Bis bald, Opa! von Lutz van Dijk

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Erschienen als gebundene Ausgabe
im Peter Hammer Verlag
insgesamt  260 Seiten
Preis: 14,00 €
ISBN: 978-3-7795-0622-5
Kategorie: Kinderbuch (ab 8 Jahre)

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Daniel macht wie jedes Jahr mit seiner Mutter Urlaub in Südafrika. Und zwar bei seinen beiden Opas. Für Daniel ist es normal, dass sich zwei Männer lieben und zusammen leben. Doch dann erfährt er, dass einer seiner Opas schwer krank ist. Daniel tritt eine schwere Reise an, erfährt aber im Verlauf seines Aufenthaltes vieles über das Leben, das Sterben und das Glück, eine liebevolle Familie zu haben.

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Als ich den Klappentext dieses Kinderbuches gelesen habe, bekam ich sofort eine Gänsehaut. Das Thema Homosexualität und Sterben in einem Kinderbuch! Das hat mich, schon bevor ich das Buch überhaupt gelesen habe, schwer beeindruckt. Wie sollte es auch anders sein, handelt es sich bei dem Autor um einen Niederländer, und die gehen ja bekanntlich vollkommen anders mit solchen Themen um wie wir Deutschen. Genau solche Bücher wie „Bis bald, Opa!“ brauchen wir, um ein für alle Mal mit Vorurteilen gegenüber gleichgeschlechtlichen Paaren und Tabuthemen wie Sterben und Tod aufzuräumen. Und dann auch noch in Form eines Kinderbuches, das einem Kind bereits in jungen Jahren lehrt, dass es sich dabei um vollkommen normale Vorgänge handelt, verdient absolute Hochachtung und Respekt.

van Dijk schreibt in einer sehr klaren, verständlichen und einfachen Sprache, so dass die Zielgruppe uneingeschränkt versteht, um was es geht. Aber auch Erwachsene, die das Buch lesen, werden zum Nachdenken angeregt. Geschickt verpackt der Autor die oben angesprochenen Themen in eine Urlaubs-Abenteuer-Familiengeschichte, die einem sehr nahe geht. Der Umgang der beiden Opas mit ihrem Enkel ist unglaublich sympathisch beschrieben und auch, wie sie den Jungen (oder Kinder im Allgemeinen) behandeln, berührt einen während des Lesens. van Dijk ist eine hervorragende Gratwanderung zwischen Abenteuergeschichte und „Belehrung“ gelungen, die  beim jungen Lesepublikum (hoffentlich) einen lockeren Umgang mit Schwulsein und Tod hervorruft. Aber es werden auch andere familiäre Probleme behandelt, die äußerst authentisch beschrieben und gelöst werden. Ich muss schon sagen, dass mich dieses Buch aufgrund seiner Fülle an Informationen und Intentionen schwer beeindruckt hat.

Homosexualität, Rassismus, Sterben, Tod, zweite Liebe der Mutter, Krankheit und natürlich auch Liebe – das sind die Eckpunkte der Geschichte, die sich zu einem wunderbaren Ganzen entwickeln und den Leser mit einem Lächeln, aber auch mit einer Träne in den Augen zurücklassen. Ich bin sicher, dass ich dieses Buch noch einmal in die Hand nehmen und vor allem meinem Sohn (jetzt sechs Jahre alt) vorlesen werde, denn ich habe selten so eine liebevolle, eindringliche, traurige und hoffnungsvolle Kindergeschichte gelesen wie „Bis bald, Opa!“. Es steckt bedeutend mehr zwischen den Zeilen, wenn man sich den genannten Themen öffnet und bereit ist, darüber nachzudenken. Lutz van Dijk ist ein tolles Buch gelungen, das Pflichtlektüre an jeder Schule sein sollte, um Rassismus und Homophobie vorzubeugen und bereits Kindern eine gewisse Feinfühligkeit für Familie, Krankheit, Sterben und Tod zu verschaffen.

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Fazit: Hervorragendes Kinderbuch gegen Rassismus und Homophobie. Unbedingt lesen.

© 2019 Wolfgang Brunner für Buchwelten

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The End von Eric Wrede

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Erschienen als Taschenbuch
im Heyne Verlag 
insgesamt  190 Seiten
Preis: 16,00 €
ISBN: 978-3-453-27181-4
Kategorie: Sachbuch, Lebenshilfe

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Wir alle müssen irgendwann sterben. Aber wie geht Sterben? Und wie funktioniert das Beerdigen und Trauern richtig? Eric Wrede geht mit seinem Bestattungsunternehmen vollkommen neue Wege, erklärt und begleitet Menschen auf ihrem letzten Weg jenseits aller bekannten Konventionen.

