Das Buch, das dich findet von Siegfried Langer

Eine WhatsApp-Nachricht ist das letzte, was Merelie von Alina gesehen hat. Danach ist Alina verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt. Auf Nachrichten reagiert sie nicht mehr, auch von zu Hause ist sie weg, ohne Kleidung, Waschzeug, Geld oder sogar ihr Handy. Alles ist da, nur eben Alina nicht.

In ihrer letzten Nachricht schrieb sie Merelie von einem seltsamen Roman, auf den sie gestoßen war: „Das Buch, das dich findet“. Merelie wundert das sehr, denn gelesen hat Alina nie. Sie war traurig und depressiv, nachdem ihr Bruder David gestorben war, hatte sogar Todessehnsüchte. Doch Merelie war Alina eine gute Freundin und Stütze in dieser Zeit. Merelie beginnt nach dem ominösen Buch zu suchen, recherchiert, fragt in Buchläden. Gemeinsam mit ihrem Freund aus jüngster Kindheit, Elias, versuchen sie alles, um hinter das Geheimnis von Alinas plötzlichem und seltsamen Verschwinden zu kommen. Sie finden eine ebook-Ausgabe auf Alinas Handy und beginnen den seltsamen Roman zu lesen.

Doch plötzlich findet Merelie von demselben Buch eine Print-Ausgabe auf Ihrem Bett. Was soll das? Wie kommt es dahin? Wer konnte einfach so in Merelies Zimmer das Buch platzieren? Sie kann nicht widerstehen und beginnt zu lesen. Seltsam, die Handlung weicht von der aus Alinas Ausgabe ab. Und dann geschieht etwas wirklich Unglaubliches …

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Das Buch hat der Autor Siegfried Langer über BoD publiziert und es präsentiert sich als qualitativ hochwertiges Hardcover. Die Gestaltung in schönem Violett mit dem Bild, dass das Buch immer wieder in einer Hand zeigt gefällt mir gut. Die Schrift des Klappentextes gefällt mir persönlich nicht, aber der Inhalt dessen macht neugierig.

Die Hauptfigur des Romans, die 17-jährige Merelie, die optisch der Gothic-Szene zugehörig ist, ist mir sehr sympathisch. Sie ist eine ehrliche, sehr natürliche Person, die Alina, vormals echte Tussi, nach dem Tod ihres Bruders einfühlsam zur Seite steht. Dann ist da noch Elias, die dritte Hauptrolle des Roman. Seit seiner Kindheit ist er mit Merelie befreundet. Über die Jahre hatten sie sich ein wenig aus den Augen verloren, aber nun, durch das Verschwinden von Alina und die darauffolgende Suche kommen sie sich wieder näher und sind ein tolles Team.

Man kann das Buch ohne weiteres als All-Age-Lektüre bezeichnen, denn auch wenn es eigentlich wie ein klassisches Jugendbuch wirkt, behandelt es Themen, die altersübergreifend sind. Verluste, Sehnsüchte, geheime Wünsche, Trauer und Ängste sind die Themen, die Siegfried Langer in der Handlung aufgreift und über die er in einem wunderbar ausgeklügelten Handlungsrahmen erzählt. Die Grundidee des Romans, auf den ich eigentlich gar nicht näher eingehen will, ist wirklich klasse. Ein Buch, dass es eigentlich nicht gibt und solche Dinge „geschehen lässt“, ja, da hatte der Langner einen guten Einfall. Müsste ich es irgendwie vergleichen, fiele mir vielleicht „Sophies Welt“ von Jostein Gaarder ein, wobei der Vergleich dennoch ein wenig hinkt. Aber die Richtung passt jedenfalls.

Der Schreibstil ist, wie von Siegfried Langer gewöhnt, sehr gut, sprachlich gehoben und wunderbar ausformuliert, niemals flapsig oder lasch. Natürlich gibt es Umgangssprachliches in den Dialogen der jugendlichen Protagonisten aber das kann und soll ja auch so sein.

Ein Gespräch am Schluss hätte ich mir länger gewünscht. Dieses Thema, auf das ich auch nicht näher eingehen möchte, wurde mir für mein Empfinden etwas zu schnell abgehandelt.

Aber dennoch, ich gebe hier gerne eine Leseempfehlung für dieses wunderbare All-Age-Werk.

