordage in seinem neuen Roman bereits auf den ersten Seiten schafft. Man erinnert sich unwillkürlich an „Arrival“ oder auch „Unglaubliche Begegnung der dritten Art“, und wenn man zwischen den Zeilen liest, verheimlicht Bordage diese Anleihen auch gar nicht, sondern verneigt sich mit seiner Story eher vor diesen Vorbildern. „Die Sphären“ ist eine Mischung aus Science Fiction und Dystopie, deren Handlung sich über viele Jahre hin erstreckt. Aufgrund der relativ wenigen Seiten erhält der Plot allerdings nicht das epische Ausmaß, das man sich davon erwartet. Bordage überspringt Jahre, geht nicht näher auf die Weiterentwicklung der Bedrohung durch die „Feinde“ oder der Charaktere ein, sondern widmet sich schlicht und ergreifend der konstanten Fortführung der Story.
Bordage widmet sich aber nicht nur einer Person und erzählt deren Geschichte, sondern „kümmert“ sich gleich um mehrere. Das mag den ein oder anderen Leser überfordern, der eine geradlinige Erzählweise erwartet, bildet aber in der Endkonsequenz ein sehr rundes Bild der gesamten Ereignisse.

Schnelleser (und auch unaufmerksame Leser) werden definitiv Schwierigkeiten mit den ganzen Personen, Namen und Zeitsprüngen haben. Aufmerksame Leser hingegen, die sich auch noch auf die Jahre dauernde Handlung einlassen können, werden mit einem wirklich guten Plot belohnt, der auch sehr viele Emotionen enthält. Bordages Szenario regt zum Nachdenken an, gerade was die „Behandlung“ ungeborenen Lebens und das von kleinen Kindern betrifft. Wenn man selbst in so einer Lage ist (oder einmal war) und ein Elternteil ist, kann man die Zwiespältigkeit dieser Überlegungen, wenn es um das Wohl der ganzen Menschheit geht, durchaus nachvollziehen. Der Dystopie-Charakter der Geschichte wird vom SF-Anteil zwar überdeckt, schwelt aber permanent im Hintergrund, so dass sich eine stimmungsvolle, bedrohliche und düstere Stimmung über das gesamte Werk legt. Ich persönlich mochte den Plot und das ganze Drumherum, das an manchen Stellen auch schon einmal philosophisch und esoterisch wurde.

Pierre Bordages Schreibstil ist einfach, aber keineswegs niveaulos. Bis auf wenige Ausnahmen, in denen Bordage seine Protagonisten sehr naiv handeln (und auch reden lässt), werden in einer bildhaften Sprache die beschriebenen Situationen oftmals zu einem hervorragenden Kopfkino für den Leser. „Die Sphären“ ist ein ruhiges Buch, das in erster Linie von seinen vielen magischen Momenten lebt und nicht unbedingt von den Tiefen der Charaktere. Bordage beschreibt ein episches Geschehen, das mich in seiner Gesamtheit oftmals an Stephen Baxters Visionen erinnerte, von Bordage aber in seiner Tiefgründigkeit, bombastischen Wucht und erzählerischen Finesse nicht erreicht wird. Doch es ist schließlich kein Buch von Baxter, also kann man „Die Sphären“ durchaus als gelungene, düstere Zukunftsvision ansehen, die mit einem wunderbaren, für mich zufriedenstellenden Ende aufwartet.
Pierre Bordage widmet sich in „Die Sphären“ eindeutig weniger den technischen und wissenschaftlichen Seiten eines SF-Romans, sondern behandelt in erster Linie menschliche Themen wie Spiritualität oder politische und religiöse Machtspiele, die das „Fußvolk“ unterdrücken und ungerecht behandeln. Ein Buch, das mir mit Sicherheit trotz einiger Schwächen aufgrund seiner spannenden Handlungsstruktur im Gedächtnis bleiben wird.

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Fazit: Spannend und stimmungsvoller Genremix aus Science Fiction, Dystopie und menschlichem Drama.