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Eric Wredes „Buch über den Tod“ bringt eigentlich nichts Neues. Wie sollte es auch? Denn über dieses Thema wurde schon viel geschrieben. Allerdings unterscheiden sich Fredes Überlegungen zum Sterben und Tod letztendlich dann doch irgendwie von allen anderen Werken, die ich kenne. Denn der junge Bestatter geht mit seinem Bestattungsunternehmen „lebensnah“ und auch seinen persönlichen Einstellungen einen ganz eigenen und innovativen Weg in Sachen Bestattung, der vielen Menschen (unter anderem auch mir) extrem gefallen dürfte. Das ist etwas an diesem Buch, das mich vollkommen überzeugt hat. Rede räumt mit den gängigen Konventionen zu diesem Thema auf und schafft Klarheit in vielen Dingen, die mit den Toten, den Trauernden und hinter den Kulissen eines Bestattungsunternehmens passieren. Ich selbst habe mich über einige Jahrzehnte mit diesem Thema beschäftigt und muss sagen, dass der Autor einen sehr schönen Weg gewählt hat, um den Menschen dieses Tabuthema unserer Zeit (und vor allem auch unseres Landes) nahe zu bringen. Er verklärt nichts und nimmt das Thema sehr ernst, aber dennoch auch mit einer gewissen Portion Humor. Und genau diese Mischung macht es aus, so dass man tatsächlich beim Lesen dieses Buches ein wenig Angst vor dem Tod verliert bzw. sich Gedanken um das eigene Ableben macht. Genau das war wahrscheinlich auch Fredes Anliegen. Mission erfolgreich abgeschlossen.

Interessanterweise liest man zwischen den manchmal kühl und distanziert wirkenden Zeilen eine unglaublich menschliche Wärme. Ich würde es schon fast als kleines Wunder bezeichnen, wie hier mit der Thematik Sterben und Tod umgegangen wird.
Es bleibt vieles haften, wenn man das Buch zur Seite gelegt hat. Eric Wrede gibt mit seinem Buch eine einzigartige Hilfestellung zum Umgang mit dem Tod eines Nahestehenden, aber auch mit dem eigenen (unweigerlich irgendwann bevorstehenden) Tod. Unaufdringlich und informativ, aber niemals die Menschlichkeit vergessend, erklärt der junge Autor, was mit einem selbst und den Angehörigen passiert, wenn das Leben endet. Das ist eine äußerst beeindruckende Arbeit, vor der ich meinen Hut ziehe. Und obwohl es um den Tod geht, stecken in diesem Buch auch sehr viele lebensbejahende Dinge, die man sich zu Herzen nehmen sollte. Eric Wrede holt mit seinen Worten den Ursprung des Trauerns und einen angstfreien Umgang mit dem Tod in unsere Herzen zurück, vorausgesetzt natürlich, man lässt sich darauf ein.

Ein bisschen habe ich mich während des Lesens immer wieder an die herzensgute und allzu menschliche Familie Fisher aus der grandiosen Fernsehserie „Six Feet Under“ erinnert. Auch dort wurde der natürliche Umgang mit dem Tod (der ja auch ’nur‘ natürlich ist) forciert. Ähnlich verhält es sich mit „The End“ – man liest, merkt sich Dinge und denkt schließlich darüber nach. Wrede macht mit seinem Buch auch den Beruf des Bestattungsunternehmers wieder sympathisch und glaubwürdig, zumindest, wenn man sich so wie Wrede gegenüber Trauernden verhält. Alleine deswegen sollte man dieses Buch gelesen haben. Und obwohl ich bereits Unmengen an Literatur zu diesem Thema gelesen (und studiert) habe, so brachte mir Eric Wrede mit seinen Aus- und Überlegungen wieder neue Aspekte nahe. Ich bin froh, dieses Buch gelesen zu haben und wer weiß, ob ich dem Bestattungsinstitut „lebensnah“ nicht einmal einen Besuch abstatte, wenn ich mal wieder in Berlin bin. 😉

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Fazit: Neue Denkanstöße zu einem der ältesten Themen der Welt: dem Tod. Menschlich, informativ und auch humorvoll. Sollte man gelesen haben.