© Marion Brunner_Buchwelten 2020

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Amok Baby von André Bawar

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Erschienen als Taschenbuch
im emons Verlag
insgesamt 240 Seiten
eigentlicher Preis: 14,95 €
ISBN: 978-3-95451-476-2
Kategorie: Thriller

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In Berlin werden Mediziner und/oder Menschen, die im medizinischen Bereich tätig waren, Opfer einer krassen Mordserie. Sie alle haben sich an gehandicapten Kindern eine goldene Nase verdient und durch die Behinderung der Kinder richtig viel Geld verdient. Nun werden sie eine/r nach dem anderen getötet. 

Kommissar Piontek wird auf die Ermittlungen angesetzt und er deckt Korruption und dreiste Geschäftspraktiken auf. 

Aber was hat die kleine Friederike Marx mit der Mordserie zu tun? Wie passt sie in das Schema? Sie war doch „nur“ eines der behinderten Kinder, an denen verdient wurde. Ist hier Rache im Spiel?

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Oben unter dem Bild habe ich geschrieben, dass das Buch eigentlich 14,95 € kostet, so steht es auf der Verlagsseite. Ich habe das Buch jedoch tatsächlich in einem 1€ Shop entdeckt und aufgrund des Klappentextes gekauft.

Ich kenne mich mit behinderten Kindern nicht aus, fand es aber dennoch spannend, zu erfahren, wie sich Ärzte, Krankendienste und Sanitätshäuser hier womöglich bereichern. Und ich muss sagen: Ganz oft kam hier Wut auf, musste ich sprachlos den Kopf schütteln, als ich las, was dort in diesen Bereichen so abgeht (angeblich abgehen soll, es ist ja ein Roman ☺).

Der Autor erzählt seinen Thriller in 3 Handlungssträngen:

  1. Heute: In der Gegenwart scheint ein Arzt gerade seine finalen Lebensminuten zu erleben. Der Rächer ist in seinem Büro und rechnet ab.
  2. Beginn 2007: Friederike wird geboren und wir begleiten die Eltern des behinderten Kindes durch ihren Alltag, dem ganzen Elend aus Angst, dauernder Hoffnung, Wut & Hilflosigkeit
  3. 2013: Die Mordserie nimmt seinen Anfang und wir begleiten Kommissar Piontek und seine Kollegin bei den Ermittlungen.

Der Thriller ist sehr spannend, fesselnd und rasant geschrieben. Dass ich dennoch einige Wochen daran gelesen habe, liegt lediglich an meinem persönlichen Zeitproblem.

Den Alltag der Eltern von Friederike zu erleben, die an der Behinderung ihrer Tochter zu zerbrechen drohen, das war schon krass und traurig. Nervenaufreibend und schlimm. Denn die beiden liebten ihre Tochter abgöttisch und wussten nicht, was mit ihr los war. Sie wurden von Arzt zu Arzt und von Therapie zu pädagogischen Diensten gescheucht. Ihnen wurden teure Therapien und Hilfsmittel verordnet (die natürlich voll von der Krankenkasse übernommen werden, diese jedoch im Handling total untauglich sind!). Sie kämpften um das Leben ihrer Tochter, wünschten sich, dass sie sich entwickelt. Versuchten irgendwie ihre Ehe am Laufen zu halten, haben sie doch bald nur noch sich selbst. Denn Freunde und Bekannte ziehen sich immer mehr zurück. So ein Problemkind bringt natürlich auch soziale Schwierigkeiten mit sich. 

Ich könnte noch unendlich weiterschreiben, doch man liest schon heraus, dass es nur zu verständlich ist, dass Eltern vielleicht irgendwann mal nicht mehr können. Doch warum es zu der Mordserie kommt oder wie das alles zusammenhängt, werde ich natürlich nicht verraten. Denn dazu sind die Entwicklungen und Wendungen viel zu gut durchdacht und ausgeklügelt niedergeschrieben. 

Der Autor hat hier einen sehr guten Thriller abgeliefert, der Einblick in eine Maschinerie gewährt, die ich/die meisten Eltern ja (man muss schon sagen „zum Glück“) nicht kennen. Ich selbst finde es ja schon stressig, wenn mein Sohn fremdelt und bei der U-Untersuchung beim Kinderarzt nicht so mitmachen will, wie er sollte. Doch wenn man diesen Roman liest, dann sind solche Probleme ja eigentlich lachhaft.

Traurig und erschreckend ist dieser Roman, dennoch auch voller Liebe und Hoffnung und einer ganzen Menge Ungerechtigkeit. Meine klare Leseempfehlung. 

