
Erschienen als Taschenbuch
im Festa Verlag
insgesamt 464Seiten
Preis: 13,95 €
ISBN: 978-3-86552-379-2
Kategorie: Horror
.
Als der Geisterjäger Harry D’Amour das Haus eines Verstorbenen betritt, um dessen Seele Ruhe zu verschaffen, entdeckt er einen dämonischen Würfel, der das Tor zur Hölle öffnet. Kein geringerer als Pinhead erscheint. Und der hat vor, den Satan persönlich zu bekämpfen, um an die Macht über die Hölle zu kommen.
.
Als eingeschworener Clive Barker-Fan und begeisterter Leser seiner Novelle „Hellraiser“ (im Original „The Hellbound Heart“) war ich natürlich absolut gespannt, wie dieser Mythos fortgeführt wird.
Der Einstieg in die Geschichte funktionierte hervorragend und das Gefühl einer Rückkehr zu den Zenobiten kam sofort auf. Auch wie Harry D’Amour, der Held aus Barkers „Stadt des Bösen“, die Bühne betritt, begann äußerst reizvoll und war sehr bildhaft dargestellt. Es dauert nicht lange und man wird wie gewohnt, von Barkers ideenreichen Visionen belohnt, denen man sich schwer entziehen kann. Der Beginn der Story ist durchaus gelungen und als der Würfel auftaucht, fährt dem Fan ein leichter Schauer über den Rücken. Aber dann …
Wo fange ich nur an? Zum einen entwickelte sich die Geschichte in eine Richtung, die mir nicht besonders gefiel. Obwohl da Potential gewesen wäre, hätte man sie epischer und bombastischer gestaltet, wie Barker es eigentlich kann und mit Werken wie zum Beispiel dem grandiosen „Imagica“ oder „Gyre“ bewiesen hat. Aber aus unerklärlichen Gründen geht Barker einen anderen, leider schlechteren Weg als in seinen bisherigen Büchern. Barker entmystifiert den Charakter Pinhead und verwandelt ihn in einen machtbesessenen Höllen-Macho. Hmmm, das hat er doch nicht verdient, nachdem er in „Hellraiser“ als blutrünstiger, brutaler, geheimnisvoller und visionär-apokalyptischer Höllendiener dargestellt wurde. Barker macht aus meiner Sicht einen entscheidenden Fehler, wenn er Pinhead zu einer nahezu dummen Hohlbirne degradiert und ihm damit all seine mystischen Eigenschaften nimmt, die ihn zu dem gemacht haben, was er bis dahin war: Kult!
Nun muss ich leider noch zu einem Punkt kommen, der mich so manches Mal daran zweifeln ließ, ob tatsächlich der Clive Barker diesen Roman verfasst hat oder ein Ghostwriter. Barkers Schreibstil war in den meisten seiner Bücher angenehm und manches Mal sogar literarisch hochwertig. Sicherlich zeigte er keine Hemmungen, wenn es darum ging, eklige Sachen explizit darzustellen. Das war aber bis dato nie ein Problem. Was jedoch in „Das scharlachrote Evangelium“ dialogmäßig passiert, ist teilweise grottiger als ein John Sinclair-Heftchen. Da werden den Protagonisten Worte in den Mund gelegt, während sie gerade eine hochdramatische Situation hinter sich gebracht haben, die mehr als unpassend sind: „Ich glaube, wir haben verschissen“, sagt da einer, als sie in eine aussichtslose Situation geraten. Die permanenten sexuellen Anspielungen und Witzeleien gehen einem bald schon auf den Wecker. Sex fand in Barkers Büchern immer schon eine Berechtigung, aber hier wird auf sehr plumpem, einfachem Niveau gearbeitet.
Pinhead findet Dinge „zum Kotzen“ und äußert schon das ein oder andere Mal „Arschloch“. Für eine Horror-Kultfigur ziemlich unangebracht, finde ich. Aber nun gut, Barker wird schon seine Gründe haben, um seinen Charakter so lächerlich wirken zu lassen.
Aber nichtsdestotrotz steckt „Das scharlachrote Evangelium“ wieder voller visionärer Ideen, die einem den Atem rauben, wenn man sie sich bildlich vorstellt. Der Kampf zwischen Pinhead und Satan hat sicherlich etwas Großes, aber Barker hätte es um ein Vielfaches besser gekonnt, wenn er diese Szenen besser beschrieben hätte. Warum er es nicht gemacht hat, bleibt wohl ein Rätsel. Für Barker-Fans dennoch unverzichtbar, gerade weil zwei seiner Kultfiguren aufeinandertreffen. Und wenn man sich einmal an die Asi-Sprache der Protagonisten gewöhnt hat, kann man der Geschichte auch durchaus einige Reize abgewinnen. Für mich dennoch das schlechteste Buch des Autors, den Stephen King einmal als „Zukunft des Horrors“ bezeichnet hat.
.
Fazit: Barker entmystifiziert seine Kultfigur Pinhead und schickt seine Protagonisten auf eine zwar visionär ideenreiche Höllentour, die aber durch sehr umgangssprachliche Dialoge fast schon zu einer Farce wird. Schade, denn im Plot hätte eine weitaus epischere Geschichte gesteckt. Für Barker Fans dennoch ein Muss!
© 2015 Wolfgang Brunner für Buchwelten
Gefällt mir:
Gefällt mir Wird geladen …