Echo von Thomas Olde Heuvelt

Erschienen als Taschenbuch
bei Heyne
insgesamt 718 Seiten
Preis: 17,00 €
ISBN: 978-3-453-32098-7
Kategorie: Drama, Mystery, Horror

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Nick besteigt mit seinem Freund den Berg Maudit, der in der Schweiz liegt und über den so gut wie nichts bekannt ist. Sie spüren bereits beim Aufstieg, dass der Berg von einer unheimlichen Macht erfüllt wird. Als dann ein Unglück geschieht, wird nicht nur Nick in einen Sog des Grauens gezogen, sondern auch dessen Lebensgefährte Sam und immer mehr Menschen in seinem Umfeld …

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Da mich Heuvelts Roman „Hex“ schon extrem fasziniert hat, war ich natürlich gespannt, was er mit seinem neuen Roman abgeliefert hat. „Echo“ übertrifft „Hex“ sogar noch, denn der Autor hat das Thema des Bergsteigens in Verbindung mit den mystischen Eigenschaften örtlicher Legenden, die sich um solch einen Berg ranken, komplex und geradezu hypnotisch beschrieben, sodass man das Buch wirklich nur sehr schwer aus der Hand legen kann. Über 700 Seiten lang begleiten wir die Personen durch einen Albtraum, der Realität und Einbildung verschmelzen lässt. Für manch einen mögen die langatmigen Beschreibungen langweilig sein, für andere (und dazu zähle ich mich) ist es geradezu eine literarische Offenbarung, die der in den Niederlanden geborene Autor hier präsentiert. Heuvelt verbreitet von der ersten bis zur letzten Seite eine Atmosphäre, wie man sie selten so konsequent in Romanen vorfindet (am ehesten fällt mir da noch das grandiose Meisterwerk „Terror“ von Dan Simmons ein). „Echo“ ist wie ein Rausch, wie ein Sog, der seine Leserschaft unweigerlich mitzieht und nicht mehr loslässt.

Okay, zugegebenermaßen haben mich anfangs die eingestreuten englischen Ausdrücke (die ja mittlerweile zum größten Teil leider eingedeutscht sind) etwas gestört, aber im Verlaufe des Buches habe ich mich zum einen daran gewöhnt und zum anderen spiegelte es den Charakter des Protagonisten und auch die Stimmung dann doch auf ziemlich geniale Weise wider. Bei diesem Aspekt muss man sich einfach darauf einlassen. Und auch wenn man solcherart Denglish nicht mag, so schmälert diese Tatsache keineswegs die Spannung und die auf jeder Seite spürbare unheimliche Atmosphäre. „Echo“ ist ein literarischer Trip erster Güte, den man nicht mehr so schnell vergessen dürfte. Ich könnte mir das Ganze übrigens auch unheimlich gut als Verfilmung vorstellen. Heuvelt spielt hier mit der Sprache, bewegt sich trotz der umgangssprachlichen Elemente auf einem sehr hohen Niveau und beschreibt die Ereignisse mit einer bildhaften Sprache, die einen immer wieder in Erstaunen versetzt. Vor allem der Unfall in den Bergen hat mich vollkommen umgehauen. Ich konnte die Kälte und die Angst spüren, und das so intensiv, dass diese Zeilen manchmal sogar unangenehm wurden, so erdrückend war diese Situation geschildert. Diese Stelle(n) waren für mich Höhepunkte des Buches, die mich absolut in ihren Bann schlugen.

Was mir außerdem äußerst gut gefallen hat, ist die Tatsache, dass „Echo“ ein Genre-Hybrid ist, der sich nicht um die gängigen Konventionen der Literaturrichtungen schert, die er behandelt. Heuvelt erzählt schlichtweg eine Geschichte und kümmert sich nicht darum, ob diese nun in die Kategorie Mystery, Horror oder Drama fällt. Hier zählt die Story und nicht das Genre. Und das macht „Echo“ auch aus, man weiß nie, was einen als nächstes erwartet, ob es die stürmischen Höhen des Berges sind, die Liebesgeschichte zwischen Nick und Sam, die Beziehung zwischen den anderen Personen, die mysteriösen Vorgänge, die Nick auslöst oder das seltsame Verhalten der Bergdorf-Bevölkerung. „Echo“ ist Literatur, wie sie sein sollte: überraschend, spannend, innovativ und flüssig zu lesen. Für mich eines der Jahreshighlights 2021, daher würde ich mich umso mehr freuen, wenn noch mehr Werke dieses Ausnahmeautors ins Deutsche übersetzt werden würden.

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Fazit: Unheimlich, mysteriös, spannend, melancholisch, poetisch. Ein literarisches Meisterwerk.