© 2019 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Everland von Rebecca Hunt

Everland von Rebecca Hunt

Erschienen als gebundene Ausgabe
im Luchterhand Verlag
insgesamt 410 Seiten
Preis: 22,00 €
ISBN: 978-3-630-87463-0
Kategorie: Drama, Abenteuer, Belletristik

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Im Jahr 1913 unternimmt das unter britischer Flagge stehende Schiff „Kismet“ eine Antarktisexpedition. Die Mannschaft unter Kapitän Lawrence entdeckt eine bis dahin unbekannte Insel, die „Everland“ getauft wird, uns schickt drei Männer aus, um sie zu erforschen.  Doch ein Sturm verhindert die Rückkehr der drei Männer, die daraufhin auf der kleinen Insel um ihr Überleben kämpfen müssen.
Hundert Jahre später wird eine ähnliche Expedition nach „Everland“ geschickt, um die dortige Tierwelt zu erforschen. Dieses Mal handelt es sich um einen Mann und zwei Frauen, die in etwa gegen dieselben Gefahren kämpfen müssen, wie die Mannschaftsmitglieder der „Kismet“.

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Nachdem ich ein riesengroßer Fan des Romans „Terror“ aus der Feder von Dan Simmons bin, hat mich der Klappentext von „Everland“ natürlich total neugierig gemacht. Gerade der einsame Handlungsort im Eis, fernab jeglicher Zivilisation, hat es mir angetan und so ging ich natürlich auch mit einer gewissen Erwartungshaltung an dieses Werk heran. Um es gleich vorweg zu sagen: Rebecca Hunt hat mich absolut nicht enttäuscht, wenngleich sie an die Sache bei Weitem nicht so episch und detailliert herangeht. Aber das macht gar nichts.
Von den ersten Seiten an baut sie eine unglaublich intensive Atmosphäre auf, die einen mitreißt. Man denkt wirklich, man wäre bei der Expedition hautnah mit dabei und müsse selbst um sein Überleben kämpfen.

Ein geschickter Schachzug ist außerdem, dass Hunt Vergangenheit und Gegenwart gegenüberstellt und dabei Parallelen schafft. Und obwohl die Voraussetzungen beider Unternehmungen im Grunde genommen vollkommen anders sind, was zum Beispiel auch die Ausrüstungsgegenstände und die Verpflegung betrifft, haben die Menschen dennoch gegen die gleichen Gefahren anzukämpfen. Es ist außerdem sehr interessant, wie sich Hunt der Entwicklung der Charaktere annimmt und beschreibt, wie sie sich in Extremsituationen verändern (sowohl in der Vergangenheit wie auch in der Gegenwart). Dieses („Psycho“-)Spiel macht wirklich Spaß und verleiht den Protagonisten eine Authentizität. Erstaunlicherweise wachsen einem die Protagonisten durchwegs ans Herz, obwohl die Ausarbeitung ihrer Charakterzüge gar nicht einmal so tiefgehend ist. Wahrscheinlich sind es die knappen und präzisen Beschreibungen, die Rebecca Hunt einsetzt, die die Personen einfach „greifbar“ machen, zumindest erging es mir so während des gesamten Romans. „Everland“ ist ein Abenteuerroman, der dem Leser wie ein Bericht nach Tatsachen erscheint. Hunt schafft es hervorragend, ihrer Geschichte eine hohe Glaubwürdigkeit zu verleihen, als erzähle sie in Romanform ein Ereignis nach, das wirklich stattgefunden hat. ich muss zugeben, dass ich sogar nach der fraglichen Expedition im Internet gesucht habe, weil ich neugierig war, wie es sich tatsächlich zugetragen hatte.

„Everland“ ist ein Drama. Ein Drama ums Menschsein, ums Überleben und um den Kampf des Menschen gegen die Naturgewalten. Rebecca Hunt schafft es in vielen Szenen sehr gut zu beschreiben, wie klein der Mensch und seine Existenz eigentlich im Gegensatz zur Natur ist. Da kommt man zwischendurch auch schon mal ins Nachdenken. Vor allem in den ruhigeren Szenen in den ersten beiden Dritteln des Buches widmet sich die Autorin eher dem Menschen und der Natur, als einem spannenden Plot. Erst gegen Ende hin baut sie dann einen wirklich gelungenen Spannungsbogen auf, der stakkatoartig zum Finale führt und den Leser aufgrund der sehr kurz gehaltenen Kapitel förmlich zum Durchlesen zwingt. Das hat schon etwas Pageturner-haftes an sich. Was mit wirklich sehr gut gefallen hat, war die durchgehende, düstere Stimmung, die Rebecca Hunt mir ihrem Roman eingefangen hat. Man kehrt gerne in die kalte und trostlose Kulisse der Antarktis zurück und begleitet die Expeditionsteilnehmer (egal ob die aus der Vergangenheit oder die aus der Gegenwart) gerne. Der flüssige, leicht zu lesende, aber auch an manchen Stellen sehr hochwertige Schreibstil tut das seinige dazu, um „Everland“ zu einem wirklichen Genuss für Freunde von Antarktis-Abenteuer-Romanen zu machen. Mir persönlich hat das Buch auf jeden Fall so gut gefallen, dass ich die Autorin weiterhin im Auge behalten werde und mir auch ihren Debütroman „Mr. Chartwell“ bei Gelegenheit besorgen werde. Und das sagt doch schon genügend über die Qualität und den Unterhaltungswert eines Werkes aus, oder? 😉

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Fazit: Ruhiges und atmosphärisch dichtes, gegen Ende hin spannendes, Abenteuer in eisiger Umgebung. Sehr zu empfehlen.

