München von Robert Harris

Erschienen als gebundene Ausgabe
im Heyne Verlag
insgesamt 432 Seiten
Preis: 22,00 €
ISBN: 978-3-453-27143-2
Kategorie: Thriller, Historischer Roman, Drama

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Im September 1938 treffen sich Hitler, Chamberlain, Mussolini und Daladier zu einer kurzfristig einberufenen Konferenz in München. Es geht um die Einnahme von Teilen der Tschechoslowakei durch die Deutschen, aber auch um den Weltfrieden. An der Seite des britischen Premierministers Chamberlain nimmt Hugh Legat aus dem Außenministerium an der Reise nach München teil. In München trifft Legat auf Paul von Hartmann aus dem Auswärtigen Amt in Berlin, mit dem ihn eine Freundschaft aus alten Zeiten verbindet. Legat erfährt, dass von Hartmann einer geheimen Widerstandsgruppe gegen Hitler angehört und sieht sich schon bald in einer Zwickmühle, als ihm Papiere ausgehändigt werden, die einen drohenden Weltkrieg prophezeien.

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Wow, was für ein Buch! Schon nach den ersten Seiten konnte ich mich nicht mehr von der Geschichte losreißen. Und das, obwohl ich ein an Politik völlig uninteressierter Mensch bin, der logischerweise auch solcherart Bücher eigentlich gar nicht gerne liest. Aber Robert Harris hat mich schon mit vielen seiner anderen Bücher überzeugen können, und so war ich natürlich gespannt, wie er diese geschichtliche Episode, die noch dazu in meiner Heimatstadt München spielt, zu Papier gebracht hat. „München“ ist schlichtweg atemberaubend grandios geworden und vermittelt die damalige Stimmung aus meiner Sicht (ich war ja glücklicherweise nicht dabei 😉 ) sehr gut und stimmig. Harris schreibt sehr einfach, aber auch niveauvoll, so dass man von der Story vollkommen gefangen genommen wird.

Robert Harris schildert die historischen Ereignisse dermaßen kurzweilig, dass man locker doppelt so viele Seiten hätte lesen können. Die Vermischung aus historisch belegten Geschehnissen und erfundenen, fiktiven Begebenheiten ist dem Autor absolut gut und vor allem glaubwürdig gelungen. Die Hintergründe sind aufs sorgfältigste recherchiert und Harris versteht es meisterhaft, die teils trockenen, geschichtlichen Zusammenhänge, die zu dieser Konferenz geführt haben, zu einem enorm spannenden Erlebnis zu verarbeiten, dass noch lange im Gedächtnis haften bleibt. Man bekommt während des Lesens wirklich den Eindruck, die Protagonisten (ob fiktiv oder real) persönlich zu kennen, so geschickt schildert Harris diese Persönlichkeiten. Und beim ersten Erscheinen Adolf Hitlers hält man unweigerlich die Luft an, so eindringlich (und irgendwie auch bedrohlich) wurde sein Auftreten beschrieben. „München“ wirkte auf mich unglaublich intensiv und bedrohlich in seiner teils aussichtslosen Atmosphäre. Die Verhandlungen und Überlegungen der Politiker sind durchweg verständlich erklärt und machen dieses Buch auch für einen Menschen wie mich, der sich absolut nicht für Politik interessiert, zu einem wirklich atemberaubenden Abenteuer.

Bedrückender Nebeneffekt dieses historischen Romans ist die Reflektierung der aktuellen politischen Situation, die sich wohl heutzutage genauso schleichend wie in der Vergangenheit in die Köpfe einiger Menschen festsetzt. „München“ besitzt einen unglaublichen Sog, der zum einen am wunderbar flüssigen und angenehmen Schreibstil Robert Harris‘ liegt und zum anderen am für mich äußerst kurzweiligen Plot, den manch anderer aber bestimmt langatmig empfinden wird. Aus meiner Sicht war kein Satz zu viel. Im Gegenteil, wie oben schon erwähnt, hätte ich die Protagonisten und die politischen Überlegungen noch gerne ein paar hundert Seiten mehr genossen. Robert Harris lässt seine Geschichte auf knapp vierhundert Seiten an lediglich vier Tagen spielen. Gerade diese knappe Zeitspanne stellt einen enorm intensiven Handlungsstrang zu, der wie ein Film wirkt. Durch die präzisen Beschreibungen der Örtlichkeiten fällt es nicht schwer, sich in dem Roman zu verlieren und einfach mittendrin zu sein. Robert Harris hat es also tatsächlich mit diesem Roman erneut geschafft, mich für ein politisches Thema zu interessieren und sogar zu begeistern. „München“ hat mich schlichtweg süchtig gemacht.

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Fazit: Spannend, realistisch und unglaublich unterhaltsam. Höchster Suchtfaktor!

© 2017 Wolfgang Brunner für Buchwelten

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Angeklagt von Robert Glinski (5/5)

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Erschienen als
Taschenbuch bei
ullstein
256Seiten
Preis: € 8,99 €
ISBN:  978-3-548-37417-8

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Robert Glinksi ist Richter und Mitglied in der Strafkammer für Schwurgerichtsfälle. Diesen Job führt er bereits seit 10 Jahren aus, dabei ist er gerade mal 39 Jahre alt. Er hat diese Stelle also mit Ende 20 angetreten und eigentlich wird unter Kollegen gesprochen, dass man diesen Job nicht mehrere Jahre ausüben kann, ohne darunter zu leiden.