©2021 Wolfgang Brunner für Buchwelten

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Hex von Thomas Olde Heuvelt

Erschienen als Taschenbuch
im Heyne Verlag
insgesamt 429 Seiten
Preis: 12,99 €
ISBN: 978-3-453-31906-6
Kategorie: Thriller, Horror

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Nach außen hin ist Black Spring ein nettes, kleines und idyllisches Städtchen, umgeben von Wäldern und purer Natur, gäbe es nicht Katherine, eine dreihundert Jahre alte Hexe, die den Bewohnern hin und wieder einen kleinen Schrecken einjagt. Der Stadtrat von Black Spring will diesen „Makel“ nicht an die Öffentlichkeit bringen und hat deswegen strenge Regeln aufgestellt, an die sich jeder Einwohner halten muss: kein Internet und kein Besuch von außerhalb. Doch die Teenager des Ortes sehen die Sache anders und machen sich einen Spaß daraus, die Hexe zu ärgern. Eines Tages stellen sie ein Video der Hexe ins Internet. Und postwendend bricht das Chaos in Black Spring aus …

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Wenn man die ersten Seiten von Thomas Olde Heuvelts „Hex“ zu lesen beginnt, fragt man sich, ob man etwa bereits am Anfang eines Buches schon unaufmerksam war und etwas überlesen hat, denn die Geschichte beginnt vollkommen abgedreht und wirr. Es dauert tatsächlich eine Weile, bis einem ein Licht aufgeht und dann … hat es einen aber auch schon gepackt. „Hex“ ist innovativ und originell, abgedreht und verrückt. Als hätte David Lynch zusammen mit Lars von Trier und Stephen King ein Buch geschrieben. Permanent hatte ich beim Lesen im Kopf, dass sich diese Story absolut für eine Verfilmung eignen würde. Der Sog, den Heuvelt mit seinem hochwertigen und extrem bildhaften Schreibstil entstehen lässt, nimmt einen ab einem gewissen Zeitpunkt derart gefangen, dass man das Buch einfach nicht mehr aus der Hand legen mag und auch kann. Eine wilde Mischung aus gruseligen, japanischen Horrorfilmen, abgefahrenen Ideen und einer Portion Humor machen „Hex“ zu einem echten Erlebnis, wie man es in letzter Zeit, zumindest im Horrorgenre, selten zu lesen bekommen hat.

Manche Szenen wirken im ersten Moment sogar amüsant und witzig, bevor man darüber nachdenkt, wie man sich selbst in dieser Situation fühlen würde. Und nach genaueren Überlegungen spürt man plötzlich die unheimliche Atmosphäre der Geschehnisse, fühlt sich unbehaglich bei dem Gedanken, was passiert.  Denn so harmlos die Szenarien im ersten Moment wirken, die der niederländische Autor da beschreibt, so mystisch und vor allem unheimlich werden sie, wenn man sich darauf einlässt. „Hex“ kommt eher ruhig daher und arbeitet mit der gespenstischen Atmosphäre des Ortes und den seltsamen Verhaltensweisen der Einwohner. Wenn man sich in deren Situation versetzt, spürt man das Grauen und die Bedrohung, fiebert mit ihnen mit und beginnt, sich vor der Hexenerscheinung, die vollkommen ohne Vorwarnung an den verschiedensten Stellen des Ortes aus dem Nichts auftaucht, tatsächlich zu fürchten. Es ist eine besondere Art von Horror, die Heuvelt dem Leser da beschert und man muss sich unbedingt darauf einlassen können, um die Tragweite der Ereignisse zu erfassen. Schleichend entwickelt sich das anfangs eher harmlos wirkende Grauen in einen blutigen und apokalyptischen Alptraum, den der Autor in teilweise außergewöhnlichen und philosophischen Sätzen schildert.

„Hex“ ist in sich von Anfang bis Ende aus meiner Sicht stimmig. Da passt einfach alles: Von den Charakterzeichnungen über die Entwicklung des Plots bis hin zu einem dystopischen, apokalyptischen Ende, das filmreif ist. Sprachlich auf hohem Niveau nimmt Heuvelt den Leser auf einen Horrortrip mit, den man vor allem aufgrund seiner erfrischenden Originalität und dem innovativen Plot nicht so schnell vergißt. Ich langweilte mich keine Sekunde und konnte gar nicht genug davon kriegen, wie sich die Einwohner mit ihrem Hexenproblem auseinandersetzten. Schön war auch, dass der Autor die heutigen technischen Errungenschaften wie Internet und Handy-Apps in eine an sich altmodische Gruselgeschichte einbaute. Und das Finale übertraf meine Erwartungen vollends. Nie hätte ich mit diesen düsteren, apokalyptischen Auswirkungen gerechnet, die sich über das Dorf legten und visionären Bilder eines Hieronymus Bosch glichen. Ich kann das Buch wirklich jedem Horrorfan, der Wert auf Atmosphäre und eine ideenreiche Geschichte legt, empfehlen. Und, wie gesagt, selbst die witzigen Einschübe zwischendurch beherbergen bei genauerem Hinsehen ein unheimliches Grauen in sich, dem man sich nicht entziehen kann. Interessierte Leser sollten sich auf jeden Fall das Nachwort zu Gemüte führen, denn dort erfährt man nämlich interessante Details zur Entstehung und Entwicklung des Romans. Für mich ist „Hex“ eine absolut erfreuliche Neuentdeckung im Bereich Horrorliteratur. Ich bin schon sehr gespannt, was Thomas Olde Heuvelt als nächstes abliefern wird.

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Fazit: Abgedreht, innovativ und extrem gruselig. Als hätte Stephen King zusammen mit David Lynch und Lars von Trier einen Roman geschrieben.

© 2017 Wolfgang Brunner für Buchwelten