© 2017 Wolfgang Brunner für Buchwelten

Die italienischen Schuhe von Henning Mankell

Die italienischen SchuheErschienen als gebundene Ausgabe
im Zsolnay Verlag
insgesamt 368 Seiten
Preis: 24,00 €
ISBN: 978-3-552-05794-4
Kategorie: Drama, Liebe, Belletristik

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Der ehemalige Chirurg Fredrik Welin lebt einsam und fast allein auf einer kleinen Insel in den Schären. Die Insel gehörte einst seinen Großeltern und dort fristet er genügsam und eigenbrötlerisch seinem Dasein. Er bewohnt ein gemütliches, geräumiges aber einfaches Haus, er besitzt ein Boot, das er eigentlich seit Jahren in Schuss bringen möchte, wozu er sich aber nie aufraffen kann.

Einzig ein alter Hund, eine ebenso alte Katze und ein Ameisenhaufen im Wohnzimmer sind seine Mitbewohner, wobei er die Ameisen eigentlich eher sich selbst überlässt, da er den Raum sowieso nicht nutzt.

66 Jahre ist Welin alt und vor vielen Jahren ist ihm „die große Katastrophe“ passiert und seitdem lebt er so zurückgezogen. Einer der wenigen menschlichen Kontakte, die er hat, sind die Besuche des Postboten Jansson. Der kommt ab und an vorbei, teilt ihm mit, dass er keine Post hat und schildert Welin regelmäßig ein anderes Wehwehchen, dass er dann untersuchen soll.

So gehen die Tage dahin und Welin ist weder glücklich oder unzufrieden. Es ist wie es ist. Doch eines Tages im Winter, da ändert sich alles. Denn da schaut Welin raus aufs Eis und sieht dort jemanden stehen. Mit einem Rollator. Die alte Dame ist Harriet, die Frau, die er vor langer Zeit einmal sehr liebte und die er verließ.

Nun steht sie nach 40 Jahren da und will von Fredrik, dass er ein altes Versprechen einlöst, da sie sterbenskrank ist. Natürlich erinnert er sich an dieses Versprechen und selbstverständlich hält er sich daran.

Also machen die beiden sich auf den Weg, auf eine winterliche Reise, sein Wort einzulösen und auf einen Streifzug in die Vergangenheit …

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Henning Mankell hat hier einen sehr ruhigen, stimmungsvollen und gefühlvollen Roman geschrieben. Er erzählt von den Fehlern und Macken der Menschen, vom Älterwerden und Einsam sein, vom wieder zum Leben erwachen und vom Sterben.

Auf dieser Reise erfährt der Leser natürlich, was die „große Katastrophe“ im Leben des Chirurgen war, wir treffen aber auch auf die unterschiedlichsten Menschen, die irgendwie mit dem Leben des Protagonisten verbunden sind. Und diese Reise hat mir ein absolutes Lesevergnügen bereitet. Nicht nur, weil ich durch das verschneite Schweden gereist bin und auch laue Sommerabende erlebt habe, nein, Fredrik Welin ist in seiner rauen, einfachen und immer kurz angebunden Weise ein herzensguter und liebevoller Mensch. Wenn man ihn gemeinsam mit Harriet erlebt, dann ist es, als begleite man ein altes Ehepaar und das Miteinander der beiden ist einfach herrlich.

Interessant war es für mich auch deshalb, da ich erst vor kurzem den biografischen Roman „Treibsand“ von Henning Mankell gelesen habe und nun bemerkte, dass er doch einiges von sich selbst hat einfließen lassen in seine Handlung. Ja, er hat sogar eine eigene Aussage wörtlich einer Figur in den Mund gelegt.

Und auch wenn der Roman sehr ruhig erzählt ist, so vergeht er doch wie im Fluge, denn es gibt eine Menge Ereignisse, die alles andere als langweilig sind.