Ständig mit schwersten Verbrechen, grausamen Ermittlungsakten und den extremsten menschlichen Abgründen konfrontiert zu werden, ist wohl auf Dauer für viele Richter seelisch nicht leicht zu ertragen.

Robert Glinski ist nach wie vor dabei und er sagt im Vorwort, dass diese Arbeit ihn nicht zerstört, sondern im Gegenteil seinen Horizont erweitert hat. Für ihn war es interessant, in die Menschen zu blicken, es zumindest zu versuchen. Herauszufinden warum ein Mensch, der sein bisherigen Leben lang ein unbescholtener Bürger war, urplötzlich ausflippt und einen Mord begeht.

Der Autor schreibt, jeder Mensch hat eine dunkle Seite und manchmal passiert es, dass sie überhand nimmt. Für ihn waren bis zum Antritt dieser Stelle alle Mörder und schweren Verbrecher kaltblütig, brutal, psychopathisch und durchgeknallt.

Nach einer gewissen Berufserfahrung hat er in Angeklagt zehn brisante Fälle/Verfahren zusammengestellt, die versuchen hinter die Kulissen zu schauen. Er versucht herauszufinden warum die Angeklagten die Taten begangen haben …

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Der Verlag ullstein hat mir dieses Rezensionsexemplar unaufgefordert zugesandt und das Thema hat mich direkt interessiert. Das mag daran liegen, dass ich selber bei Rechtsanwälten beschäftigt bin und dort auch mit Straftätern und Strafverfahren in Berührung komme. Ich habe während der Arbeit nicht die Zeit, mir die Ermittlungsakten durchzulesen und daher habe ich mir dann gedacht, einmal hinter die Kulissen zu schauen wird gewiss spannend.

Das war es in der Tat. Robert Glinski hat hier kein Sachbuch geschrieben, das möchte ich sehr deutlich machen. Die Fälle sind auch nicht staubtrocken und juristisch, nicht in kompliziertem Rechtsdeutsch geschrieben und auch von Paragraphen wurde ich nicht erschlagen. Damit hatte ich – ehrlich gesagt – gerechnet, wurde aber positiv überrascht.

Vielmehr ist dieses Buch gestaltet wie gutes Reality TV, wenn ich diesen Vergleich einmal verwenden darf. Denn die Gerichtsshows im Fernsehen sind ja nun einmal extrem schlecht und gestellt (das waren sie zumindest, als ich noch fern gesehen habe :mrgreen:)

Die Fälle geben die Handlungen und Tätigkeiten wieder, wo der Krimi/Thriller entweder aufhört oder diese Arbeiten nur am Rande erwähnt werden. Denn im Krimi gehts es um die Suche eines Mörders. Hier ging es um die Entscheidung ob eine Straftat vorliegt, wenn ja, wie groß die Schwere ist und ob der Täter schuldfähig ist oder nicht.

Die Arbeiten der Forensiker werden genauso ausführlich beschrieben, wie auch die Wichtigkeit der gerichtlichen Sachverständigen. Diese werden fast in jedem Verfahren hinzugezogen und auch hier gibt es die, die ihre Arbeit schlampig begehen, was dann verheerende Folgen haben kann.

Ich fand das Buch interessant und sehr lehrreich. Geschrieben in Kurzgeschichtenform beginnt der Autor meist mit der Kindheit der Täter, wechselt dann in die Jetzt-Zeit, beschreibt die Tat und geht dann zur Arbeit der Staatsanwaltschaft und den Gerichten über.
Der Schreibstil ist sehr verständlich, gut ausformuliert aber – wie bereits erwähnt – ganz und gar nicht im schwierigen Rechtsdeutsch.

Der Autor hat es geschafft mir die Verfahrensweisen der Gerichte nahe zu bringen, natürlich wusste auch ich eine Menge noch nicht. Ausserdem hat er sehr gut zu Papier gebracht, dass ein Richter viel damit zu tun hat, sein  Bauchgefühl mit den Paragraphen und Gesetzen zu vereinbaren.

Die Fälle werden alle bis zum Ende geschildert, die Ergebnisse sind manchmal anders als erwartet. Ob letztendlich in den Verhandlungen die Wahrheit ans Licht kam, kann nur einer beurteilen: Der Täter selber.

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Mein Fazit: 5 von 5 Sternen für diese Art von Buch, das in keine Schublade passt (wie so viele … ) Eine sehr gelungene Lektüre über die Arbeit der Gerichte und den Umgang mit Mord und Totschlag. Die Fälle erzählen die Dinge, die in den Romanen ausgespart sind und zeigen die Menschlichkeit der Richter.  Für Liebhaber von Krimis und Thriller mit Sicherheit einmal eine sehr interessante (ja auch lehrreiche) Abwechslung.

P.S. Ein Lieblingswort der Anwälte, „insoweit„, habe ich tatsächlich nur 1 x gelesen! 😉

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Ich danke dem ullstein Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares.

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© Buchwelten 2011