© 2017 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Die Verlorenen von Andrew Bannister

Erschienen als Taschenbuch
im Piper Verlag
400 Seiten
17,00 €
ISBN: 978-3-492-70411-3

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Seldyan, einer Sklavin, gelingt die Flucht aus ihrem Gefängnis. Sie stiehlt das letzte existierende Kriegsschiff, um auf einem fernen Planeten ihre Freiheit zu genießen. Dort entdeckt sie einen neuen grünen Stern, der bis vor kurzem noch gar nicht existierte und um den sich ein Kult gebildet hat, der die Menschen zu unterdrücken versucht. Während der Hafenmeister Vess damit beauftragt wird, herauszufinden, wie Seldyan die Flucht gelingen konnte, bemerkt Seldyan, dass das von ihr gestohlene Schiff das Geheimnis um den grünen Stern und den daraus entstehenden Kult  bereits gelöst hat. Die Existenz der gesamten Spin-Galaxie steht auf dem Spiel …

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Die Saga um die Spin-Galaxie geht weiter. Ähnlich wie im ersten Teil „Die Maschine“ erfordert auch der zweite Teil ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit des Lesers, denn sehr schnell könnte man die Übersicht über die teil verwirrend erscheinende Handlung verlieren. Bannister bleibt seinen Stil treu und entführt den Leser in eine Welt jenseits unserer Vorstellungskraft. Man muss sich schon auf seine außergewöhnlichen Ideen einlassen können, um die ganze Tragweite des Plots zu verstehen. Dieses Mal wirkt die Geschichte auf mich allerdings sogar ein wenig runder als die des ersten Teils. Bannisters Schreibstil ist auch ein wenig anspruchsvoller geworden, möchte ich behaupten, und die Geschichte erschien ausgeklügelter. „Die Verlorenen“ setzt nicht unmittelbar an die Ereignise aus dem ersten Teil an, sondern erzählt erst einmal eine eigene Geschichte. Erst zum Ende hin erkennt man die Zusammenhänge zwischen „Die Maschine“ und „Die Verlorenen“. Ich persönlich hatte auf jeden Fall mehr Spaß als beim ersten Teil, und der hat mir schon gefallen. 😉

Andrew Bannisters Science Fiction-Epos trifft mit Sicherheit nicht jeden Geschmack. Die einen werden die Geschichte entweder überhaupt nicht verstehen oder als extrem langweilig und langatmig empfinden, die anderen  lassen sich auf Schreibstil und Ideen ein und werden mit einer gut durchdachten Welt belohnt, die sehr bildlich beschrieben wird. „Die Verlorenen“ spielt viele tausend Jahre nach den Ereignissen von „Die Maschine“ und zeigt, wie komplex und „episch“ letztendlich das von Bannister erschaffene Universum ist. Im zweiten Teil seiner geplanten Trilogie befasst sich der Autor mit Themen, die sich auch in unserer Welt finden: Sklaverei, politische Unruhen und Meinungsverschiedenheiten. Mit seinem zweiten Roman ist Andrew Bannister auf meiner geistigen Treppe eine Stufe höher gestiegen, denn er beweist auf alle Fälle, dass er innovative Ideen hat und diese auch in einer zuerst kompliziert wirkenden Handlung letztendlich logisch erzählen kann. Das Konstrukt seiner Spin-Galaxie wird durch „Die Verlorenen“ wieder etwas mehr verständlich und lässt unweigerlich auf einen Höhepunkt im letzten Teil hoffen. Bannister denkt, ähnlich wie manchmal Stephen Baxter, nicht in Jahren, sondern in weitaus größeren Zeitspannen, um seine Geschichte zu erzählen. Genau das ist es auch, was den Reiz der Spin-Trilogie für mich ausmacht.