Ich war traurig, als die Geschichte zu Ende war und ich die Schären verlassen musste, habe ich die Menschen doch alle sehr ins Herz geschlossen. Nun, ich habe Glück. Denn posthum ist nun eine Fortsetzung erschienen: „Die schwedischen Gummistiefel“. Die Geschichte wird weitererzählt. Das freut mich sehr und ich bin sehr gespannt wie es weitergeht. Denn geendet hat der Roman mit einem sehr offenen Ende ….


Fazit: Es lohnt sich immer wieder, Bücher aus dem Regal zu nehmen, die nicht auf der (aktuellen) Bestsellerliste stehen oder einen „Spiegel“ Aufkleber haben. Der oben beschriebene Roman ist schon älter, der Autor inzwischen verstorben und eigentlich eher durch seine Wallander-Reihe bekannt geworden. Aber diesen stillen und stimmungsvollen und keinesfalls langweiligen Roman empfehle ich nur gerne.

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© Buchwelten 2017

Treibsand – Was es heißt ein Mensch zu sein – von Henning Mankell

TreibsandErschienen als gebundene Ausgabe
im Zsolnay Verlag
384 Seiten
24,90 €
ISBN: 978-3-552-05736-4

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Henning Mankell schreibt über sein Leben. Er erzählt von seiner Kindheit, Lebensstraßen, Ängste, Sorgen und Hoffnungen. Es geht ums Mensch sein, Erinnerungen, und der Treibsand der Angst seine Krebserkrankung zu entkommen.

Zitat Henning Mankell: „… ein Buch darüber, wie die Menschheit gelebt hat und lebt und wie ich mein eigenes Leben gelebt habe …“

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Henning Mankell. Wahrscheinlich zu allererst durch seine bekannteste Romanfigur Kurt Wallander, die sogar Krimis verfilmt wurden.

Geschrieben hat er aber viel mehr. Einige Afrika-Romane und viele verschiedene Kinderbücher (die meine Kinder zum Teil sogar als Schullektüre durchgenommen haben). Aber eigentlich hat Henning Mankell Theaterstücke geschrieben und Krieg Theaterregisseur. Er hat auch Theater geleitet.

Aber wer war Henning Mankell eigentlich? Wurde er erlebt, war er da, wie geht er mit seiner Krankheit um?

The Wall of the Church of the Henning Mankell erzählt, wie und warum er zB die Figur Kurt Wallander erdacht hat, woher er die Inspirationen für seine (teilweise auch sehr brutalen und heftigen) Krimis genommen hat, der wird enttäuscht werden. Irgendwann um Seite 360 ​​rum erwähnt Henning Mankell mal Kurt Wallander, im Zusammenhang einer schwedischen Insel, die er besucht hat. Das war es in dieser Beziehung aber auch.

Dennoch hat Henning Mankell sehr viel erzählt. Natürlich auch über seine Kindheit, diese Erinnerungen haben ihn begleitet und beschäftigt, nachdem er am 08. Januar 2014 erfuhr, dass er an Krebs erkrankt ist.

Aber auch grundsätzliche Fragen haben ihn beschäftigt. Wie gehen wir mit unserer Welt um? War hinterlassen wir den Generationen sterben in 1.000 Jahren auf der Erde leben? Nur Atommüll, vor dem wir warnen oder den wir einfach vertuschen?

Das Buch war traurig, natürlich, denn wir alle wissen, dass Henning Mankell kurz nach der Veröffentlichung des Romans am 5. Oktober 2015 von seiner Krebserkrankung erlag. Aber ich habe auch sehr viel gelernt. Unter anderem viel Historisches, von dem ich wirklich nie hatte.

Ein Beispiel, das auch kein Spoiler ist:

Die Kadaver-Synode im Jahre 897. Hier hat (wirklich!) Papst Stephan VI den bereits seit 9 Monaten verstorbenen Papst Formosus aus seinem Sarkophag holen lassen. Erlaubt ihn in seinem volles Ornat kleiden und setzt ihn auf die Anklagebank, um ihn zu verurteilen und ihm nach seinem Tode rückwirkend das Pontifikat zu entziehen. Dazu gibt es ein Gemälde des Malers Jean-Paul Laurens, das im Buch abgebildet ist (schaut mal im Internet nach).

Mir hat das Buch viel gegeben. Natürlich regt es zum Denken an, es macht traurig und melancholisch, denn auf jeder Seite konfrontiert uns Henning Mankell mit unserer Sterblichkeit, die wir alle so gerne verdrängen. Das klappt bei der Lektüre jedoch Nicht wirklich.

Ein schöner Abschied von einem ganz großen Mann aus Schweden. Mach’s gut Henning Mankell. Ich wünsche Dir, dass Du nicht zu lange tot bist.