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© Buchwelten 2019

 

Die italienischen Schuhe von Henning Mankell

Die italienischen SchuheErschienen als gebundene Ausgabe
im Zsolnay Verlag
insgesamt 368 Seiten
Preis: 24,00 €
ISBN: 978-3-552-05794-4
Kategorie: Drama, Liebe, Belletristik

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Der ehemalige Chirurg Fredrik Welin lebt einsam und fast allein auf einer kleinen Insel in den Schären. Die Insel gehörte einst seinen Großeltern und dort fristet er genügsam und eigenbrötlerisch seinem Dasein. Er bewohnt ein gemütliches, geräumiges aber einfaches Haus, er besitzt ein Boot, das er eigentlich seit Jahren in Schuss bringen möchte, wozu er sich aber nie aufraffen kann.

Einzig ein alter Hund, eine ebenso alte Katze und ein Ameisenhaufen im Wohnzimmer sind seine Mitbewohner, wobei er die Ameisen eigentlich eher sich selbst überlässt, da er den Raum sowieso nicht nutzt.

66 Jahre ist Welin alt und vor vielen Jahren ist ihm „die große Katastrophe“ passiert und seitdem lebt er so zurückgezogen. Einer der wenigen menschlichen Kontakte, die er hat, sind die Besuche des Postboten Jansson. Der kommt ab und an vorbei, teilt ihm mit, dass er keine Post hat und schildert Welin regelmäßig ein anderes Wehwehchen, dass er dann untersuchen soll.

So gehen die Tage dahin und Welin ist weder glücklich oder unzufrieden. Es ist wie es ist. Doch eines Tages im Winter, da ändert sich alles. Denn da schaut Welin raus aufs Eis und sieht dort jemanden stehen. Mit einem Rollator. Die alte Dame ist Harriet, die Frau, die er vor langer Zeit einmal sehr liebte und die er verließ.

Nun steht sie nach 40 Jahren da und will von Fredrik, dass er ein altes Versprechen einlöst, da sie sterbenskrank ist. Natürlich erinnert er sich an dieses Versprechen und selbstverständlich hält er sich daran.

Also machen die beiden sich auf den Weg, auf eine winterliche Reise, sein Wort einzulösen und auf einen Streifzug in die Vergangenheit …

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Henning Mankell hat hier einen sehr ruhigen, stimmungsvollen und gefühlvollen Roman geschrieben. Er erzählt von den Fehlern und Macken der Menschen, vom Älterwerden und Einsam sein, vom wieder zum Leben erwachen und vom Sterben.

Auf dieser Reise erfährt der Leser natürlich, was die „große Katastrophe“ im Leben des Chirurgen war, wir treffen aber auch auf die unterschiedlichsten Menschen, die irgendwie mit dem Leben des Protagonisten verbunden sind. Und diese Reise hat mir ein absolutes Lesevergnügen bereitet. Nicht nur, weil ich durch das verschneite Schweden gereist bin und auch laue Sommerabende erlebt habe, nein, Fredrik Welin ist in seiner rauen, einfachen und immer kurz angebunden Weise ein herzensguter und liebevoller Mensch. Wenn man ihn gemeinsam mit Harriet erlebt, dann ist es, als begleite man ein altes Ehepaar und das Miteinander der beiden ist einfach herrlich.

Interessant war es für mich auch deshalb, da ich erst vor kurzem den biografischen Roman „Treibsand“ von Henning Mankell gelesen habe und nun bemerkte, dass er doch einiges von sich selbst hat einfließen lassen in seine Handlung. Ja, er hat sogar eine eigene Aussage wörtlich einer Figur in den Mund gelegt.

Und auch wenn der Roman sehr ruhig erzählt ist, so vergeht er doch wie im Fluge, denn es gibt eine Menge Ereignisse, die alles andere als langweilig sind.

Ich war traurig, als die Geschichte zu Ende war und ich die Schären verlassen musste, habe ich die Menschen doch alle sehr ins Herz geschlossen. Nun, ich habe Glück. Denn posthum ist nun eine Fortsetzung erschienen: „Die schwedischen Gummistiefel“. Die Geschichte wird weitererzählt. Das freut mich sehr und ich bin sehr gespannt wie es weitergeht. Denn geendet hat der Roman mit einem sehr offenen Ende ….