Bannisters Buch, oder besser gesagt: Bücher, machen es dem Leser nicht leicht, das wahre Potential, das hinter dem Plot steckt, zu ergründen. Zu verwirrend ist es manchmal, wenn der Autor seine Sätze mit Wörtern schmückt, die man nicht versteht. Es lohnt sich aber, über solcherart Sätze hinwegzulesen und das Gesamtwerk am Ende auf sich wirken zu lassen. Denn so erschließt sich, wie schon beim ersten Teil, ein ganz besonderes Universum – und im Falle von „Die Verlorenen“ sogar an manchen Stellen einen unbedingt filmreifes Bild im Kopf des Lesers. „Die Verlorenen“ ist auf jeden Fall ein würdiger Nachfolger von „Die Maschine“ und legt sogar, wie oben schon erwähnt, aus meiner Sicht dramaturgisch und auch erzählerisch noch zu. Es werden mehrere Handlungsstränge abwechselnd erzählt, von denen ich nicht genau sagen kann, welcher mir mehr zugesagt hat. Ich habe mich jedenfalls immer wieder gefreut, in einen davon zurückzukehren, nachdem ich die Ereignisse des anderen verfolgt habe.

Andrew Bannister wird immer wieder vorgeworfen, er hätte Potential in seinen Büchern verschenkt. Ich bin da ganz anderer Meinung, denn sieht man zum Beispiel die ersten beiden Bücher als Gesamtwerk an, so erschließt sich einem doch ganz genau, was Bannister bezweckt. Eine große, Jahrtausende umfassende Geschichte anhand kleiner Begebenheiten zu beschreiben. Die bombastische Tragweite der Ereignisse versteckt sich genau genommen letztendlich zwischen den Zeilen und gerade das stellt für mich einen außergewöhnlichen Reiz dieser Reihe in der Science Fiction-Landschaft dar. Aspekte, die mir bei „Die Verlorenen“ besonders gut gefallen hat, sind die fantastischen Beschreibungen unglaublicher Dinge. Denkende und sprechende Raumschiffe zum Beispiel (Iain Banks „Die Spur der toten Sonne“ lässt grüßen) oder Lebewesen (Rennläufer), denen alle unnötigen Organe entfernt wurden, damit sie schneller laufen können. Ich liebe solcherart Ideen und Andrew Bannister kann das hervorragend beschreiben. Es lohnt sich aus meiner Sicht, sich durch die komplexe Handlung zu kämpfen, denn, wie erwähnt, das Gesamtbild, das im Kopf des Lesers zurückbleibt, ist für mich ausschlaggebend.

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Fazit: Komplexer, ideenreicher und meiner Meinung nach unterschätzter zweiter Roman der Spin-Trilogie.

© 2017 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Breakthrough von Michael Grumley

Erschienen als Taschenbuch
im Heyne Verlag
381 Seiten
12,99 €
ISBN: 978-3-453-31875-5

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Kurz nachdem ein U-Boot der US-Marine spurlos in der Karibik verschwindet, wird die Meeresbiologin Alison Shaw um Hilfe gebeten. Sie kann nämlich mit Delfinen kommunizieren und die Regierung verspricht sich mit dem Einsazu dieser Tiere einen Erfolg, um das Verschwinden aufzuklären. Doch die beiden Delfine finden in den Tiefen des Meeres nicht das verschollene U-Boot, sondern etwas ganz anderes, das zur Gefahr für die gesamte Menschheit werden könnte.

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Schon der Einstieg vermittelt ein unglaublich intensives Abenteuergefühl, dem man sich nicht entziehen kann. Unzählige Filme kommen mir in den Sinn, die ähnlich wirken: „Indiana Jones“, „Deep Blue Sea“, „Der weiße Hai“, „Arachnophobia“ und und und …
Michael Grumley vermischt geschickt wissenschaftliche Details mit einer spannenden Handlung und schildert die Geschehnisse in einer solch bildhaften Sprache, dass man ein perfektes Kopfkino während des Lesens geliefert bekommt. „Breakthrough“ wirkt, als hätten Michael Crichton, Dan Brown, Lincoln Child und Douglas Preston gemeinsam ein Buch verfasst, das Matthew Reilly und James Rollins redigiert hätten. Es ist die grandiose Mischung aus Wissenschaft, Abenteuer und Science Fiction, die den ersten Teil einer Serie zu einem wahren Pageturner machen. Gerade die ersten beiden Drittel ziehen am Leser in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit vorbei, die einem kaum Atem holen lässt. Erst im letzten Drittel wirken einige Vorfälle ein wenig übertrieben, was aber dem Spaß an der Story dennoch keinen Abbruch tut.