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© Marion Brunner für Buchwelten 2017

Mary, Tansey und die Reise in die Nacht von Roddy Doyle

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Erschienen als gebundene Ausgabe
bei CBJ
insgesamt 240 Seiten
Preis: 14,99 €
ISBN: 978-3-570-15471-7
Katergorie: Jugendbuch ab 12 Jahre

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Die 12-jährige Mary lebt gemeinsam mit ihren Eltern und zwei älteren Brüdern in Dublin. Derzeit geht es Mary nicht so gut. Ihre beste Freundin ist gerade umgezogen, zwar nur 7 km weiter in die andere Ecke von Dublin, doch für beste Freundinnen ist dies unendlich weit. Dann liegt außerdem ihre geliebte Großmutter Emer im Krankenhaus, sie ist weit über 80 Jahre alt und liegt im Sterben.

Jeden Tag fährt Mary gemeinsam mit ihrer Mutter Scarlett dorthin und besucht Emer. Sie hasst das Krankenhaus, doch sie möchte ihre Großmutter sehen, denn die liebt Mary über alles und Emer hat ihren Humor auch im Krankenhaus nicht verloren. Eigentlich macht sie einen recht guten Eindruck, nur dass sie von einer Sekunde auf die andere tief einschläft, dass macht Mary dann doch Angst und zeigt ihr auch, dass es mit Emer langsam zu Ende geht.

Eines Mittags, Mary kommt von der Schule und ist beinahe zu Hause angekommen, da trifft sie eine fremde Frau vor dem Haus und sie reden miteinander. Natürlich hat ihre Mum ihr immer wieder eingeschärft bloß nicht mit Fremden zu sprechen, aber irgendwas hat diese seltsame Frau an sich, das Mary das Gefühl gibt eben keine Fremde zu sein. Zunächst denkt Mary, dass die Frau alt ist. Dann merkt sie aber, dass eigentlich nur ihre Kleidung altmodisch ist und die Frau selber noch jünger ist, als ihre Mum.

Mary glaubt die Frau wäre eine neue Nachbarin, doch dann wird klar, dass die Frau viel zu viel weiß, wie zum Beispiel Marys Namen und auch den ihrer Großmutter. Es stellt sich heraus, dass die Frau, genannt Tansey, eigentlich Anastasia, die verstorbene Mutter ihrer Großmutter ist. Also Marys Urgroßmutter. Mary erzählt ihrer Mutter davon, die ihrer Tochter sogar glaubt. Denn als Mary den Namen Tansey erwähnt, ist sie sicher, dass kann kein Hirngespinst einer 12-jährigen sein.

Sie laden Tansey auf eine Tasse Tee in ihre Wohnung ein – Tote trinken keinen Tee, doch sie freut sich trotzdem – und die drei Frauen beginnen eine Unterhaltung, die sehr interessant und aufschlussreich ist. Als Marys Großmutter Emer 3 Jahre alt war, ist ihre Mutter an der Grippe erkrankt und sehr schnell verstorben. Tansey konnte sich nicht von ihrer Tochter trennen, wollte sie aufwachsen sehen und ist deshalb immer in ihrer Nähe geblieben. Nun liegt ihre Tochter im Sterben und daher hat sie den Schritt gewagt, Kontakt zu ihrer Familie aufzunehmen. Und dies führt zu einer großen, abenteuerlichen Nacht, die die vier Frauen gemeinsam verbringen …

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Das Buch ist regulär eine gebundene Ausgabe, ich rezensiere jedoch hier ein unkorrigiertes Leseexemplar. Mein Buch hat 235 Seiten, das gebundene 240 Seiten. In meinem Exemplar waren die Seiten sehr luftig und mit einer großen Schrift bedruckt, wodurch ich diese sehr schöne Geschichte in ca. 2,5 Stunden bereits durchgelesen hatte.

Der irische Autor Roddy Doyle hat hier ein so herzliches, liebevolles, humorvolles Buch geschaffen, dass eigentlich ein eher trauriges Thema behandelt: den Tod eines geliebten Menschen. Wie er diese vier Frauen zusammenführt und wir an ihren jeweiligen Leben teilhaben, dass macht großen Spaß.

Wir erleben als Leser nicht nur die Gegenwart aus der Sicht von Mary. In Rückblenden erleben wir Momente aus Sicht von Tansey, der verstorbenen Urgroßmutter, den gleichen Moment dann noch einmal aus Sicht der 3-jährigen Emer.
Was dieses Buch auch ausmacht, sind die Gespräche. Wie sich die Frauen untereinander die Bälle zuspielen und wie sie miteinander reden, dass wirkt alles echt und real und gibt dem Leser das Gefühl daneben zu sitzen und zuzuhören.