Fazit: Es lohnt sich immer wieder, Bücher aus dem Regal zu nehmen, die nicht auf der (aktuellen) Bestsellerliste stehen oder einen „Spiegel“ Aufkleber haben. Der oben beschriebene Roman ist schon älter, der Autor inzwischen verstorben und eigentlich eher durch seine Wallander-Reihe bekannt geworden. Aber diesen stillen und stimmungsvollen und keinesfalls langweiligen Roman empfehle ich nur gerne.

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© Buchwelten 2017

Das Phantom von Manhattan von Frederick Forsyth

PhantomErschienen als Taschenbuch
im Goldmann Verlag
240 Seiten
gebraucht auf diversen Plattformen erhältlich
ISBN: 978-3-442-45003-9

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Was wurde aus dem Phantom der Oper, welches in den Gewölben unter der l’Operà lebte und die junge Opernsängerin Christine Daaé entführte, da es sich unsterblich in die junge Frau verliebte?

Als Madame Antoinette Giry im Jahre 1906 im Sterben liegt und nach einem Notar verlangt, erzählt sie ihm, wie sie seinerzeit den Jungen Erik Mühlheim aus einem Kurisiositätenkabinett befreite und ihn zunächst in ihrem Heim aufpäppelte und dann an ihrer Arbeitsstätte, unter der Pariser Oper, versteckte. Nach dem skandalösen Vorfall um Christine Daaé verhalf sie ihm dann zur Flucht nach Amerika.

Und ihr letzter Wille ist es nun, dass der Notar Dufour einen Brief an Erik für sie zustellen soll. Und das persönlich und zwar in New York. Erik ist in New York zu großem Reichtum gekommen, ist einer der mächtigsten Männer Amerikas. Zu Gesicht bekommen hat das „Phantom von Manhattan“ jedoch bislang niemand ….

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Als ich damals Anfang 2016 das Musical „Das Phantom der Oper“ gesehen hatte, war ich so begeistert, dass ich die Geschichte lesen wollte. Ich habe dann den Roman von Gaston Leroux gelesen, der sicherlich gu,t aber doch irgendwie auch ein bisschen komisch war. Stichworte: der Perser, Stromausfall …

Mein Onkel erzählte mir dann, dass er mit meiner Tante im Musical „Das Phantom von Manhattan“ war, das einfach fantastisch sei und ihn absolut begeisterte. Ich wusste seinerzeit gar nicht, dass es eine „Fortsetzung“ des Romans gibt. Mein Mann schenkte ihn mir und ich habe ihn innerhalb der letzten 2 Tage verschlungen.

Zu allererst gibt es ein sehr ausführliches Vorwort von Frederick Forsyth, das so gut, interessant und informativ ist, das es sich allein dafür lohnt, das Buch in die Hand zu nehmen. Er zerlegt den Roman von Leroux in einer liebevollen aber klaren Art und Weise und er erzählt sehr viel über die Hintergründe der damaligen Gerüchte (die den Stoff für den Roman lieferten) den Bau und die Architektur des Opernhauses in Paris, uvm. Sehr spannend!

Wie oben im „Klappentext“ bereits erwähnt, beginnt die eigentliche Geschichte dann mit der Erzählung von Antoinette Giry, der Frau, die wir alle aus dem ersten Roman (und auch natürlich aus dem Musical) kennen. Im Roman war sie eher eine unterbelichtete „Schließerin“ der Logen im Operngebäude. Im Musical war sie die Leiterin des Corps des Ballet (der Tanztruppe) und Mutter der Tänzerin Meg.

Wir begleiten dann den Notar auf seinem Weg nach New York, erfahren wie es Erik nach seiner Ausreise nach Amerika ergangen ist. Auch hier verbaut Forsyth sehr viel Interessantes und historisch Belegtes. Ich habe alles nachgelesen und mir alte Bilder angeschaut, da ich zum einen prüfen wollte, ob er wirklich die wahre Geschichte mit seiner Fiktion verknüpft und es zum anderen einfach so spannend war, dass ich mehr wissen wollte.

Jedes Kapitel wird aus der Sicht einer anderen Person erzählt, die in die Handlung involviert ist, und so sind wir immer sehr nah dabei und es geht bisweilen recht dramatisch zu. Mehr verrate ich von der Handlung nicht, denn ich kann jedem, der „Das Phantom der Oper“ gesehen / gelesen hat nur empfehlen, diesen Roman ebenfalls zu lesen.