Grumleys Protagonisten sind sehr glaubwürdig konstruiert und, wenngleich sie nicht immer eine durchgehende Tiefe besitzen, wachsen sie einem doch ans Herz. Vor allem die Meeresbiologin hat es mir persönlich angetan mit ihrer ehrlichen und authentischen Art. „Breakthrough“ widmet sich anfangs der Kommunikation mit Delfinen, was sehr interessant und spannend geschrieben ist, bevor es sich in eine völlig andere Richtung bewegt, als man zu Anfang angenommen hat. Auch diese Entwicklung, bei der auf dem Meeresgrund etwas Fantastisches entdeckt wird, hat mich vollkommen gefangen genommen. Der Plot bietet sich absolut für eine Verfilmung an, bei der ich in erster Linie tatsächlich an Roland Emmerich als Regisseur denke, denn, wie in seinen Filmen, werden in diesem Buch Naturkatastrophen überzogen und, von militärischer Seite aus, extrem pathetisch geschildert. Da hat man bei manchen Entscheidungen, die von Politikern und Militaristen gefällt werden, ein wenig Probleme. Aber so ist das nun mal mit amerikanischen Thrillern dieser Art, das kennt man auch aus anderen Beispielen. Sicherlich setzt Grumley auch typisch klischeehafte Zutaten in sein Werk ein, die mir persönlich dann eher nicht so gefallen haben, aber den Gesamteindruck dennoch nicht zerstören.

Michael Grumleys Schreibstil ist sehr flüssig zu lesen, was zur Folge hat, dass man durch die Geschichte fliegt, als seien es nur halb so viele Seiten. Man fiebert unweigerlich mit, wenn die Delfine ins Spiel kommen und hält den Atem an, wenn plötzlich gigantische Flutwellen ins Spiel kommen, die man in dieser Form nicht erwartet hat. Grumley lässt seine Story an verschiedenen Schauplätzen spielen und erzeugt auch hiermit ein filmreifes Ergebnis. Man darf gespannt sein, wie sich die Geschichte um die Meeresbiologin Alison Shaw und ihre „sprechenden“ Delfine weiterentwickelt. Einen mehr als soliden, ausbaufähigen  Grundstein hat Michael Grumley auf jeden Fall gelegt. Und die im ersten Teil noch immer nicht durchschaubare Handlung lässt einen mit hoher Erwartung an den zweiten Teil mit dem Titel „In der Tiefe“ zurück, der übrigens im Februar im Heyne Verlag erscheinen soll. Grumley baut auch eine Botschaft in seinen Roman ein, die der Menschheit wieder einmal vor Augen hält, besser auf ihren Planeten aufzupassen. Dieser Aspekt ist sehr gut und nachvollziehbar in die Science Fiction-Handlung eingebaut und macht auf seine Weiterführung in den Folgebänden (derzeit gibt es wohl vier Teile) neugierig. Insgesamt ist Michael Grumley ein echter Pageturner gelungen, der an die obengenannten Autoren erinnert und diese in manchen Passagen sogar übertrifft. Grumley sollte man sich als Liebhaber von Wissenschafts-Thrillern und Science Fiction-Abenteuern merken.

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Fazit: Rasanter und hochspannender Wissenschafts-Thriller mit einem filmreifen Plot. Absolut empfehlenswert.

© 2017 Wolfgang Brunner für Buchwelten