Zum Beispiel war es sehr amüsant zu lesen, dass eine verstorbene Mutter, die aussieht wie 25 ihrer über 80-jährigen Tochter sagt, sie solle sich jetzt gefälligst bei ihrer eigenen Tochter entschuldigen. Klingt vielleicht gerade ein wenig wirr, ist es aber nicht.

Was mir persönlich auch besonders gut gefiel war wie Mary ihre beiden älteren Brüder beschrieben hat. Sie sind 14 und 16 Jahre alt und nicht mehr „ihre Brüder“, für Mary sind diese Wesen nur noch Fremde, mit denen sie in ihrer Kindheit gespielt und gealbert hat. Ihr Benehmen macht Mary Angst und sie will nicht zu einem solchen Wesen „mutieren“. Ich habe mich sofort gefragt, ob mein eigener 12-jähriger Sohn ähnlich für seine älteren Geschwister (18 + 16) empfindet und diese Veränderung ähnlich ausdrücken würde. Ich denke ich werde ihn darauf ansprechen.

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Mein Fazit: 5 von 5 Sternen für diese warme, liebevolle, lustige und auch traurige Geschichte über die Familie, die Liebe zwischen Müttern und Töchtern, Großmüttern und Enkelinnen. Der Autor hat das Thema Sterben und Loslassen in eine wunderbare Geschichte verpackt, die voller herrlicher Gespräche, Erinnerungen und mit einem verrückten finalen Abenteuer ist.

Ich danke Amazon für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars (unkorrigierte Fassung).

© Buchwelten 2013

Ich lebe, lebe, lebe von Alison McGhee (5/5)

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Erschienen als Klappenbroschur
im dtv premium Verlag
160 Seiten
Preis: 12,90 €
ISBN: 978-3-423-24934-8
Katergorie: Jugendbuch ab 14. Jahre

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Die 17-jährige Rose lebt in einer relativ verlassenen Gegend in den Bergen von Irgendwo. Im März, bei noch glatten Straßenverhältnissen geraten Ihre ältere Schwester Ivy und sie in einen Autounfall. Ivy saß am Steuer und konnte dem hellblauen Truck, der zu schnell in die langezogene Kurve fuhr, nicht mehr ausweichen. Während Rose bei dem Unfall nicht verletzt wurde, fiel ihre Schwester in ein Koma, aus dem sie bis heute nicht erwacht ist.

Rose und ihre Schwester Ivy hatten immer ein sehr inniges Verhältnis. Sie waren zwar sehr gegensätzlich aber dennoch unzertrennlich. Jeden Tag besucht Rose ihre Schwester im Pflegeheim, wo sie nur noch durch die Maschinen am Leben erhalten wird. Sie wird künstlich beamtet, sie wird ernährt, ansonsten schläft Ivy und schläft und schläft.

Rose bricht es das Herz, ihre Schwester dort zu sehen. Immer wieder spricht sie mit ihr, liest ihr vor. Sie kann nicht glauben, dass Ivy sie nicht mehr hören kann. Der Arzt sagt das zumindest, doch Rose ist der Meinung, dass er sich so sicher nicht sein kann.

Roses Mutter hat ihre älteste Tochter seit Monaten nicht mehr besucht. Sie wollte von Anfang an die lebenserhaltenden Maßnahmen, doch die in sich gekehrte Frau kann es nicht ertragen ihr Kind dort so liegen zu sehen. Statt dessen muss sie sich nach Feierabend zwanghaft beschäftigen, um nicht durchzudrehen. 

Auch Ivys Freund, die beiden waren immerhin seit 3 Jahren zusammen, besucht das Mädchen nicht. Er sagt, er kann nicht, er würde daran zerbrechen.

So sind es jeden Tag immer wieder Rose und der Nachbar William T., die bei Ivy im Zimmer sitzen. William T. kümmert sich seit Jahren um die Familie, um genau zu sein, nachdem der Vater sie verlassen hat. Nun fährt er Rose jeden Tag in die Klinik und bleibt mit ihr für Stunden dort.

Rose hat große Probleme mit dem Verlust ihrer Schwester, den immer wiederkehrenden Momenten des Unfalls und ihren Ängsten umzugehen. In der Schule tuscheln sie über die „lebende Leiche“, doch direkt ansprechen tut sie fast niemand. Rose kapselt sich ab, stürzt sich in wechselnde Jungenbekanntschaften. Doch nichts nimmt ihr den Schmerz in ihrem Inneren.