Die Idee zum Buch kam (natürlich) durch ein Gespräch mit Andrew Lloyd Webber auf, der dann gemeinsam mit Frederick Forsyth an dieser Handlung herumgefeilt hat.

Und eines weiß ich ganz gewiss: Dieser Roman wird ein fantastisches Musical geworden sein! Ich möchte es unbedingt ansehen. Aber zuerst: lest dieses Buch ☺

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© Marion Brunner für Buchwelten 2017

 

Ich lebe, lebe, lebe von Alison McGhee (5/5)

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Erschienen als Klappenbroschur
im dtv premium Verlag
160 Seiten
Preis: 12,90 €
ISBN: 978-3-423-24934-8
Katergorie: Jugendbuch ab 14. Jahre

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Die 17-jährige Rose lebt in einer relativ verlassenen Gegend in den Bergen von Irgendwo. Im März, bei noch glatten Straßenverhältnissen geraten Ihre ältere Schwester Ivy und sie in einen Autounfall. Ivy saß am Steuer und konnte dem hellblauen Truck, der zu schnell in die langezogene Kurve fuhr, nicht mehr ausweichen. Während Rose bei dem Unfall nicht verletzt wurde, fiel ihre Schwester in ein Koma, aus dem sie bis heute nicht erwacht ist.

Rose und ihre Schwester Ivy hatten immer ein sehr inniges Verhältnis. Sie waren zwar sehr gegensätzlich aber dennoch unzertrennlich. Jeden Tag besucht Rose ihre Schwester im Pflegeheim, wo sie nur noch durch die Maschinen am Leben erhalten wird. Sie wird künstlich beamtet, sie wird ernährt, ansonsten schläft Ivy und schläft und schläft.

Rose bricht es das Herz, ihre Schwester dort zu sehen. Immer wieder spricht sie mit ihr, liest ihr vor. Sie kann nicht glauben, dass Ivy sie nicht mehr hören kann. Der Arzt sagt das zumindest, doch Rose ist der Meinung, dass er sich so sicher nicht sein kann.

Roses Mutter hat ihre älteste Tochter seit Monaten nicht mehr besucht. Sie wollte von Anfang an die lebenserhaltenden Maßnahmen, doch die in sich gekehrte Frau kann es nicht ertragen ihr Kind dort so liegen zu sehen. Statt dessen muss sie sich nach Feierabend zwanghaft beschäftigen, um nicht durchzudrehen. 

Auch Ivys Freund, die beiden waren immerhin seit 3 Jahren zusammen, besucht das Mädchen nicht. Er sagt, er kann nicht, er würde daran zerbrechen.

So sind es jeden Tag immer wieder Rose und der Nachbar William T., die bei Ivy im Zimmer sitzen. William T. kümmert sich seit Jahren um die Familie, um genau zu sein, nachdem der Vater sie verlassen hat. Nun fährt er Rose jeden Tag in die Klinik und bleibt mit ihr für Stunden dort.

Rose hat große Probleme mit dem Verlust ihrer Schwester, den immer wiederkehrenden Momenten des Unfalls und ihren Ängsten umzugehen. In der Schule tuscheln sie über die „lebende Leiche“, doch direkt ansprechen tut sie fast niemand. Rose kapselt sich ab, stürzt sich in wechselnde Jungenbekanntschaften. Doch nichts nimmt ihr den Schmerz in ihrem Inneren.

William T., der vor Jahren seinen Sohn verloren hat, kommt an Rose heran und kümmert sich liebevoll um sie wie ein Vater. Das Zusammensein und die Gespräche helfen Rose jedoch nur begrenzt.

Dann ist da noch ihr Mitschüler Tom, der immer wieder auf Rose zugeht, sie anspricht, fragt wie es ihr geht und so ganz anders ist als die Jungs, mit denen Rose versucht hat den Schmerz in ihrem Herzen zu vertreiben. Tom kennt den Schmerz des Verlustes und der Verzweiflung nur zu gut. Er hat seinen Vater verloren. Und er findet einen Weg, dass Rose sich öffnet und fallen lässt. Vielleicht schafft Rose es mit Toms Hilfe sogar, Ivy endlich loszulassen, damit sie in Frieden gehen kann und Rose selbst endlich wieder lebt, lebt, lebt …

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Eine Geschichte von Liebe und Verlust, so steht es als Überschrift auf dem Buchrücken. Eine sehr kurze Geschichte sogar, denn das Buch umfasst gerade einmal 160 Seiten. Doch die haben es wirklich in sich.

