Der Fall von Gondolin von J.R.R. Tolkien – herausgegeben von Christopher Tolkien

gondolin

Erschienen als gebundene Ausgabe
in der Hobbit Presse (Klett-Cotta)
insgesamt 352 Seiten
Preis: 22,00 €
ISBN: 978-3-608-96378-6
Kategorie: Fantasy

Die größten Gegner Mittelerdes stehen sich gegenüber: Morgoth, die Personifizierung des Bösen und Ulmo, der Herr der Meere, Seen und Flüsse. Morgoth ist auf der Suche nach der verborgenen Elben-Stadt Gondolin, denn Turgon, König dieser Stadt, wird von Morgoth gehasst, weshalb er versucht, Gondolin zu finden und zu zerstören. Ulmo sendet den jungen Tuor nach Gondolin, um zum einen die Stadt und ihren König zu retten und zum anderen, zusammen mit den Bewohnern gegen das Böse in den Krieg zu ziehen.

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Der mittlerweile 94 Jahre (!!!) alte Christopher Tolkien hat ein neues Kapitel im Mittelerde-Epos aufgeschlagen und entschlüsselt. Mit einer unglaublichen Akribie und Kenntnis über die Arbeit seines Vaters präsentiert Christopher Tolkien die Geschichte um den Fall Gondolins in sämtlichen existierenden Fassungen und gibt in detailliert geschilderten Kapiteln Aufschluss über die Entstehung und Zusammenhänge. Es ist atemberaubend, wie sich für den interessierten Tolkien-Leser und -Fan Lücken im Gesamtwerk um Mittelerde schließen und man fasziniert erkennt, wie viele Geschichten (auch „Der Herr der Ringe“) miteinander verbunden sind. Sicherlich sind diese Zusammenhänge für den wahren Tolkien-Fan nichts Neues, aber Christopher Tolkien schafft eine sehr hypnotische Stimmung, wenn er die titelgebende Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln untersucht und Textfragmente aus dem Erbe seines Vaters wie ein Puzzle zusammensetzt, um ein ganzes Bild zu bekommen.

Fast mutet das Buch wie eine Detektivarbeit an, bei der der Leser aktiv teilnimmt, weil der Autor ihn an seinen Überlegungen hautnah dabei sein lässt. Ich konnte mich sehr schlecht von den „Ermittlungen“ losreißen und war neugierig, wie sich die verschiedenen Geschichten, die Tolkien um die selben Begebenheiten verfasst hat, letztendlich doch wieder zusammenfügen. Christopher Tolkien hat, wie schon bei „Die Kinder Húrins“ und „Beren und Lúthien“, wieder hervorragende Arbeit geleistet und konnte mich mit seinen Überlegungen und Schlussfolgerungen vollends überzeugen. Am Ende war ich traurig, dass die Recherchen nicht noch weitergingen, so sehr hat mich der Sohn in das Werk seines Vaters versinken lassen.

Nun aber zur eigentlichen Geschichte, nämlich dem „Fall von Gondolin“:
J.R.R. Tolkien hat, wie bei all seinen Geschichten, eine Welt erschaffen, der man sich schlichtweg nicht entziehen kann. So auch bei der vorliegenden Geschichte, die sich liest wie eine wahre Begebenheit, die über Jahrtausende von Mund zu Mund weitererzählt wurde. „Der Fall von Gondolin“ klingt wie ein Märchen, wie eine Fabel, aber auch wie eine Legende. Interessant ist auch, wie einerseits unschlüssig und andererseits detailliert Tolkien an diesen Zeitabschnitt von Mittelerde heranging. Die verschiedenen Versionen der Geschichte zeigen, dass er permanent an der Entwicklung der Begebenheiten gearbeitet hat, sie von vielen Seiten aus beleuchtet hat und (wahrscheinlich) unsicher war, welche der Versionen seiner Vision am nähesten kam. Letztendlich fügen sich die verschiedenen Herangehenswesen an den „Fall von Gondolin“ beim Leser am Ende zu einer einzigen, allumfassenden Geschichte zusammen, die von der Atmosphäre auch schon mal an sein Magnus Opus „Der Herr der Ringe“ erinnert. Absolut gelungen sind die unterstützenden Illustrationen von Alan Lee, die das Abenteuer auch noch visuell optimal unterstreichen. Wenn man das Buch zuschlägt, meint man tatsächlich, man hätte eine Art Film gesehen, der, unterstützend durch die Kommentare Christopher Tolkiens, eine Art Dokumentation geworden ist. Fans von J.R.R. Tolkien sollten keine Sekunde überlegen, sich dieses tolle Werk anzuschaffen. Alle anderen, die einmal einen Einblick in Tolkiens Schaffen außerhalb „Der Hobbit“ und „Der Herr der Ringe“ riskieren möchten, lege ich dieses Buch ebenfalls nahe. Vor allem durch die erklärenden Worte des Sohnes erhält die Geschichte eine ganz besondere Tiefe, die man nicht so schnell vergisst.

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Fazit: Wunderbarer Ausflug nach Mittelerde mit dokumentarischem Touch. Volle Punktzahl!

© 2018 Wolfgang Brunner für Buchwelten

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