William T., der vor Jahren seinen Sohn verloren hat, kommt an Rose heran und kümmert sich liebevoll um sie wie ein Vater. Das Zusammensein und die Gespräche helfen Rose jedoch nur begrenzt.

Dann ist da noch ihr Mitschüler Tom, der immer wieder auf Rose zugeht, sie anspricht, fragt wie es ihr geht und so ganz anders ist als die Jungs, mit denen Rose versucht hat den Schmerz in ihrem Herzen zu vertreiben. Tom kennt den Schmerz des Verlustes und der Verzweiflung nur zu gut. Er hat seinen Vater verloren. Und er findet einen Weg, dass Rose sich öffnet und fallen lässt. Vielleicht schafft Rose es mit Toms Hilfe sogar, Ivy endlich loszulassen, damit sie in Frieden gehen kann und Rose selbst endlich wieder lebt, lebt, lebt …

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Eine Geschichte von Liebe und Verlust, so steht es als Überschrift auf dem Buchrücken. Eine sehr kurze Geschichte sogar, denn das Buch umfasst gerade einmal 160 Seiten. Doch die haben es wirklich in sich.

Sehr gefühlvoll und sehr intensiv beschreibt die Autorin Roses Leben, dass ja eigentlich keines mehr ist. Der Versuch mit dem Verlust ihrer Schwester umzugehen, der Kampf gegen den Schmerz, dass hat Alison McGhee in einem sehr eigenwilligen Schreibstil zu Papier gebracht.

Mit diesem hatte ich anfänglich meine Schwierigkeiten. Denn die Autorin arbeitet mit vielen Wiederholungen. Immer wieder erlebt Rose den Moment des Unfalls und diese Szene wirft sie wörtlich ständig wieder mitten in die Handlung. Sie arbeitet auch viel mit Wechseln zwischen Gedanken, Rückblenden und aktuellen wörtlichen Reden. Dies alles ist dann aber nicht durch Absätze abgegrenzt. Lediglich die Gedanken Roses sind immer in kursiver Schrift geschrieben.

Die Autorin schreibt sehr philosophisch und bildhaft. Beispielsweise vergleicht Rose sich und ihre Schwester mit Gewässern. Während sie ein stiller See mit umschützenden Ufern ist, ist ihre Schwester Ivy ein fließendes Gewässer, dass immer in Bewegung ist.

Sie hat allen ihren Figuren sehr viel Tiefe und Gefühl mitgegeben. Jeder Mensch hat seinen eigenen Weg mit Schmerz, Angst und Verzweiflung umzugehen. Wie die Autorin es geschafft hat, dass alles in diese kurze Handlung zu verpacken ist sehr erstaunlich.

Empfohlen wird der Roman für Jugendliche ab 14 Jahre, ist aber unbedingt auch Erwachsenen Lesern ans Herz zu legen, denn genau das berührt dieses Buch. Die wichtigen Figuren in dem Roman sind ja nicht nur Jugendliche, sondern auch Erwachsene, wie Roses Mutter, der Nachbar William T. oder die kleine Nebenrolle der Schwester Angel.

Das Cover zeigt ein Mädchen auf einem Felsen in einem Gewässer, was sehr gut zur Handlung passt. Der Roman besteht aus relativ langen Kapiteln und ist in ziemlich kleiner und dünner Schrift geschrieben. Der Klappentext im Inneren der Broschur und die Inhaltsangabe auf der Buchrückseite sind sehr ausführlich, was ja auch der Auslöser war, dass ich auf dieses Buch aufmerksam wurde.

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Mein Fazit: Trotz anfänglicher „Schwierigkeiten“ mit dem besonderen Schreibstil 5 von 5 Sternen für eine Geschichte um Liebe, Verlust, Verzweiflung, das Loslassen und dem Versuch weiterzuleben, wenn man eigentlich keinen Sinn mehr darin sehen möchte/kann. Ein liebevoller und einfühlsamer Roman mit Tiefgang, der garantiert im Gedächtnis haften bleibt. Und wieder ein sehr gutes Buch, dass voraussichtlich auf keiner Bestsellerliste auftaucht, sondern höchtens durch die virtuellen Medien als Geheimtip gehandelt wird, wie so vieles … Schade eigentlich.

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Ich danke Amazon-Vine für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

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© Buchwelten 2012

Neuerscheinung Crytpanus Teil II von Wolfgang Brunner

18.11.2010:

Der zweite Teil des Cryptanus-Zyklus von Wolfgang Brunner mit dem Titel „Das Geheimnis von Griphus Nix“ wird voraussichtlich Anfang Februar 2011 im NOEL-Verlag erscheinen.