Sehr gefühlvoll und sehr intensiv beschreibt die Autorin Roses Leben, dass ja eigentlich keines mehr ist. Der Versuch mit dem Verlust ihrer Schwester umzugehen, der Kampf gegen den Schmerz, dass hat Alison McGhee in einem sehr eigenwilligen Schreibstil zu Papier gebracht.

Mit diesem hatte ich anfänglich meine Schwierigkeiten. Denn die Autorin arbeitet mit vielen Wiederholungen. Immer wieder erlebt Rose den Moment des Unfalls und diese Szene wirft sie wörtlich ständig wieder mitten in die Handlung. Sie arbeitet auch viel mit Wechseln zwischen Gedanken, Rückblenden und aktuellen wörtlichen Reden. Dies alles ist dann aber nicht durch Absätze abgegrenzt. Lediglich die Gedanken Roses sind immer in kursiver Schrift geschrieben.

Die Autorin schreibt sehr philosophisch und bildhaft. Beispielsweise vergleicht Rose sich und ihre Schwester mit Gewässern. Während sie ein stiller See mit umschützenden Ufern ist, ist ihre Schwester Ivy ein fließendes Gewässer, dass immer in Bewegung ist.

Sie hat allen ihren Figuren sehr viel Tiefe und Gefühl mitgegeben. Jeder Mensch hat seinen eigenen Weg mit Schmerz, Angst und Verzweiflung umzugehen. Wie die Autorin es geschafft hat, dass alles in diese kurze Handlung zu verpacken ist sehr erstaunlich.

Empfohlen wird der Roman für Jugendliche ab 14 Jahre, ist aber unbedingt auch Erwachsenen Lesern ans Herz zu legen, denn genau das berührt dieses Buch. Die wichtigen Figuren in dem Roman sind ja nicht nur Jugendliche, sondern auch Erwachsene, wie Roses Mutter, der Nachbar William T. oder die kleine Nebenrolle der Schwester Angel.

Das Cover zeigt ein Mädchen auf einem Felsen in einem Gewässer, was sehr gut zur Handlung passt. Der Roman besteht aus relativ langen Kapiteln und ist in ziemlich kleiner und dünner Schrift geschrieben. Der Klappentext im Inneren der Broschur und die Inhaltsangabe auf der Buchrückseite sind sehr ausführlich, was ja auch der Auslöser war, dass ich auf dieses Buch aufmerksam wurde.

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Mein Fazit: Trotz anfänglicher „Schwierigkeiten“ mit dem besonderen Schreibstil 5 von 5 Sternen für eine Geschichte um Liebe, Verlust, Verzweiflung, das Loslassen und dem Versuch weiterzuleben, wenn man eigentlich keinen Sinn mehr darin sehen möchte/kann. Ein liebevoller und einfühlsamer Roman mit Tiefgang, der garantiert im Gedächtnis haften bleibt. Und wieder ein sehr gutes Buch, dass voraussichtlich auf keiner Bestsellerliste auftaucht, sondern höchtens durch die virtuellen Medien als Geheimtip gehandelt wird, wie so vieles … Schade eigentlich.

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Ich danke Amazon-Vine für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

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© Buchwelten 2012

Die leere Wiege von Ruth Dugdall (4,5/5 )

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Erschienen als
Taschenbuch
bei PIPER
368 Seiten
Preis: 9,99  €
ISBN 978-3492272827
Kategorie: Belletristik

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Rose Wilks, eine eher unscheinbare Frau wird nach einem heftigen Sturz ins Krankenhaus eingeliefert. Ihr Baby überlebt als Frühgeburt, und wird in einem Brutkasten auf der Intensivstation am Leben erhalten und langsam aufgepäppelt.

Als die Beatmungsmaschine des Babys dann nach einigen Tagen abgeschaltet ist und Rose beginnt, den kleinen Joel zu stillen, geschieht das Schreckliche: Der Junge stirbt und die Ärzte können nichts mehr für Joel tun. Jegliche Wiederbelebungsversuche bleiben erfolglos.

Für Rose bricht eine Welt zusammen und sie verfällt in eine tiefe Depression. Auch ihr Lebenspartner Jason schafft es nicht, sie dort raus zu holen.

Erst als Rose zufällig Emma Hatcher (eine schöne Frau, die Rose im Krankenhaus kennengelernt hat, weil sie ihren Sohn zur gleichen Zeit entbunden hat) wieder trifft, beginnt Rose wieder einen Sinn in ihrem Leben zu entdecken.

Emma ist überfordert mit dem kleine Luke und so kommt es, dass Rose immer öfter bei Emma zu Besuch ist und sie unterstützt. Zwischen den beiden Frauen entwickelt sich eine enge Freundschaft und Rose wird zu Lukes regelmäßiger Babysitterin. Sie liebt den kleinen Luke wie einen eigenen Sohn, abgöttisch, fast schon krankhaft.

Als im Haus der Hatchers ein Feuer ausbricht, kommt der kleine Luke ums Leben. Emma kann aus dem Haus gerettet werden, der Ehemann war zu dem Zeitpunkt gar nicht zu Hause. Das Feuer wurde durch eine brennende Zigarette ausgelöst. Dieselbe Marke, die Rose auch raucht: Silk Cut.

Durch ihre extreme Bindung zu dem kleinen Luke fällt der Verdacht sofort auf Rose. Diese bestreitet immer wieder, etwas mit dem Brand zu tun zu haben, liebte sie den kleinen Luke doch wie ihren eigenen Sohn. Doch keiner glaubt Rose und sie geht ins Gefängnis ….

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Der Roman beginnt mit der Nacht des Feuers und schwenkt dann aber in die Gegenwart.

Die Autorin erzählt den Roman in mehreren Handlungssträngen. Da ist einmal Rose und ihre Zeit im Gefängnis. Dann kommt die neue Bewährungshelferin Cate hinzu, selber Mutter und noch ein Greenhorn in der Knastszene. Sie ist damit beauftragt, ein Gutachten über Rose Wilks zu verfassen.

Dann gibt es noch den Erzählstrang, in dem Rose in ihr „schwarzes Buch“ schreibt. Sie beginnt hier mit ihrer Kindheit und erzählt ihr Leben bis in die heutige Zeit, nach dem Feuer.

Mir hat der Roman sehr gut gefallen und die verschiedenen Handlungsstränge haben die Lektüre auch sehr kurzweilig werden lassen.

Die Figur der Rose Wilks hat die Autorin sehr gut beschrieben und auch intensiv ausgearbeitet. Die Einflüsse ihrer Kindheit und Verbundenheit zu geliebten Menschen war gut erzählt.

Der Roman ist kein Thriller á la „Die Hand an der Wiege“. Eher ein spannender Gefängnisroman, der neben den groben Knastmomenten aber auch sehr viel mit Gefühl zu tun hat und dies auch toll rüberbringt. Psychologisches gibt es genauso, wie kleine erotische Momente und auch die Toten aus der Geisterwelt spielen keine unwichtige Rolle.

Das Ende war für mich einerseits recht früh absehbar, aber andererseits gab es eine „Auflösung“, die ein gut gelungener Überraschungsmoment war. Damit hatte ich dann doch nicht gerechnet.

Der Roman wird vom Verlag als Taschenbuch präsentiert, mit einem Cover, dass mich eben genau an o.g. Film erinnert hat.

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Mein Fazit: 4,5 von 5 Sternen für das Debüt der Autorin, die einen sehr spannenden, dunklen aber auch anrührenden Roman geschaffen hat, der kurzweiliges Lesevergnügen bietet. Geschrieben in unterschiedlichen Schreibstilen und gut ausformuliert. Der halbe Punkt Abzug beruht lediglich auf die relativ schnelle Vorhersehbarkeit. Das können andere Leser allerdings vollkommen anders sehen als ich.

Ich danke Amazon-Vine und dem PIPER Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares

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© Buchwelten 2012

Sommerfalle von Debra Chapoton (4/5)

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Erschienen als
Klappenbroschur
im  IVI Verlag
388 Seiten
Preis: 12,99 €
ISBN:  978-3-492-70265-2

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Rebecca, das ist ein hübscher amerikanischer Teenager mit fast 18 Jahren, blond, sportlich, lieb und beliebt. Sie hat einen tollen Freund, Freundinnen und die Highschool beendet. Ein Mädchen eben, wie man es aus vielen amerikanischen Filmen kennt.

Als sie gemeinsam mit ihrer Freundin Sarah im Einkaufscenter shoppen geht, fällt ihrer Begleiterin ein recht ansehnlicher Junge auf, der Rebecca anstarrt. Die beiden denken sich jedoch nichts weiter dabei, Jungs starren die beiden Mädels schon mal öfters an. Dann geht sie zur Toilette und kehrt nicht zurück.

Rebecca erwacht in einem dunkeln, fensterlosen Raum mit niedriger Decke. Sie ist mit Handschellen an ein Bett gefesselt. Neben ihr baumelt ein Eimer von der Decke, der dazu dienen soll ihre Notdurft zu verrichten.

Nach dem ersten Schock beginnt die aufgeweckte Rebecca sofort sich eine mögliche Flucht zu überlegen. Denn auch wenn sie Angst hat, weil ihr bewusst ist, dass sie entführt worden sein muss, hindert es sie nicht daran dringend etwas an ihrer Situation ändern zu wollen. Sie schafft es tatsächlich sich aus den Handschellen zu befreien und aus ihrem Verlies zu fliehen.

Sie läuft geradewegs in den Wald – ohne die geringste Ahnung wo sie ist oder wo sie hinsoll – doch all dies hat der Entführer vorhergesehen und dementsprechend seine Pläne geschmiedet ….

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Dieser Roman ist ein Jugend-Thriller aus dem neuen Imprint IVI des Piper Verlages. Diese neue Sparte soll nun die jugendlichen Leser ansprechen und dieser Roman hat mich aus zwei Gründen neugierig gemacht:
Erstens war da natürlich das wunderschöne Cover mit dem Schmetterling, dass mich zugegebenermaßen sofort ansprang. Nicht nur weil ich diese Flatterlinge sehr mag und sie mich eigentlich täglich begleiten, sondern auch weil das Jugendcover mal keine schrägen Augen, Vampire oder Elfenwesen darstellt. 
Zusätzlich hat mich der Klappentext direkt angesprochen und diese zwei Faktoren sollten ausreichen.

Die Autorin hat diesen Roman in Amerika in Eigenregie veröffentlicht und dieser wurde dort zum Ebook Besteller. So ist er dann letztendlich wohl in Deutschland angekommen und das zu Recht.

Der Stil von Debra Chapoton ist nicht übertrieben anspruchsvoll, aber auch nicht schlicht und einfach nur für Jugendliche geschrieben. Sie erzählt in einem angenehmen Schreibstil, der es schafft sowohl Umgebung der Handlung als auch Spannung und Gefühle der Figuren rüberzubringen.

Die Kapitel sind recht kurz gehalten und innerhalb dieser immer noch in verschiedene Abschnitte unterteilt (und diese sind immer mit einem hübschen Schmetterling versehen 🙂 ).

Was mir sehr gut gefallen hat, waren die Zeit- und Ortssprünge innerhalb der Handlung. Gegen Ende des Buches hat sich die Erzählung auf weniger Handlungsstränge beschränkt, doch die Wechsel gab es bis zum Schluss.

Die Autorin wechselt nicht nur die Erzählung aus den verschiedenen Sichten der Protagonisten. Sie wechselt auch immer wieder zwischen naher und ferner Vergangenheit der verschiedenen Charaktere, was einen guten Einblick in deren vergangenes Leben und die entsprechenden Vorgehensweisen im Roman gibt.

Das Buch ließ sich durch diese erwähnten Punkte sehr rasant lesen und hat Spaß gemacht.

Allerdings ist der Roman für mich nicht wirklich ein Thriller, dafür ist er eher zu ruhig. Aber wahrscheinlich müssen Verlage ein Werk einfach in irgendeine Schublade packen und die Kategorie Spannungsbuch gibt’s in Deutschland ja nicht.

Spannend war der Roman, aber eher eine ruhige Variante und dennoch gelungen.
Mich hat die Erzählung ein wenig an eine Mischung aus „Das Mädchen“ von Stephen King und „Selbstauslöser“ von Marko Kilpi erinnert. Zumindest was die Handlung und Dramatik in der Natur angeht. Mein Vergleich mag vielleicht hinken, ist auch nur ein Eindruck meinerseits.

Mein Fazit: 4 von 5 Sternen für ein gutes Spannungsbuch, das rasant, angenehm und flott geschrieben ist. Versehen mit interessanten, gut dargestellten Charakteren und sicherlich nicht nur für Jugendliche interessant. Die Autorin ist Lehrerin, man merkt es ihrem Buch an, im Positiven Sinne.

Ich danke dem IVI – Verlag für die Bereistellung des Rezensionsexemplars.

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© Buchwelten 2012